Der chinesische Staat als gemeinsam handelnde Person

Grenzen der Transparenz?

Losgelöst von der praktischen Frage, wie eine solche Liste zu beschaffen ist und welchen Aufwands es bedarf, die Liste als Anlage zur Angebotsunterlage zur Verfügung zu stellen, bleibt die Frage, ob der Gedanke der Transparenz und notwendigen Informationen i.S.d. § 11 WpÜG durch eine solche Liste nicht ad absurdum geführt wird. Der Begriff „notwendig“ impliziert, dass ggf. nicht alle Informationen erforderlich sind, sondern ausschließlich die, anhand derer sich ein Aktionär eine Meinung bilden kann. Das kann für eine mehrere tausend Seiten lange Anlage durchaus bezweifelt werden.

Die BaFin hat die rechtliche Analyse und die Notwendigkeit einer Offenlegung sämtlicher Staatsbeteiligungen bestätigt und fordert eine entsprechende Liste als Anlage zur Angebotsunterlage. Ihr sind rechtlich die Hände gebunden. Die Vermutung des § 290 HGB ist unwiderleglich. Den Weg einer einschränkenden Interpretation der Rechtsnormen für Staatsunternehmen hat sich die BaFin bereits in der Vergangenheit abgeschnitten, indem sie im Fall des französischen Staatsunternehmens (AREVA/Repower Systems AG) den Staat wie ein Unternehmen behandelt hat und für die Angebotsunterlage eine Anlage mit sämtlichen französischen Staatsbeteiligungen forderte. Was dort noch eine Fleißarbeit war, bringt chinesische Bietergesellschaften und deren Berater an die Grenzen des Machbaren.

Der Ansatz des UK Takeover Panel

Das in London ansässige britische Takeover Panel hat einen anderen, pragmatischen Ansatz gewählt. Dort ist die Übernahmekommission zu dem Schluss gelangt, dass bei einer chinesischen Staatsbeteiligung dem Informationsbedürfnis genüge getan ist, wenn sich die Information auf das Wesentliche beschränkt. So war das Panel damit einverstanden, dass eine chinesische Bietergesellschaft nur die direkte Beteiligungskette bis zu der von der SASAC beaufsichtigten letzten „Konzernobergesellschaft“ offenlegt. Darüber musste auch nicht die gesamte Konzernstruktur des Staatsunternehmens dargestellt werden, sondern lediglich nur der Teil, dessen Geschäft in Bezug auf den Bieter und die Zielgesellschaft relevant war.

Ausblick

Die Definition der „gemeinsam handelnden Personen“ im WpÜG und HGB führt zu so weitreichenden Offenlegungspflichten, dass diese am Ziel der Transparenz vorbeischießen. Für Unternehmen, an denen der chinesische Staat direkt bzw. indirekt mehrheitlich beteiligt ist, werden die Offenlegungspflichten in Deutschland so zu einer sehr großen Herausforderung.

Um dem Gebot der Transparenz und der Konzentration auf die Informationen, die für eine Entscheidung eines Aktionärs „notwendig“ sind, gerecht zu werden, sollten die entsprechenden Regelungen des WpÜG, insbesondere der Verweis auf das HGB, überdacht und ggf. überarbeitet werden. Die Übernahmerichtlinie (RL 2004/25/EG) sollte ein europäisches Level Playing Field für Übernahmen schaffen. Vielleicht kann eine „Übernahmerichtlinie 2“ die Idee der gleichen Bedingungen auch für die Offenlegungspflichten auf europäischer Ebene herstellen.

Zur Person

Rothe Martina (col)

Martina Rothe ist Rechtsanwältin und Counsel bei der Wirtschaftskanzlei Ashurst in Frankfurt am Main. www.ashurst.com

Martina Rothe ist Gastautorin.

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