„Alle Lösungen für lokale Managing Directors in Betracht ziehen“

Interview von Dr. Gerald Neumann mit Rainer Burkardt und Thaddäus Müller

Einkaufsmanager zeigt verlangsamtes Wachstum an
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Umstrukturierung von China-Investitionen, Teil 1: Beteiligungsmodelle für lokale Managing Directors. Ein Interview geführt von Dr. Gerald Neumann

In dieser Serie betrachten wir, dass die große Mehrheit der ausländischen Manager China in den letzten drei Jahren verlassen hat. Schon vor der Corona-Pandemie setzte der Exodus ausländischer Mitarbeiter langsam ein, wobei sich die Geschwindigkeit in den letzten Jahren von allmählich zu rasant veränderte.

Viele deutschsprachige Beteiligungen in China, die oft bedeutende Umsatzträger für den gesamten Konzern sind, werden inzwischen von chinesischen Managern geführt. Erfolgreiche chinesische Manager sind immer auch selbst Unternehmer. Deshalb möchten wir heute diskutieren, wie solche Manager an das Unternehmen gebunden werden können.

Gäste sind Rainer Burkardt[1] und Thaddäus Müller[2]. Das Interview führte Dr. Gerald Neumann[3].

Thaddäus, Sie haben mehr als 15 Jahre Erfahrung in China. Was unterscheidet chinesische Manager von deutschsprachigen Managern?
Müller: Die kulturellen Unterschiede sind erheblich. Generell habe ich beobachtet, dass sich chinesische Arbeitnehmer viel weniger mit ihrem Arbeitgeber identifizieren als in Europa. Die Mitarbeiter wechseln häufiger das Unternehmen und nutzen Unzufriedenheiten im Unternehmen oder verlockende Angebote anderer Arbeitgeber schneller aus als in Deutschland. Dies gilt auch für Manager, die die Gesamtverantwortung für das Unternehmen tragen. Außerdem erwarten chinesische Arbeitnehmer auf allen Ebenen klare Hierarchien. In China besteht ein Managementteam seltener aus einem Direktorium und öfter aus einem einzigen Geschäftsführer. Andere Manager oder Mitarbeiter mit Führungsaufgaben werden als klar untergeordnet angesehen.

Deals für Managing Directors in China sind anspruchsvoll
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Rainer, siehst du das auch so?
Burkardt
: Im Prinzip ja. Es kommt aber auf die Art des Unternehmens an. Chinesische Mitarbeiter verlassen eher große multinationale Unternehmen mit einer unpersönlichen Führungsstruktur als mittelständische Unternehmen mit einem direkten und intensiven Kontakt zum Geschäftsführer. Deutschsprachige Familienunternehmen haben einen ausgezeichneten Ruf und verfügen oft über eine hervorragende Unternehmenskultur. Das wird sehr geschätzt.

Sind das Anreize, die Sie den Kandidaten für Ihre Kunden nennen, Thaddäus?
Müller: Auf jeden Fall. Unsere deutschsprachigen Kunden konkurrieren nicht nur mit anderen deutschsprachigen Arbeitgebern um qualifizierte Kandidaten, sondern auch – und das zunehmend – mit lokalen chinesischen Unternehmen und natürlich mit US-Unternehmen. Im Vergleich zu beiden Arbeitgebern sehe ich Vorteile für deutschsprachige Arbeitgeber in Bezug auf die Unternehmenskultur, aber vielleicht nicht unbedingt in Bezug auf die Vergütung. Amerikanische Unternehmen bieten oft deutlich höhere Gehälter, vor allem, was die variable Komponente angeht.

Heißt das, deutschsprachige Unternehmer zahlen zu wenig?
Müller
: Nicht unbedingt. Allerdings erwarten erfolgreiche chinesische Manager hohe variable Anteile, und hiesige Arbeitgeber und anglo-amerikanische Unternehmen bieten oft höhere Gehälter.

Burkardt: Wirklich erfolgreiche Manager kennen ihren Marktwert und ihren Wert für das Unternehmen, vor allem dann, wenn die Tochtergesellschaft in China eigenständig agiert und nicht als Niederlassung von der ausländischen Muttergesellschaft geführt wird. In diesen Fällen übersteigen die Gehaltsvorstellungen chinesischer Manager oft das, was die Muttergesellschaft zu zahlen bereit ist. In solchen Fällen müssen andere Lösungen als Festgehälter in Betracht gezogen werden.

Welche Möglichkeiten gibt es, variable Gehaltsbestandteile in China zu gestalten?
Burkardt
: Generell stehen in China die gleichen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wie in Deutschland zur Verfügung. Zunächst können leistungsbezogene Jahresprämien mit flexiblen Kriterien gewährt werden. Vertriebsleiter erhalten umsatzabhängige Provisionen, bei Geschäftsführern ist der Bonus meist an den Geschäftserfolg der Tochtergesellschaft, manchmal aber auch an den Erfolg der gesamten Unternehmensgruppe gekoppelt.

Können wir also davon ausgehen, dass die chinesischen Manager eine höhere variable Komponente akzeptieren würden, Thaddäus?
Müller: Das würde ich auch so sehen. Hier gilt der bereits erwähnte kulturelle Faktor. Wenn ein Kandidat nicht bereit ist, eine hohe variable Komponente zu akzeptieren, sollte man hinterfragen, ob er wirklich der richtige Kandidat ist.

Aus steuerlicher Sicht unterliegt ein einmaliger Jahresbonus dem ermäßigten Steuersatz, zumindest ist das die aktuelle Regelung. Gibt es sonst noch rechtliche Unterschiede im Vergleich zum deutschen Arbeitsrecht, Rainer?
Burkardt: Das chinesische Arbeitsrecht ist viel weniger ausdifferenziert als zum Beispiel das deutsche Arbeitsrecht. Zudem gibt es deutlich weniger Sicherheit, weil es nicht genügend höchstrichterliche Rechtsprechung und wissenschaftliche Kommentarliteratur gibt, um unklare Gesetze zu klären und Streitfälle zu behandeln. Dies bedeutet, dass der Arbeitsvertrag klare und eindeutige Bestimmungen enthalten muss. Leider stoßen wir häufig auf sehr komplizierte oder ungenaue Vertragsformulierungen, die schnell vor dem Arbeitsgericht landen. Es sei darauf hingewiesen, dass chinesische Arbeitsgerichte häufig zugunsten des Arbeitnehmers entscheiden, insbesondere wenn es sich um ein Unternehmen mit ausländischer Beteiligung handelt.

Sollten auch Compliance-Aspekte beachtet werden?
Burkardt: Das empfehle ich sehr. Compliance ist ein heißes Thema für ausländische Unternehmen in China. Wenn es um einen Geschäftsführer mit Gesamtverantwortung geht, sollte Compliance einer der Hauptfaktoren bei der Festlegung des variablen Teils seiner Vergütung sein. Bei Vertriebsleitern sollte darauf geachtet werden, dass der provisionsberechtigte Umsatz eine angemessene Marge enthält und die Transaktion abgeschlossen ist, d.h. der Kaufpreis bezahlt ist, um Kickbacks und Scheingeschäfte zu verhindern.

Wir raten unseren Kunden regelmäßig, ihre Liquidität in China gering zu halten, ihr Working Capital aktiv zu managen und darüber zu berichten. Kann das auch ein Bonuskriterium sein?
Burkardt
: Ja, das wird jetzt als Bonusdeterminante verwendet, und ich halte das für eine gute Idee. Die Geschäftsführer vor Ort müssen oft mehr auf diese finanziellen Indikatoren achten, und sie haben klar definierte Kriterien zur Erfolgsmessung.

Müller: Nach meinen Beobachtungen akzeptieren die Kandidaten dies auch. Aber, wie Rainer schon sagte, sind klare Regelungen notwendig. Wichtig ist, wie ich schon sagte, dass ein ausreichend hoher variabler Anteil eine attraktive Vergütung ermöglicht. Führungskräfte wollen am Erfolg beteiligt werden. Natürlich kann der Arbeitgeber auch eine Obergrenze festlegen, damit das Gesamtpaket in einem vernünftigen Rahmen bleibt.

Interview mit Silas Chu, neuer Regional Director Europe, Central Asia and Israel des HKTDC in Frankfurt.
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Beteiligung am Erfolg könnte auch bedeuten, dass man den chinesischen Managern Anteile am Unternehmen in China oder auch in Deutschland gewährt. Ist das auch gewünscht, Thaddäus?
Müller: Eigentlich nicht so sehr. Der Fokus liegt eher auf einer hohen Entlohnung auf der Arbeitnehmerseite. Natürlich gibt es Sonderfälle, aber die sind häufiger, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon länger kennen. Das ist aber immer noch eine Seltenheit, vor allem in Familienbetrieben.
Burkardt: Ich empfehle, Anteile nur dann zu gewähren, wenn man den Manager schon länger kennt und er in der Vergangenheit die gewünschten Geschäftsergebnisse geliefert hat. Wichtig ist aber, dass die entsprechenden Gesellschaftsverträge der deutschen Muttergesellschaft weiterhin maximale Freiheit bei der Umsetzung wichtiger Investitionsentscheidungen lassen, dass die Beteiligung des chinesischen Managers ohne dessen Mitwirkung oder idealerweise sogar gegen dessen Willen beendet werden kann und dass die finanziellen Anforderungen an die Beteiligung des chinesischen Managers so gering wie möglich gehalten werden. Dabei ist zu beachten, dass bei bestimmten Beteiligungsmodellen die hundertprozentige Tochtergesellschaft zu einem Joint Venture mit dem chinesischen Manager als Gesellschafter werden kann.

Kann es dafür einen Stufenplan geben?
Burkardt: Sicherlich. Das Unternehmen kann dem Manager zunächst einen gut dotierten Arbeitsvertrag mit erfolgsabhängigen Boni gewähren, mit der Aussicht, nach einer gewissen Zeit Anteile zu erwerben. Mit der Einräumung einer rechtlich verbindlichen Option wäre ich in diesem Stadium allerdings zurückhaltend. Bestimmte Parameter sollten frühzeitig festgelegt werden, um den Manager zu binden und zukünftige Enttäuschungen zu vermeiden. Meines Erachtens sollten solche Optionen aber erst nach gründlicher Analyse der steuerlichen und rechtlichen Vor- und Nachteile des jeweiligen Beteiligungsmodells gewährt werden.

Kann der Arbeitnehmer durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen möglicherweise Teile seines Gehalts sparen?
Burkardt: Ja, das ist grundsätzlich denkbar. Ich persönlich würde es aber einfacher gestalten und dem Mitarbeiter frühzeitig mitteilen, dass er für die Gesellschaftsanteile eventuell eine monetäre Gegenleistung erbringen muss.

Thaddäus, Rainer, vielen Dank für eure aufschlussreichen Ausführungen!

Teil 2 der Serie „Restrukturierung von China-Beteiligungen“ wird sich mit dem Verkauf von Produktion an lokale Investoren in China beschäftigen.

[1] Rainer Burkardt ist Gründer und Geschäftsführer der in der VR China zugelassenen Anwaltskanzlei Burkardt & Partner Rechtsanwälte in Shanghai. Burkardt lebt und arbeitet seit 25 Jahren in China und gehört damit zu den wenigen deutschen Anwälten, die über eine langjährige China-Erfahrung vor Ort verfügen. Seine Expertise liegt in der praxisnahen Rechtsberatung vor allem von mittelständischen Unternehmen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz bei ihren Investitionen in China.

Seit 2009 ist Burkardt Vertrauensanwalt des österreichischen Generalkonsulats in Shanghai. Er war zwei Jahre lang stellvertretender Vorsitzender der Legal Working Group der European Union Chamber, Shanghai, bevor er 2010 zum Vorsitzenden gewählt wurde. Seit 2013 ist er als Schiedsrichter bei der Shanghai International Economic and Trade Arbitration Commission (SHIAC) tätig.

[2] Thaddäus Müller ist Partner bei Fiducia Executive Search in Asien und arbeitet seit 18 Jahren für das Unternehmen. Er hat einen Abschluss in Betriebswirtschaft und eine Leidenschaft für HR und Recruiting. Mit seinem Team unterstützt er Branchenführer und internationale mittelständische Unternehmen (vorwiegend aus der DACH-Region) bei der Besetzung von wichtigen Fach- und Führungspositionen in China und Südostasien.

Vor seiner Tätigkeit bei der Fiducia arbeitete Müller in der Automobilindustrie und in der Textilabteilung von W.L. Gore, einem großen amerikanischen Technologiekonzern. Er studierte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und an der Stellenbosch Business School in Südafrika.

[3] Dr. Gerald Neumann ist geschäftsführender Partner bei Ebner Stolz Neumann Wu

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Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams sowie verantwortlich für das Anleiheportal BondGuide (www.bondguide.de)