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FAWER übernimmt ABC Umformtechnik

FAWER übernimmt ABC Umformtechnik aus Gevelsberg
Quelle: Adobe Stock; © Elke Hötzel

Die FAWER Automotive Parts Limited Company (FAWER) mit Sitz im nordostchinesischen Changchun investiert in die ABC Umformtechnik GmbH & Co. KG aus Gevelsberg. Das deutsche Traditionsunternehmen, das bis ins Jahr 1823 zurückgeht, ist heute auf die Produktion von Umformteilen und Komponenten für die Automobilindustrie und ihre Zulieferer spezialisiert. Zum Kundenstamm gehören die führenden deutschen Fahrzeughersteller.

1998 gegründet, ist FAWER ebenfalls Automobilzulieferer und spezialisiert sich auf Forschung und Entwicklung im Segment Autoersatzteile in den Kategorien Klimatisierungs-, Fahrwerk-, Brems-, Getriebe-, Lenk-, Elektronik- und Sicherheitssysteme sowie Motorsysteme und -zubehör. Die Produkte werden beim Bau von Nutzfahrzeugen und Personenwagen im asiatischen Heimatmarkt als auch international eingesetzt. Heute gehören 35 Tochterunternehmen und Joint Ventures zu FAWER. Der Gesamtjahresumsatz der Gruppe betrug zuletzt ca. 10 Mrd. Yuan (ca. 1,24 Mrd. Euro)

Folgerichtig erwartet sich das chinesische Management von der geplanten Übernahme nicht nur eine Erweiterung seiner Produktpalette. Weitere Ziele sind die Schaffung von Impulsen für Forschung und Entwicklung sowie eine Stärkung der internationalen Marktposition. Denn die chinesischen Käufer sind sich sicher: als spezialisierte Hersteller für die Automobilindustrie teilten FAWER und ABC Umformtechnik strategische Ambitionen und Werte und würden ihre internationale Wachstumsgeschichte gemeinsam fortsetzen.

Die Übernahme der ABC Umformtechnik aus Gevelsberg wird in zwei Schritten erfolgen: Im ersten Schritt erwirbt FAWER 80 Prozent der Anteile und dann später die restlichen 20 Prozent. Die Gesamtsumme der beiden Transaktionen wird sich auf knapp über 12,5 mio. EUR belaufen.

Im Rahmen dieser Transaktion berieten die Anwälte der Rechtsanwaltsgesellschaft King, Wood & Mallesons (KWM) aus Peking und Frankfurt am Main gemeinsam unter Leitung von Kaiding Wang (KWM Peking) und Dr. Sandra Link (KWM Frankfurt) FAWER beim Abschluss des Kaufvertrags zum Erwerb der Anteile. Allerdings steht der Vollzug des Erwerbs aktuell noch unter dem Vorbehalt der üblichen, regulatorischen Genehmigungen in China und Deutschland.

Können Chinas Aktienmärkte von Reformen profitieren?

Profitieren Chinas Aktienmärkte von Reformen?
Quelle: Adobe Stock; © atiger

Im Juni dieses Jahres wurde Gangyu Huang vorzeitig auf Bewährung entlassen, nachdem er zehn Jahre im Gefängnis gesessen hatte. Im März 2010 war Huang, einer von Chinas ersten Milliardären, zu insgesamt 14 Jahren wegen Bestechung, Bilanzfälschung, Insiderhandel und Kursmanipulation verurteilt wurden. Huang hatte den Elektronikeinzelhändler GOME Electrical Appliances aufgebaut und groß gemacht. Als die Nachricht von Huangs Entlassung bekannt wurde, reagierten Chinas Finanzmärkte deutlich: Die Aktien des Unternehmens stiegen um rund 20%, die des ebenfalls börsennotierten Finanzarms des Konzerns sogar um über 50%. In den sozialen Netzwerken Chinas machte sofort ein Witz die Runde: Nicht nur Huangs Frau habe zehn Jahre auf die Rückkehr ihres Ehemanns gewartet, sondern auch der Shanghai Composite Index (SCI).

Flash-Bubble und mehr

Tatsächlich nämlich wies der Index Ende Juni 2020 mehr oder weniger genau den Wert aus (3.004 Punkte), den er auch bei Huangs Verhaftung im März 2010 hatte (3.074 Punkte). Es ist ein bemerkenswerter Umstand: Während sich das chinesische Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen zehn Jahren von rund 6 Bio. USD auf fast 16 Bio. USD im Jahr 2020 mehr als verdoppelt hat, sind Chinas Aktienmärkte kaum von der Stelle gekommen. Auch wenn es dazwischen spektakuläre Entwicklungen gab, wie beispielsweise die „Flash-Bubble“ in der ersten Jahreshälfte 2015 als sich die Kurse in Shanghai binnen weniger Monate mehr als verdoppelten und dann innerhalb kürzester Zeit wieder kollabierten.

Kleinanleger dominieren Chinas Aktienmärkte

Die Gründe hierfür sind vielfältig – am Wichtigsten ist vermutlich, dass in China der Aktienmarkt nicht als Möglichkeit gilt, mit langfristigen Investitionen Vermögen aufzubauen bzw. zu erhalten. „Echte“ Investments werden nahezu ausschließlich in Immobilien getätigt oder direkt in ein eigenes zweites oder drittes Unternehmen. Am Aktienmarkt zocken die Anleger in erster Linie – sie verstehen Chinas Finanzmärkte primär als Glücksspiel. Die Folge ist, dass es – anders als im Westen – so gut wie keine institutionellen Investoren gibt. Weit mehr als 90% der Anleger in China sind Kleinanleger. Sie folgen keinem System oder bestimmten Regeln, sondern handeln auf Empfehlung von Verwandten, Freunden oder Nachbarn kaufen. Die Folge sind entsprechend erratische Kursbewegungen, die dann noch durch die Emotionen der breiten Anlegermasse zusätzlich verstärkt werden.

PR-Bilanzen ohne Aktionärsschutz

Zudem machen es chinesische Unternehmen ihren Anlegern oft auch schwer. Die bilanzierten Zahlen sind in vielen Fällen mehr Wunschdenken und Marketing als wirklich handfester Beleg der unternehmerischen Entwicklung. Aktionärsschutzvereinigungen, die Bilanzen auf Herz und Nieren prüfen, gibt es kaum. An die Anleger wird zumeist als letztes, wenn überhaupt gedacht – entsprechend ist Transparenz im Sinne der Investoren eher unbekannt.

Auch gibt es kaum ausländische Investoren an Chinas Aktienmärkten. Während die Anteile des DAX zu ca. 55% im Ausland liegen und es für deutsche Anleger völlig problemlos möglich ist, in New York, Tokyo oder London Unternehmensanteile zu kaufen, können chinesische Privatanleger nicht ins Ausland und chinesische Aktien können von Ausländern ebenfalls nur unter extrem erschwerten Bedingungen erworben werden – wenn überhaupt. Allerdings ändert sich dieser Punkt gerade.

Ausländisches Kapital

Chinas Finanzmärkte wurden seit 2019 vielen Reformen unterzogen. Die „Qualified Foreign Institutional Investor“-Programme (QFII) sind seither deutlich vereinfacht und viele Limitierungen gelten nicht länger. Dabei sind die Aufhebung der Obergrenzen für Einzelbeteiligungen und das Ende der Beschränkung der gesamten Investmentsummen von besonderer Bedeutung. Des Weiteren hat die chinesische Regierung sogenannte Stock Connect Programme ins Leben gerufen. Diese ermöglichen es beispielsweise Investoren in Hong Kong, London und bald wohl auch Paris ermöglichen, direkt an den Börsen in Shanghai und Shenzhen zu investieren. Darüber hinaus wird es für chinesische Unternehmen zunehmend leichter an die Börse zu gehen. Das gilt insbesondere für Technologieaktien. Für sie wurde im vergangenen Jahr eigens ein neues Marktsegment – der Shanghai Star Market – kreiert.

Zusätzlich hat einer der führenden Indexanbieter, MSCI, beschlossen, den Anteil der chinesischen A-Aktien bei seinen Indizes wie dem MSCI Emerging Markets Index oder den All Country World Index sukzessive deutlich aufzustocken. Das bedeutet, jeder ETF und jeder Fonds, der sich an diesen Indizes orientiert oder sie gar 1:1 abbildet, muss entsprechende Investments in China tätigen. Es wird also sehr viel mehr ausländisches Kapital in den kommenden Jahren an die Börsen von Shanghai und Shenzhen fließen.

Auch wird der Shanghai Composite Index (SCI) erstmals seit seiner Gründung im Jahr 1991 neu zusammengesetzt – mit einem deutlich größeren Gewicht auf Tech-Aktien. Zeitgleich wird es für Börsenneulinge schwieriger werden Teil des SCI zu werden, denn der IPO muss nun wenigstens ein Jahr zurückliegen. Zudem erhalten in Zukunft auch „ausländische“ Unternehmen Zugang zum SCI. Dies gilt insbesondere für die sogenannten „Red Chips“. So bezeichnet man die Aktien jener Unternehmen, die aus Hongkong heraus geführt werden, aber eine chinesische Konzernmutter haben. Auf lange Sicht sollten gerade diese Reformen sowie das zufließende Auslandskapital dem SCI einen deutlichen Wachstumsimpuls.

Chinas Aktienmärkte – Entwicklung des SCI

Chinas Finanzmärkte öffnen sich

Tatsächlich kam nahezu zeitgleich mit Huangs Entlassung Bewegung in Chinas Aktienmärkte (vgl. Abb., grüne Markierung bei Durchbruch der steilen roten Abwärtstrendlinie). Im Sommer gab es einige spektakuläre Börsengänge in Shanghai wie beispielsweise das Zweitlisting von Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC), bei dem der Chiphersteller mehr als 6,5 Mrd. USD erlöste. Am ersten Handelstag notierten die Aktien bei 95 CNY – und damit rund 350% über dem Ausgabepreis von 27.46 CNY.

Auch der SCI insgesamt hat kräftig zugelegt. Seit Juli ist der Index um rund 15% gestiegen. Noch bleibt freilich abzuwarten, ob dies mehr als eine Momentaufnahme ist. Werden die Kleinanleger dieses Mal länger bei der Stange bleiben? Oder werden in einigen Monaten die ersten Gewinnmitnahmen einsetzen, die dann zum Signal für alle Anleger werden, zu den Ausgängen zu rennen?
China öffnet seine Finanzmärkte zunehmend einem internationalen Publikum. Aber dieses Publikum wird nur dann dauerhaft in China bleiben, wenn die Rendite stimmt. Zeitgleich ist China zunehmend auf dieses zusätzliche Kapital angewiesen. Denn das chinesische Bankensystem alleine wird den Kapitalhunger der Volkswirtschaft nicht dauerhaft befriedigen können. Zumal bereits jetzt die Verschuldungsquoten vieler chinesischer Unternehmen, insbesondere der Staatsbetriebe, ungesunde Höhen erreicht haben.

Im Augenblick jedenfalls kratzt der SCI an seiner leicht fallenden Abwärtslinie aus dem Jahr 2015/2016, die sich zudem auf das Verlaufshoch aus dem Jahr 2018 stützt. (Vgl. Abb., flache rote Linie). Aus charttechnischer Sicht, die sich auch in China zunehmender Beliebtheit erfreut, wäre bei einem Durchbruch der Weg frei in Richtung 4.000 Punkte.

Fazit

Die größte Wachstumsstory der Welt ging – bisher zumindest – am chinesischen Aktienmarkt vorbei. Beziehungsweise, sie fand ihren Niederschlag nur in jenen Unternehmen, die an den US-Börsen oder der Hongkonger Börse gelistet sind. Mit der zunehmenden Öffnung seiner Finanzmärkte könnte China hier die Trendwende einleiten und so den enormen wirtschaftlichen Erfolg auch in Börsenkapital ummünzen. Allerdings ist dies nach wie vor ein weiter Weg und erfordert nicht nur die Fortsetzung des bisherigen Reformkurses. Vielmehr bedarf es auch eines grundlegenden Wandels der Mentalität. Nicht nur bei den Anlegern, sondern auch bei den Unternehmen, wenn Chinas Aktienmärkte dauerhaft erfolgreich und attraktiv werden sollen. Es bleibt spannend, ob und wie es zu diesem kommen wird.

In Ausgabe 01/2019 der Investment Plattform China „Chinas Aktienmärkte“ hatten wir uns bereits intensiv mit der Thematik befasst. Hier finden sie nähere Erläuterungen zu A-, B- und H-Aktien, den Stock Connect Programmen und der grundlegenden Struktur von Chinas Finanzmärkten.


Dieser Artikel wurde in ähnlicher Form zuerst im „weekly“ Newsletter von Smart Investor veröffentlicht und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung.

Fachhochschule Bielefeld kommt nach Hainan

Fachhochschule Bielefeld geht nach Hainan in Südchina
Quelle: Adobe Stock; © DreamArchitect

Bereits am 13. August verkündete die Fachhochschule Bielefeld ihre Pläne via der eigenen WeChat-Seite: Als erste ausländische Universität in China wird man in der Freihandelszone von Hainan, der im Südchinesischen Meer gelegenen Inselprovinz Chinas, ein Bildungsinstitut unter eigener Verwaltung und Kontrolle implementieren. Die ersten Studenten sollen sich schon im kommenden Jahr einschreiben können.

Erste Indizien gab es bereits in den vergangenen Jahren. Im Jahr 2019 besuchte eine hochrangige Delegation um die Bildungsministerin der Provinz Hainan, Prof. Cao Xiankun, Bielefeld und die dortige Fachhochschule. Bereits im Jahr zuvor war sogar der stellvertretende chinesische Bildungsminister Dr. Yao Sun in der ostwestfälischen Metropole. Hainan soll ein „International Innovation Education Island“ werden und entsprechend groß ist das Interesse der Chinesen an dem einzigartigen Studienmodell der deutschen Fachhochschulen, bei dem Theorie und Praxis Hand in Hand gehen.

An der Universität werden dann sowohl Bachelor- als auch Master-Abschlüsse möglich sein. Das heisst, dass sich die Studenten in insgesamt 37 Bachelor- und 25 Masterstudiengänge einschreiben werden können. Die neugegründete Institution der FH-Bielefeld soll dabei nicht nur eine qualitativ hochwertige Bildung und spezielle Förderung für die Talente der Insel bieten. Sie wird auch als Kristallisationspunkt für die Ansiedlung deutscher Spitzenunternehmen auf Hainan dienen.

FH-Bielefeld ist Teil der Pläne für Hainan

Die Ausgründung der Fachhochschule Bielefeld passt perfekt in das größere Bild und die langfristigen Pläne, die Peking mit Hainan hat. Zum 1. Juni 2020 wurde die gesamte Insel zum Freihandelsgebiet erklärt und bis zum Jahr 2050 soll Hainan ein international bedeutender Handelsplatz ähnlich wie Singapur oder Hong Kong werden. Entsprechend attraktiv sind bereits jetzt die Steuersätze auf der Insel, wodurch viele chinesische Unternehmen angezogen werden.

Auch für die Angestellten der neuen Universität der FH-Bielefeld hat dies vorteilhafte Konsequenzen. Denn die Professoren werden ohne Visum ein- und ausreisen können und einer reduzierten Einkommenssteuer unterliegen. Waren können ebenfalls steuerfrei ein und ausgeführt werden. Schließlich verbessert Peking auch die Infrastruktur der Insel deutlich: Internationale Schulen und Kindergärten sind ebenso geplant wie der Aufbau eines wettbewerbsfähigen Gesundheitssystems.

„Drei gewinnt“ Städtenetzwerk Fernost

Delegation organisiert von
Erste Opels: Auch die Oldtimer aus Rüsselsheim finden das Interesse chinesischer Besucher; Foto: "Drei gewinnt"

Drei gewinnt ist der Zusammenschluss von Rüsselsheim, Raunheim und Kelsterbach, um den dortigen Wirtschaftsstandort und Lebensraum gemeinsam zukunftssicher aufzustellen. Wie sich dabei auch in Corona-Zeiten ganz neue Zusammenhalte zwischen den Standorten und chinesischen Unternehmen und auch Win-Win Situationen ergeben, weiß die „Drei gewinnt“-Netzwerk-Managerin Anja Warnecke-Bi zu berichten. Interview von Georg von Stein

Wie wirkt die Corona-Zeit auf den Standort „Drei gewinnt“?
"Drei gewinnt" Spende-Geely
Spende mit medizinischem Material; Foto: „Drei gewinnt“

Warnecke-Bi: In der Not stehen gute Partner eng zusammen. Bereits im Februar hatten das Deutsch-Chinesische Innovationszentrum in Raunheim und der “Drei gewinnt” Förderverein medizinische Schutzprodukte nach Neijiang, Chengdu und Chongqing geliefert. In Raunheim konnten wir dann die Unterstützung von chinesischer Seite erfahren. Die Stiftung des Geely-Gründers Shufu Li hat der Stadt im sechsstelligen Eurobereich medizinisches Material gespendet. Die Lieferung umfasste unter anderem Schutzmasken, -brillen, -handschuhe und -anzüge. Das kam Arztpraxen, Senioreneinrichtungen sowie Rettungskräften zu Gute und über die örtlichen Apotheken auch Bürgerinnen und Bürger direkt. Geely hatte sich ja erst in 2018 in Raunheim niedergelassen und pflegt nun enge Beziehungen zur Stadt Raunheim.

Porträt Frau Warnecke-Bi
ZUR PERSON
Anja Warnecke-Bi arbeitet seit knapp 5 Jahren als Netzwerkmanagerin von „Drei gewinnt“. Sie spricht fließend Chinesisch und ist für alle Belange zuständig, die mit China und Ansiedlungen zu tun haben. Als studierte Sinologin mit einem BWL-Abschluss verfügt sie über 30 Jahre
Berufserfahrung mit China.
dreigewinnt.org
Foto: „Drei gewinnt“
Haben sich durch Corona neue digitale Beziehungen mit China und den chinesischen Partnern entwickelt?

Warnecke-Bi: Ja, beispielsweise bieten wir nun Online-Formate an, in denen wir die drei Standorte noch viel intensiver vorstellen. Im April haben wir chinesische Unternehmensvertreter auf Chinesisch in einem digitalen Seminar über die Corona-Soforthilfen von Bundes- und Landesregierung informiert. Von der Resonanz von über 100 Anmeldungen waren wir überwältigt. Für September planen wir wieder ein solches Online-Seminar, dann mit vielen Grundlageninformationen: von der Darstellung unserer „Drei gewinnt“ Standorte über steuerliche Fragen bis hin zu Informationen aus erster Hand von bei uns angesiedelten erfolgreichen Firmen. Selbst während der ersten Corona-Zeit ist ja ein konkretes Ansiedlungsverfahren entstanden und weitergeführt worden.

Welche fachliche Hilfen können chinesische Firmen, die sich im Gebiet von „Drei gewinnt“ ansiedeln wollen, denn bekommen?

Warnecke-Bi: Unser Netzwerkmanagement China sieht sich als Lotse, One-Stop-Agency und proaktiver Dienstleister für die Anliegen der chinesischen Unternehmen in „Drei gewinnt“. Zu unseren Kernaufgaben zählen: Die Beratung ansässiger chinesischer Unternehmen, die Herstellung von Kontakten zu Dienstleistern bei Steuern, Recht, Immobilien uvm., aber auch die Kommunikation mit der Politik und die Vernetzung mit möglichen Partnern. Wir organisieren auch Vorträge zu den steuerlichen Grundlagen für ein chinesisches Investment oder beraten zu den europäischen Datenschutzgesetzen. Genauso helfen wir auch bei der Personalgewinnung, HR-Management, Wohnungssuche, Visaangelegenheiten oder auch Markteinschätzungen. Dafür erstellen wir dann Marktanalysen und geben Unterstützung bei Marketingstrategie und -konzepten.

"Drei gewinnt" mit Delegation
Delegationsbesuch; Foto: „Drei gewinnt“
Im Gebiet von „Drei gewinnt“ können interessierte Firmen die bereits angesiedelten chinesischen Unternehmen besichtigen. Was bekommt sie dann zu sehen?

Warnecke-Bi: Wir haben insgesamt über 40 chinesische Unternehmen an unseren drei Standorten, so z.B. Geely, Chery, Sinotrans, SolaX. Für interessierte Unternehmen stellen wir gerne branchenbezogen den Kontakt so her, dass potentielle Anknüpfungspunkte für beide Seiten und eine win-win Situation entstehen. Das beginnt oft als Rundfahrt durch die Gewerbegebiete von Rüsselsheim, Raunheim und Kelsterbach und mündet dann in die Besichtigung von repräsentativen Unternehmen. Oft kommt es bei der Vorstellung des Wirtschaftsstandorts auch zum Austausch mit einem der Bürgermeister.

Frau Warnecke-Bi, vielen Dank für das Gespräch.

Digitaler Wandel beschleunigt Chinas Wachstum

Digitaler Wandel stützt Chinas Wachstum
Quelle: Adobe Stock; © WrightStudio

Bereits im März, als Europa erst den Lockdown verhängte, begann China seine über Monate andauernden Maßnahmen aufzuheben. Diese Zeit strenger Beschränkungen war in China kürzer als die Lockdowns anderer Länder und lässt sich teilweise auf Chinas Erfahrung im Umgang mit früheren Pandemien zurückführen. Da SARS und MERS in Asien stark verbreitet gewesen waren, war die chinesische Regierung besser vorbereitet als die vieler anderer Länder und konnte der zunehmenden Gefahr durch Covid-19 schneller entgegenwirken. Dank des kürzeren Lockdowns folgte dann auch logischerweise die schnellere Erholung der Konjunktur. Wichtiger Faktor dafür ist ein anhaltender digitaler Wandel, der das Wachstum beschleunigt.

Luxus- und Online-Unterhaltungssektor profitieren von Konsumerholung

Auch wenn der Konjunktureinbruch im Vergleich zum Westen von kürzerer Dauer war, ist das Leben in China auch jetzt noch bei weitem nicht zur Normalität zurückgekehrt. Reisebeschränkungen bestehen weiterhin und selbst wenn sie aufgehoben würden, verspüren viele Konsumenten vermutlich weiterhin wenig Lust, ins Ausland zu reisen. Das dürfte sich auch frühestens wieder ändern, wenn ein Impfstoff gefunden worden ist.
Da chinesische Konsumenten Luxusprodukte vorzugsweise im Ausland kaufen, erwarten wir daher – vor allem im Luxussektor – eine signifikante Erholung des Konsums in China. Zwar sind die Preise im Inland aufgrund von Zöllen höher, das Interesse an Luxusgütern ist aber unverändert stark. Derzeit haben die Konsumenten allerdings keine Wahl und müssen ihre Einkäufe im Heimatmarkt anstatt im Ausland tätigen.

Auch die Online-Unterhaltung dürfte davon profitieren, dass die Konsumenten bevorzugt zu Hause bleiben. Insbesondere der Bereich Videospiele entwickelt sich in Zeiten wirtschaftlicher Krisen oft überdurchschnittlich gut, da die Kunden versuchen, Geld zu sparen. Abgesehen davon, dass sie nicht verreisen können, dürften alle Konsumenten in der einen oder anderen Form von den Folgen der virusbedingten Schwäche des Marktes betroffen sein. Es steht zu erwarten, dass sie günstigere Unterhaltungsangebote wählen, anstatt in dieser Zeit viel Geld für Kinobesuche oder potenziell risikoreiche Familienferien auszugeben.

Der entscheidende Vorteil der Online-Unterhaltung liegt bereits im Namen – sie ist online verfügbar. Da die Konsumenten zurzeit Menschenansammlungen bewusst meiden, wählen sie im Gegenzug Angebote, die über das Internet verfügbar sind. Dieser Trend zum Online-Konsum ist nicht neu. Er bestand bereits vor der Pandemie, wurde jetzt aber durch die abrupten Lockdowns und die weiterhin nötige soziale Distanzierung beschleunigt. Dies resultierte in einer Stärkung der digitalen Infrastruktur, die von Dauer sein dürfte. In China zählen der Gesundheits- und Bildungssektor zu den Pionieren dieses Trends. Aufgrund ihrer Unentbehrlichkeit waren sie bereits im Vorfeld dazu gezwungen, moderne und vor allem Online-Technologien zu nutzen.

Digitaler Wandel als langfristiger Treiber für Wachstum

Das Gesundheitssystem der Volksrepublik hatte bereits vor Jahren mit Versuchen begonnen, die in China kulturell verwurzelte Reaktion zu überwinden, bei Krankheitssymptomen direkt das nächstgelegene Krankenhaus aufzusuchen. Dort warteten die Patienten häufig über Stunden, um anschließend nur zehn Minuten mit einem Arzt zu sprechen. Online-Angebote waren praktisch nicht existent. Um gegenzusteuern, hat die Regierung die Verbreitung von Online-Hausarztdiensten gefördert. Diese Dienste bieten gegen eine Gebühr rund um die Uhr die Möglichkeit, einen Arzt online zu konsultieren. Anschließend liefern Apotheken die verschriebenen Medikamente innerhalb nur weniger Stunden. Diese Gesundheitsleistungen für zu Hause können auch nach dem Abflauen der Coronavirus-Krise dauerhaft dazu beitragen, die Überfüllung der Krankenhäuser zu verringern und somit die Effizienz des gesamten Gesundheitssektors in China zu verbessern.

Darüber hinaus spielt die chinesische Kultur auch bei der Entwicklung des Bildungssektors eine wichtige Rolle. In China ist Bildung ein potenziell lebensveränderndes Instrument. Sie dient Bedürftigen dazu, sozial aufzusteigen. Da viele Schulen weiterhin geschlossen sind, ist Online-Bildung zur Notwendigkeit geworden. Daher wird sie auch von den Eltern und Schülern gerne als Alternative angenommen. Sie ermöglicht es ihnen, die Schule als Teil ihres Lebens zu behalten. Mit Unterstützung großer privater Bildungsunternehmen wurden in kurzer Zeit verschiedene Maßnahmen eingeführt, um einen effektiven virtuellen Unterricht sicherzustellen. In den angebotenen Online-Klassen werden unangekündigte Tests durchgeführt. So werden die Lernergebnisse und -fortschritte nahezu unmittelbar erfasst und benotet. Dadurch wiederum werden Daten gewonnen, die eine Beurteilung der Aufmerksamkeit und des Lernfortschritts der einzelnen Schüler ermöglichen. Insbesondere die Eltern haben diese Möglichkeiten schnell zu schätzen gelernt. Sie werden sie vermutlich auch dann weiter nutzen wollen, nachdem alle Lockdown-Beschränkungen aufgehoben sind.

Fazit

Bei GAM Investements gehen wir davon aus, dass sich ein digitaler Wandel mit entsprechendem Wachstum bei Onlineageboten und einem zunehmend digitalen Leben, wie wir ihn jetzt in China sehen, auch in anderen Ländern auf der Welt widerspiegeln wird. Unterhaltung, Bildung, Gesundheitswesen – in jedem dieser Sektoren bestand bereits vor der Corona-Pandemie der Trend hin zu mehr und umfassenderen Onlineangeboten. Diese Entwicklung ist durch die Krise noch weiter beschleunigt worden. Während die globale Konjunkturerholung langsam voranschreitet, ist China bereits jetzt Vorreiter für Online-Trends, die sich langfristig zu tragenden kulturellen Säulen entwickeln werden.

Chinesische Unternehmer – Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Chinesische Unternehmer sind durch Konfuzius geprägt
Quelle: Adobe Stock; © christian straub

Dietmar Thiele, Managing Partner bei Network Corporate Finance, erklärt im Gespräch, wo Unterschiede und Gemeinsamkeiten von chinesischen und deutschen Unternehmern liegen, was chinesische Entrepreneure antreibt und mit welcher Philosophie man sich in jedem Fall vertraut machen sollte, wenn man in China bestehen möchte.

Investment Plattform China/Deutschland: Was ist Ihrer Meinung nach die herausragende Fähigkeit von chinesischen Unternehmern?

Dietmar Thiele: Wir haben viele chinesische Unternehmer als inhaltlich extrem pragmatisch erlebt. Sie schauen sich Opportunitäten an – Opportunität ist gleichbedeutend mit Gelegenheit/Chance und nicht zu verwechseln mit opportunistisch. Mir erscheint, dass das „unternehmerische“ Gespür hier stärker ausgeprägt ist oder weniger gezügelt wird als bei uns, wo oftmals eine primär Strategie- und Berater-getriebene Investitionslogik herrscht.

Was sind die gravierenden Unterschiede zwischen westlichen und chinesischen Unternehmern?

Ich glaube, die Unterschiede sind bei „richtigen“ Unternehmern gar nicht so groß – wenn man unternehmerische Entscheidungen mit einem „passt das zu mir?“ oder „sehe ich hier eine Chance auf wirtschaftlichen Erfolg?“ interpretiert. Allenfalls ist für chinesische Unternehmer – sicher im Gegensatz zu den meisten westlichen – immer auch eine gehörige Portion nationales Interesse oder sogar Patriotismus wichtig – ein „was ist gut für mein Land, gut für die Weiterentwicklung von China, beziehungsweise macht das für mein Heimatland Sinn?“

Unternehmerische Tugenden sind also weltweit gültig. Aber warum tun sich westliche Unternehmer dann in Fernost oftmals schwer?

Sicher gibt es auch große, deutlich spürbare Unterschiede – beispielsweise in der Verhandlungsführung. Diese sind so umfassend, dass ich glaube, dass etwa deutsch-chinesische M&A-Transaktionen, egal ob in- oder out-bound, immer umfassender Beratung bedürfen, M&A-spezifisch, aber vor allem auch interkulturell. Das decken nur internationale Beraterteams ab. Und das ist auch der Grund, warum wir bei Network Corporate Finance seit Jahren mit zwei M&A-Häusern in China – Merger China Group in Beijing und Metro Ascent Capital in Hong Kong – eng und partnerschaftlich und auch exklusiv zusammen arbeiten. Man kann meiner Meinung nach keine Deals wirklich erfolgreich closen, ohne hier sehr solide aufgestellt zu sein.

Worauf muss ein westlicher Unternehmer in China also neben der Verhandlungsführung achten?

Ich glaube, dass es aus Sicht deutscher Unternehmer wesentlich darauf ankommt, sich frühzeitig sehr intensiv mit einigen wesentlichen Aspekten der chinesischen Mentalität und Philosophie auseinander zu setzen. China ist kein kurzfristiges Projekt. Und Erfolg geht nur mit Partnern vor Ort, auf die man sich verlassen können muss. Solche zu finden, ist sicher eine ganz schwierige Herausforderung.

Gilt das auch umgekehrt für chinesische Unternehmer, die im Westen den Erfolg suchen?

Ja, Chinesen in Deutschland betrifft das natürlich auch. Hier ist es aus meiner Sicht von herausragender Bedeutung, das deutsche Management frühzeitig sehr stark einzubinden und diesem vor allem operativ sehr weit zu vertrauen. Der deutsche Mittelstand denkt ganz überwiegend langfristig für seine Unternehmen, was nicht nur die Firma als solche umfasst, sondern auch und gerade die Mitarbeiter mit einbezieht. Auch die Verankerung in der Region spielt eine essentielle Rolle. Diese Form der langfristigen Loyalität – gerade beim Mittelstand – muss der chinesische Investor hier erst verstehen. Chinesisches Management alleine wird in der Regel nie funktionieren.

Chinesen wird oft ein „Unternehmer-Gen“ nachgesagt. Der Wunsch ein eigenes Unternehmen zu führen, ist dort scheinbar stärker ausgeprägt. Auch als Angestellte haben viele Chinesen ein „kleines Sidebusiness“ laufen. Wie erklären Sie sich das?

Es ist meines Erachtens kein Gen, es ist eine Lehre, eine Philosophie: Chinesen sind in weiten Teilen von Konfuzius‘ Lehren, die über etwa 2.500 Jahre alt sind und sich über alle feudalen Dynastien, die Republik zu Beginn des letzten Jahrhunderts und auch die jetzige Staats- und Regierungsform bewährt und behauptet haben, geprägt. Diese Lehren bestimmen auch heute noch wesentliche Teile des Denkens und Handelns chinesischer Unternehmer. Tüchtigkeit ist hier eine ganz wesentliche Tugend. Und Bildung! Sich den Vorfahren würdig zu zeigen, indem man mehr erreicht, als die eigene Ausgangsposition war. Natürlich kann man diese Lehre nicht in wenigen Sätzen zusammenfassen, aber man sollte sich damit zumindest mit einer gewissen Intensität befassen, um diese innere Motivation vieler Chinesen wenigstens ein kleines Bisschen nachvollziehen zu können. Verstehen geht wahrscheinlich gar nicht, oder gelingt nur versierten Sinologen.


„Sich den Vorfahren als würdig erweisen“


Erklärt das in gewissen Teilen auch, dass die Chinesen oft anders mit ihrem erworbenen Wohlstand umgehen als beispielsweise US-Unternehmer, die oftmals weite Teile ihre Vermögens spenden (Stichwort „the giving pledge“)?

Sicher. Die Familie spielt auch hier eine sehr große Rolle, Bildung für die Kinder, am besten im Ausland – auch das greift auf die Philosophie von Konfuzius zurück. Doch bei allem Respekt vor dieser Jahrtausende-alten Lehre, daneben fallen mir zwei Dinge ein, die dann doch so überraschend nicht sind: Immobilien und – ganz simpel und banal – Luxusgüter aller Art. Hier kann man auch einen Unterschied zu deutschen Unternehmern sehen: Diese zeigen ihren Wohlstand nur sehr zurückhaltend. Chinesische Unternehmer hingegen sind hier weniger scheu. Der Erfolgreiche zeigt seinen Erfolg auch und kann so – auch das ein Unterschied zu Deutschland – viel Gesicht gewinnen.

Herr Thiele, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Weitere Informationen zu chinesischen Unternehmern, ihren Lebensgeschichten und Wegen zum Erfolg, finden Sie in unserer aktuellen Titelgeschichte.

 


Zur Person

Porträt Dietmar ThieleDietmar Thiele ist Managing Partner bei Network Corporate Finance GmbH & Co. KG, er leitet das Berliner Büro und kümmert sich um die internationalen Partnerschaften. Zuvor war unter anderem Finanzvorstand der Producers’ AG Media Capital. Bei der InvestitionsBank des Landes Brandenburg leitete er den Bereich Medien- und Technologiefinanzierung, Beteiligungen und EK-Finanzierungen. Für die WestLB arbeitete er u.a. in Hong Kong. Dietmar Thiele studierte Betriebswirtschaftslehre in Siegen.

Daimler und CATL haben Akkus für 700 km im Blick

Daimler und CATL haben Akkus für 700 km im Blick
Quelle: Adobe Stock © Vitaly Krivosheev

Daimler und Contemporary Amperex Technology Co. (CATL) haben angekündigt, ihre Zusammenarbeit im Bereich der Batterieherstellung für E-Autos vertiefen zu wollen. Im Zentrum steht dabei die geplante neue Luxuslimousine Mercedes EQS. Diese soll bereits im nächsten Jahr auf den Markt kommen und eine Reichweite von 700 Kilometer haben. CATL wird die Akkus für das neue Mercedes-Benz Flaggschiff von Daimler liefern. Hierbei wird man auf das sogenannte Cell-to-Pack-Design setzen, bei dem die einzelnen Batteriezellen ohne weitere Bündelungen in Module direkt in der Batterie verbaut werden. Dadurch erhöht sich die Energiedichte der Batterie, man spart Platz und dank weniger benötigter Bauteile sinkt der Preis. Außerdem beschleunigte sich der Ladevorgang. CATL ist der Pionier dieses Konzepts, aber auch BYD und Tesla arbeiten mit entsprechenden Ansätzen.

Akkus für das Luxussegment

„Wir wollen im Bereich der Batterietechnologie führend sein“, kommentiert Markus Schäfer, Mitglied des Vorstands der Daimler AG und der Mercedes-Benz AG, verantwortlich für die Daimler Konzernforschung und COO Mercedes-Benz Cars, die verkündete Kooperation. „Mit der Integration innovativer Batteriesysteme entwickeln wir Fahrzeuge im Luxussegment, die sich durch ihre Reichweite, Ladegeschwindigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit auszeichnen.“ Von zentraler Bedeutung ist dabei für Daimler, dass man durch die Zusammenarbeit mit CATL und den gemeinsamen Akkus die eigene Strategie „electric first“ schneller umsetzen und so die angestrebte CO2-Neutralität früher erreichen wird können.

Mit diesem Ziel vor Augen hat man bei Daimler bereits Beziehungen mit anderen Batterieherstellern geknüpft. So haben die Stuttgarter mit den beiden koreanischen Herstellern SK Innovation und LG Chem Lieferverträge geschlossen. Im Juli dieses Jahres beteiligte man sich an dem chinesischen Anbieter Farasis. Die Zusammenarbeit mit CATL allerdings wird andere Dimensionen erreichen. Es steht der Aufbau einer gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsplattform an und die Vereinbarung umfasst das gesamte Spektrum der Batterietechnologie. „CATL wird in den nächsten Jahren der Hauptlieferant sein, der die Kapazitäten für die nächsten Generationen unserer EQ-Produkte sichert“, konstatiert Schäfer dementsprechend.

Daimler und CATL blicken in die Zukunft

So zeigt sich auch Dr. Robin Zeng, der Gründer, Vorsitzende und CEO von CATL, optimistisch: „Wir freuen uns sehr, die Partnerschaft für die zukünftige Entwicklung beider Seiten weiter auszubauen. Vor mehr als 130 Jahren hat Mercedes-Benz das Auto erfunden und seine Technologie mit unzähligen Innovationen weiterentwickelt. Dies wird in Verbindung mit der Expertise von CATL im Bereich der Batterie ein entscheidender Schritt für die Elektrifizierungsstrategien beider Partner sein.“

Die Vereinbarung mit CATL sieht ebenfalls vor, dass die Batterieproduktion klimaneutral stattfinden wird. Allein dadurch lässt sich der komplette CO2-Fußabdruck einer Elektroauto-Batterie um mehr als 30 Prozent reduzieren. Ein wichtiger Aspekt, denn so verringert sich auch der CO2-Abdruck der gesamten Fahrzeug-Flotte. Dieser spielt bei den Vorgaben der EU hinsichtlich der Emissionsreduktion die zentrale Rolle.

Exklusiv ist die Zusammenarbeit zur Produktion von Akkus zwischen Daimler und CATL allerdings nicht. Erst im vergangenen Jahr haben die Chinesen einen milliardenschweren Liefervertrag mit dem Daimler-Konkurrenten BMW abgeschlossen. Ebenso gehören Tesla und Toyota zu den großen CATL-Kunden. Entsprechend werden die Kapazitäten der Erfurter CATL-Fabrik aktuell deutlich ausgebaut. Auch mit dem weltgrößten Automobilzulieferer Bosch besteht eine langfristige Kooperationsvereinbarung.

Chinas große Unternehmer

Chinas große Unternehmer
Quelle: AdobeStock; © leo_d

Es war eine laue Sommernacht im Jahr 1968, als sich 24 Arbeiter aus Beijiao, Shunde, in der Provinz Guangdong auf einen rund 40 Kilometer langen Fußmarsch begaben. Dieser Weg würde sie zu Chinas erfolgreichsten Unternehmern machen. Sie wollten in der Hauptstadt Guangzhou um die Erlaubnis anfragen, eine Werkstatt zur Produktion von Plastikflaschenverschlüssen zu eröffnen. 5.000 CNY investierten die jungen Unternehmer damals. Heute – mehr als 50 Jahre später – stehen die Produkte des so entstandenen Unternehmens in jedem chinesischen Haushalt. Seinen Namen kennen spätestens seit der Übernahme des Augsburger Robotikherstellers KUKA auch viele Deutsche: Midea.

Midea, dessen Firmensitz nun in Foshan unweit des ursprünglichen Gründungsorts liegt, zählt heute zu den größten Mischkonzernen der Welt (Fortune-500-Listenplatz 2019: 312). An der Unternehmensspitze stand bis zum Jahr 2012 der Anführer jener Gruppe, die damals nach Guangzhou wanderte: Xiangjian He. Der inzwischen 78-Jährige zeigte damals das grundsätzlich entscheidende Merkmal aller Unternehmer: den unbändigen Willen, seine Vision in die Realität umzusetzen. Denn der Zeitpunkt der Gründung war durchaus riskant: 1968 steuerte die Kulturrevolution einen ersten Höhepunkt an, und mit dem Wunsch, ein eigenes Unternehmen zu gründen, setzt man sich der nicht gerade kleinen Gefahr aus, in den Ruch zu kommen, ein kapitalistischer Bourgeois oder gar ein Konterrevolutionär zu sein.

Das eigene Unternehmen als klares Ziel: Millennials in ChinaFür das Unterfangen brauchte es eine gehörige Portion Mut – den zeigte jüngst auch Jianfeng He, der Sohn des hier besprochenen Unternehmensgründers: Er rettete seinen Vater vor einer Gruppe Entführer, indem er sich aus dem Haus schlich, durch den angrenzenden See schwamm und die Polizei verständigte. Jianfeng He leitet heute die Immobiliensparte des Konzerns und sitzt im Gesamtvorstand des Unternehmens.

Alles für die Familie

Damit ist er auch ein gutes Beispiel dafür, dass es Chinas erfolgreichste Unternehmer verstehen, die Nachfolgegeneration in die eigene Firma miteinzubinden. Geradezu exemplarisch hierfür steht Huiyan Yang, die reichste Frau Chinas. Ihr Vater, Guoqiang Yang, der wie He aus Shunde stammt, übertrug ihr im Jahr 2007 kurz vor dem Börsengang seines Immobilienunternehmens Country Garden rund 70% der Anteile. Früh baute Yang die Tochter schrittweise als seine Nachfolgerin auf, indem er sie bereits als kleines Mädchen mit zu Geschäftsverhandlungen nahm. So brachte er ihr das Immobiliengeschäft von der Pike auf bei. Nachdem sie ihren Abschluss in Marketing an der Ohio State University gemacht hatte, stieg sie wieder in die väterliche Firma ein – zunächst als Einkaufsmanager, aber bereits binnen eines Jahres war sie Teil der Geschäftsführung.

Dabei ist die gesamte Familie in die Geschäftstätigkeiten miteingebunden. Yangs Schwester Ziying ist ebenfalls im Management von Country Garden vertreten. Eine Tante der Schwestern, Meirong Yang, ist Teilhaberin von Bright Scholar Education. Das Bildungsunternehmen ging unter Yangs Vorsitz im Jahr 2007 an die New Yorker Börse. Der „Yang-Clan“ spiegelt eine typische Familienentwicklung in China wider, bei der alle Mitglieder am Unternehmensaufbau beteiligt werden. Patriarch Guoqiang ist Sohn eines armen Farmerehepaars und muss schon früh auf dem Feld helfen. Zeitgleich entwickelt er aber frühzeitig seinen ausgeprägten Geschäftssinn: Während der Kulturrevolution sammelt er auf Müllhalden entsorgte alte Bücher und handelt mit ihnen. Später arbeitet er als Wanderarbeiter.


 

„Tüchtigkeit ist hier eine ganz wesentliche Tugend.“
Dietmar Thiele, Network Corporate Finance GmbH

 

 


 

Sein Aufstieg beginnt in den frühen 1990er-Jahren, als er günstig Brachland erwirbt und dies entwickelt. 1997 gründet er gemeinsam mit Freunden Country Garden. Auch hier zeigt sich der chinesische Geschäftssinn sowie ein schon fast intuitives Verständnis für sich bietende Chancen und Möglichkeiten, das Chinas erfolgreichsten Unternehmern zu eigen ist. „Das ‚unternehmerische‘ Gespür ist stärker ausgeprägt oder wird weniger gezügelt“, stellt auch Dietmar Thiele, Managing Partner der Berliner Network Corporate Finance GmbH, fest. Thiele sieht hierfür auch die alte und immer noch sehr präsente Philosophie des Konfuzianismus ursächlich: „Diese Lehren bestimmen auch heute noch wesentliche Teile chinesischen Denkens und Handelns. Tüchtigkeit ist hier eine ganz wesentliche Tugend. Und Bildung – sich den Vorfahren würdig zu zeigen, indem man mehr erreicht, als die eigene Ausgangsposition war.“

Vom Kühlschrank zum Auto

Insofern ist es nicht überraschend, dass Chinas erfolgreichste Unternehmer und unter ihnen vor allem die „alte Riege“, die im Zuge der Deng’schen Reformen ab den 1980er-Jahren das Land aufbauten, oftmals aus armen Familien stammten. Zu ihnen zählt auch Shufu Li, der mit Geely („Glück verheißend“) den ersten privaten Autokonzern der Volksrepublik aufbaute. Li kam als Sohn armer Bauern in Taizhou, einer einige Hundert Kilometer südlich von Shanghai gelegenen Küstenstadt, auf die Welt. Über seine Kindheit sagte er einmal: „Wir konnten uns keinerlei Spielzeug leisten, ein Spielzeugauto war unerreichbar. Niemals hätte ich mir träumen lassen, später selbst richtige Autos herzustellen.“

In seinen Anfangsjahren ließ er sich nicht von Widrigkeiten und Scheitern aufhalten. Seine erste Unternehmung, die sich mit der Herstellung von Kühlschränken befasste, wurde von den Behörden geschlossen, weil er nicht über die entsprechenden Lizenzen verfügte. Später produzierte er Motorräder. Dabei waren die ersten Produktionsergebnisse so ernüchternd, dass er sie sofort wieder verschrottete. Das Jahr 1998, als schließlich der erste Wagen vom Band rollte, stellt einen Schlüsselmoment für die chinesische Automobilindustrie dar. Größere Bekanntheit erreichte er erstmals durch die Übernahme des schwedischen Automobilherstellers Volvo, und im Jahr 2018 gelang ihm mit der völlig überraschenden Beteiligung am Daimler-Konzern ein Husarenstück.

Seitdem ist Li größter Anteilseigner der Stuttgarter. Darüber hinaus ist er ein Kritiker des Joint-Venture-Systems in der chinesischen Automobilindustrie. Aus seiner Sicht verhindert es, dass chinesische Unternehmen eigene, wettbewerbsfähige Strukturen aufbauen und Innovationen entwickeln. Als Abgesandter der Provinz Zhejiang nahm er am 13. Nationalen Volkskongress teil.


Chinas große Unternehmer: Shufu Li, Geely

 

„Wir konnten uns keinerlei Spielzeug leisten, ein Spielzeugauto war unerreichbar.“
Shufu Li, Geely

 


„Roter Unternehmer“

Teilnehmer des Nationalen Volkskongresses im Jahr zuvor war Wengen Liang. Dessen Unternehmen Sany ist heute der Weltmarktführer im Bereich Betonpumpen. Liang gilt als klassischer „Roter Unternehmer“. Er ist seit 2004 Parteimitglied –18 Jahre hatte er auf die Aufnahme warten müssen, weil die Partei sich einem „Kapitalisten“ gegenüber skeptisch zeigte. Als erstem von Chinas erfolgreichsten Unternehmern gelang ihm auch die Aufnahme in das 18. Zentralkomitee der Partei. Die Unterschiede zwischen chinesischen und westlichen Unternehmern in Sachen Politik lassen sich gut an ihm veranschaulichen: Während westliche Unternehmer wie Jeff Bezos selbst Politik gestalten wollen (Bezos kaufte dafür die Washington Post) oder wie Donald Trump sogar politische Führungspositionen einnehmen, sehen sich Chinas Unternehmer eher als Stützen der Partei. Nicht umsonst spricht Liang davon, dass er der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) alles verdanke.

Vom Korbflechter zum Millionär

Liang begann seine Karriere als Korbflechter. Danach war er lange Zeit  im unteren Management eines staatlichen Rüstungsunternehmens tätig, bis er sich schließlich mit einem kleinen Unternehmen für Schweißgeräte und -zubehör im Jahr 1989 selbstständig machte. Über die Jahre wuchs Sany dann zu einem der größten Maschinenbauunternehmen Chinas heran. In Deutschland wurde Liang durch die Übernahme von Putzmeister bekannt. Sie war bis dahin nicht nur die größte chinesische Übernahme eines deutschen Unternehmens – mit ihr gelang es Sany auch, die Marktführerschaft im Bereich Betonpumpen und Spezialgeräte (Straßenbau- und Hebemaschinen) zu zementieren, und zwar zu einem für den Konzern kritischen Zeitpunkt: Denn das Unternehmen hatte zeitgleich erstmals Verluste zu vermelden.

Auch hier spiegeln sich der Pragmatismus, der Chinas erfolgreichste Unternehmer auszeichnet, und ihr Denken in Chancen wider. Ähnliches lässt sich bei der Partnerschaft von Sany mit Palfinger feststellen – mit dem österreichischen Spezialmaschinenbauer besteht eine Überkreuzbeteiligung: Die Allianz wurde auf dem Höhepunkt der Eurokrise im Jahr 2012 geschmiedet. Wie es sich gehört, ist auch Liangs Sohn in das Unternehmen miteingebunden. Er steht dem internationalen Arm des Unternehmens vor und ist im Vorstand des Gesamtkonzerns. Die Europazentrale des Unternehmens liegt seit der Übernahme von Putzmeister in Köln.

Konsumverhalten in China nach der ersten Corona-Welle

Konsumverhalten in China
Quelle: Adobe Stock; © marchsirawit

Wie der COVID-19-Ausbruch sich auf das Konsumverhalten bzw. die Konsumpläne der Verbraucher in China (sowie in Indien und Indonesien) auswirken könnte, hat McKinsey in einer aktuellen Umfrage untersucht. Verbrauchervertrauen in ChinaDie in China Befragten gaben dabei an, ihre Pläne bei Einkäufen für teurere Dinge wie Schmuck, Autos, den Bau oder die Renovierung von Häusern auf unbestimmte Zeit zu verschieben bzw. eher aufzugeben als jene für kleinere Anschaffungen. 50% der chinesischen Befragten, die vor dem Ausbruch vorhatten, Autos zu kaufen, wollen auf diese Käufe 2020 verzichten. 59% sagten das Gleiche in Bezug auf geplante Schmuckkäufe. Zum Vergleich: Nur 13% der Befragten sagten, dass sie Pläne zum Kauf von Hautpflegeprodukten verzögern oder stornieren. Etwa jeder Dritte gab an, weniger als ursprünglich geplant auszugeben.

Chinesisches Preisniveau (Verbraucher und Hersteller)Die Befragten unterscheiden jedoch zwischen Preis und Wert. Bei Befragten, die planen, kleine Haushaltsgeräte zu kaufen, stieg der Anteil, der „Mehrzweck“ als eines der drei wichtigsten Attribute für die Kaufentscheidung anführt, um 10% – dieser Anteil ist viermal so hoch wie der, bei dem niedrige Preise eine wichtige Rolle spielten. Die Ergebnisse legen auch den Schluss nahe, dass bestimmte Verbrauchergruppen bei Lockerung von Sperren und Beschränkungen ihre Ausgaben wieder erhöhen. Gleichzeitig werden aber auch Unbehagen und Schuldgefühle als Gründe für die geringere Kaufneigung genannt. So führte beispielsweise ein Drittel der Handykäufer in China dies als Grund für sein geändertes Konsumverhalten an.

www.mckinsey.com

Mittelstand „Made in China“

Mittelstand und KMU
Quelle: Adobe Stock; © xtock

Was haben Bratwurst, Kindergarten und Mittelstand gemeinsam? Alle drei sind sogenannte Lehnwörter: also typisch deutsche Exportschlager, die längst Eingang in andere Sprachen und Kulturen gefunden haben. China macht da keine Ausnahme. Nicht die großen Staatskonzerne sind die Treiber des wirtschaftlichen Aufschwungs der vergangenen Jahrzehnte, sondern die vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die sich seit Beginn der Reformpolitik im Jahr 1978 gegründet haben. Heute zählt die Volksrepublik China schätzungsweise 38 Mio. Mittelständler, die für mehr als 60% des BIP, 75% der technologischen Innovation und 80% der Beschäftigten stehen.

Zahlen, die wir so ähnlich auch aus Deutschland kennen – und die dazu führen, dass sich eine zunehmende Menge wissenschaftlicher Arbeiten mit Chinas Unternehmerschar beschäftigt. Wie kurbeln sie Innovation und Wachstum an und wie unterscheiden sie sich dabei von ihren westlichen Pendants? Anders als in der deutschen Praxis, in welcher sich zunehmend ein System der wechselseitigen Kontrolle durch Funktionsteilung und Aufsichtsgremien etabliert hat, wird das typische chinesische Unternehmen durch den „Lǎo Bǎn“ geführt. Übersetzen lässt sich dieser Begriff mit „alter Boss“ und er bezeichnet in aller Regel den Eigentümer und Geschäftsführer eines Unternehmens.

Mehr Gemeinsamkeiten als gedacht

Betonen anekdotische Fallstudien oder Ratgeber gerne kulturelle Besonderheiten, kommt ein kürzlich vom China Center der namhaften spanischen IE-Universität durchgeführter Vergleich zum Ergebnis, dass deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede bestehen: So zeigte die umfragebasierte Studie auffallende Ähnlichkeiten in Bezug auf Alter, bisherige Erfahrungen und Führungsstile. Selbst die Burnoutraten waren vergleichbar. Eine mögliche Erklärung dafür liefert der mit Globalisierung und Auslandserfahrungen einhergehende interkulturelle Austausch.

Auffälligster Unterschied war der deutlich höhere Anteil von Unternehmerinnen in China. Das bestätigt andere Untersuchungen und korreliert mit dem im weltweiten Vergleich insgesamt extrem hohen Frauenanteil an der Erwerbsbevölkerung. Auch die bis 2015 gültige Ein-Kind-Politik spielt eine Rolle. Unabhängig davon, ob es sich bei dem Kind um einen Jungen oder ein Mädchen handelt, investieren chinesische Eltern in der Regel ihre gesamten Ressourcen in dessen erfolgreiche Karriere. Mit Erfolg: Von rund 70 Self-Made-Milliardärinnen weltweit stammt fast die Hälfte aus China.

Die Daten der IE-Studie zeigen zudem, dass chinesische Unternehmer im Durchschnitt weniger schlafen als ihre europäischen Kollegen – nicht viel weniger, aber die Differenz ist statistisch signifikant. Und das trotz 4,2 Tassen Kaffee, den deutsche Mittelständler pro Arbeitstag konsumieren. Der konfuzianische Arbeitsethos wirkt anscheinend stärker als die regelmäßige Koffeinzufuhr. In vielen chinesischen Unternehmen ist „996“ gelebte Praxis: So gilt u.a. Alibaba-Gründer Jack Ma als Befürworter dieser Arbeitskultur, in der die Mitarbeiter an sechs Tagen in der Woche von 9:00 bis 21:00 Uhr im Büro sein sollen.

Verhältnis von Unternehmern/unternehmerischer Aktivität zwischen Männern und Frauen in China und DeutschlandUnternehmertum als evolutionärer Prozess

Neben solchen statistisch messbaren Unterschieden existieren aber auch tieferliegende Eigenheiten. Die Ausprägung von Unternehmertum ist ein pfadabhängiger, evolutionärer Prozess, der von historischen Gegebenheiten abhängt. So ist das Bild vom Mittelstand in Deutschland geprägt durch das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre. Attribute wie Bescheidenheit, Bodenständigkeit, Tatkraft und Erfindergeist waren im damaligen Umfeld unabdingbar für unternehmerischen Erfolg. Hart arbeitende, detailversessene Tüftler, meist regional verwurzelt im ländlichen Raum, schufen die Basis für viele der heutigen Weltmarktführer.

Ganz anders in China: Dort werden nicht so sehr technische Ingenieurskünste als zuallererst praktische Fertigkeiten gefordert. Unternehmer müssen in der Lage sein, flexibel zu reagieren und schnell Entscheidungen zu treffen. Auch hierfür gibt es historische Realitäten: China hat seit dem Zweiten Weltkrieg mehrere große Wellen erdbebenartiger Veränderungen erlebt – die Einführung der Planwirtschaft in den 1950er-Jahren, die Kulturrevolution anno 1966 sowie die anhaltenden Reformen seit 1978. Die Perioden haben die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bevölkerung gravierend verändert, mit negativen und positiven Folgen. Sie haben allerdings auch die gesamte Gesellschaft dynamisiert.

Die Reformen waren dabei von Anfang an graduell; es gab weder Blaupause noch Zeitplan. Vielfach wurde das experimentelle, innovative Vorgehen verglichen mit der schrittweisen Durchquerung eines breiten Flusses. Es bestand das Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, aber kein Gesamtkonzept, innerhalb dessen eine solche zu erreichen gewesen wäre. Vieles davon lässt sich auf das Verhalten chinesischer Unternehmer übertragen. Es geht darum, mehrere Projekte gleichzeitig zu verfolgen und Gelegenheiten schnell zu ergreifen. Oft herrscht dabei eine Ethik des Gewinnens bzw. des Siegers, d.h., der clever agierende Geschäftsmann kann sich zum Erreichen des Erfolgs sehr weitreichender Mittel bedienen. Der Verlierer war eben nicht geschickt oder klug genug, das Risiko zu erkennen.

Digitale Plattformen für Chinas industrielle Zukunft

Digitale Plattformen für Chinas Industrie
Quelle: Adobe Stock; © DIgilife

Die Beratungsfirma Gartner schätzte die Ausgaben im Bereich IT-Technologien und digitale Plattformen in China bereits für das Jahr 2018 auf 337 Mrd. EUR; der Anteil von Software und Rechenzentrumsanlagen belief sich dabei auf 32 Mrd. EUR.
Laut Marktbeobachtern wird sich bis 2025 ein Drittel – 4,1 Mrd. – der weltweiten industriellen Internet-of-Things-Verbindungen (IoT) in China befinden. So engagieren sich auch deutsche Unternehmen wie Siemens, SAP und Bosch bei chinesischen digitalen Industrieplattformen. Die weltweit erste Open-Source-Technologieplattform für autonome Fahrzeuge, Apollo von Baidu, verfügt bereits über 130 Firmenpartner, darunter große deutsche Autobauer.

Chinas digitale IndustrieplattformenZunehmend genutzt wird z.B. auch eine von Elektronikhersteller Haier und Alibaba in China entwickelte digitale Plattformen für Industrieanwendungen. COSMOPlat von Haier gehört zu den erfolgreichsten Plattformen des Privatsektors, die zwölf Branchen nutzen – von Textilien über Elektronik bis hin zu Keramik – und bedient nach eigener Aussage 35.000 Unternehmen mit 320 Mio. Endnutzern. Für die Optimierung der industriellen Fertigung und den Aufbau einer Industrie 4.0 sind dabei Daten zum Konsumentenverhalten von zentraler Bedeutung. Chinesische ITK-Unternehmen wie Alibaba, Tencent, Huawei und Baidu haben hier mit der Möglichkeit, auf einen riesigen Pool von Internetnutzerdaten zurückzugreifen, einen immensen Vorteil.

Ziele für die Entwicklung von digitalen PlattformenIm Juni 2019 hat die Volksrepublik darüber hinaus die „Konvergenzplattform Industrielles Internet für zentral verwaltete staatseigene Unternehmen“ ins Leben gerufen. Ihr gehören 289 staatseigene Betriebe an, darunter Großunternehmen wie die China State Shipbuilding Corporation, der Stahlhersteller Baosteel (der seit 2015 mit Siemens kooperiert) und Petrochemical Yingke aus der Sinopec-Gruppe. Die offizielle Formulierung der meisten der 324 chinesischen Standards für das industrielle Internet steht allerdings noch aus.

(www.merics.org)

 

Duisburg: Innovationsbrücke nach China

Container aus China in Duisburg
Foto: Yang Lu

Bereits 1982 hatten Duisburg und Wuhan die erste chinesisch-deutsche Städtepartnerschaft geschlossen. Selbst in der Corona-Krise unterlag die Partnerschaft keinem „Lockdown“. Duisburg führte als erste deutsche Stadt eine Spendenaktion für Wuhan durch und schon kurz nach Beendigung des dortigen Ausnahmezustands kommen seit dem 14. April Züge aus der einstigen Krisenregion wieder in Duisburg an, u.a. mit medizinischen Hilfsgütern. Zunächst war es zu einem deutlichen Rückgang in der Sektion Güterverkehr aus Asien, insbesondere China gekommen. Mittlerweile normalisiert sich die Lage mehr und mehr; es verkehren wieder rund 40 Züge wöchentlich zwischen Duisburg und verschiedenen Städten Chinas. Sie transportieren Güter doppelt so schnell wie auf dem Seeweg, aber nur halb so teuer wie Luftfracht. Diese Verbindung, der weltgrößte Binnenhafen und das große Einzugsgebiet von Duisburg im Herzen Europas wecken das Interesse chinesischer Unternehmen.

Container aus China werden in Duisburg auf ein Frachtschiff verladen.
Duisburger Innenhafen: Containerumschlag 2019 von ca. 4,0 Mio. TEU; Foto: Yang Lu

Duisburg-China nach Fahrplan

Diese Punkte führten auch dazu, dass sich die China Railway Container Transport Corp. Ltd. (CRCT) in Duisburg ansiedelte. Dabei waren verschiedene Institutionen behilflich, vor allem die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg (GFW Duisburg). Deren Geschäftsführer, Ralf Meurer, erläutert: „Mit der Ansiedlung dieses Schlüsselunternehmens hat Duisburg gute Karten, weitere chinesische Zulieferer und Kunden an den Standort zu binden. Inzwischen haben sich etwa 100 chinesische Unternehmen, Verbände und Institutionen in Duisburg angesiedelt.“ Die chinesischen Ansiedlungen in Duisburg findet aktuell in den unterschiedlichsten Branchen statt; besonders beliebte Themen sind E-Commerce, Logistik oder der Bereich Digitalisierung.

Frau Kai Yu, die zuständige Mitarbeiterin der GFW Duisburg für China seit 2017, hat mittlerweile rund 40 chinesische Unternehmen erfolgreich angesiedelt. Sie war es auch, die CRCT von Anfang an begleitet hat. „Wir nehmen den Kontakt zu den Unternehmen auf und geben ihnen die notwendige Unterstützung bei der Ansiedlung, besonders bei der Immobilienvermittlung oder bei ausländerrechtlichen Angelegenheiten und relevanten Behördengängen“, schildert sie ihre Aufgaben. „Und wir bleiben der Ansprechpartner für alle weiteren Fragen. Im Fall von CRCT konnten wir die Büros im Volksbank-Gebäude vermitteln. So haben wir ein fünftes chinesisches Unternehmen am Standort Innenhafen.“

Bereits 2015 war hier das erste chinesische Unternehmen angesiedelt worden: NGC, ein Global Player für Getriebe- und Antriebstechnik. Es bleibt die bisher größte chinesische Direktinvestition in Duisburg. Mit dem Plateno 7 Days Premium Hotel befindet sich im Innenhafen noch ein weiteres großes chinesisches Immobilienprojekt. Zukünftige chinesische Investoren finden denn auch die Unterstützung der Wirtschaftsförderung bei deren Grundstücks- und Immobilienmesse Duisburg (GIMDU) mit einem eigenen chinesischsprachigen Programmteil.

Container Richtung China werden in Duisburg auf Güterzüge verladen.
Knotenpukt Duisburg: Vom Duisport verkehren mittlerweile teils bis zu 50 Züge pro Woche nach China; Foto: Yang Lu

China Business Network Duisburg

Ebenfalls im Innenhafen erfolgte im Jahr 2016 die Gründungsversammlung des China Business Network Duisburg (CBND). Gegründet wurde damals in den Räumlichkeiten der Kanzlei PKF Fasselt Schlage, eines der Hauptinitiatoren des Vereins. „CBND hat die Aufgabe, die Chinaaktivitäten der Stadt Duisburg strategisch und nachhaltig zu entwickeln und eine Brückenfunktion für Unternehmer aus China zu bieten“, erklärt Johannes Pflug, Mitbegründer und Vorsitzender des CBND. „Unsere Aufgabe ist, chinesische Unternehmen passgenaue Dienstleistungen für deren Bedürfnisse in Duisburg anzubieten“, führt er aus. Wer die maßgeblichen Chinaakteure in Duisburg treffen will, findet sie beim CBND gebündelt. Neben Repräsentanten der Stadt Duisburg sind die Wirtschaftsförderung Duisburg, die Stadtwerke Duisburg, die Niederrheinische IHK Duisburg-Wesel-Kleve, das Konfuzius-Institut Metropole Ruhr genauso vertreten wie auch lokale Unternehmen – z.B. die Sparkasse Duisburg und die Volksbank Rhein-Ruhr. Als Geschäftsführerin des CBND agiert ebenfalls Frau Kai Yu von der Wirtschaftsförderung Duisburg.

Duisburg und China planen für die Zukunft

Wer neben organisatorischer Unterstützung auch finanzielle Förderungen sucht, wird in Duisburg ebenfalls fündig. So gibt es beispielsweise ein Welcome Package NRW für Nicht-EU-Unternehmen in Höhe von 3.000 EUR. Möglich sind auch Investitionszuschüsse bis zu 20% – in Abhängigkeit von Investitionssumme, neuen Arbeitsplätzen und Unternehmensgegenstand. Wer sich einen Überblick über die Unterstützungen von staatlicher Seite verschaffen will, kann sich auch an Wirtschaftsdezernent Andree Haack wenden. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität und wichtigen Chinaakteuren entwickelt er aktuell eine Chinastrategie für Duisburg.

Teil derselben könnte das Projekt Smart City sein. Seit drei Jahren kooperieren hier die Stadt Duisburg, die Stadtwerke Duisburg, Vertreter der Universität Duisburg-Essen und Huawei für ein klares Ziel: Man will in Duisburg die Digitalisierung möglichst vielzähliger Dienstleistungen voranbringen. Oberbürgermeister Sören Link hebt dabei die Rolle von Huawei hervor: „Huawei hat sich als verlässlicher und effektiver Partner erwiesen.“ Es bestehe aber keine einseitige Abhängigkeit von dem Telekommunikationsausrüster. Die neue Telefonanlage für das Duisburger Rathaus liefere beispielsweise ein anderer Anbieter, ergänzt Duisburger Stadtdirektor und Projektleiter Martin Murrack. Das Interesse und die Offenheit für China werden auf andere Weise gepflegt: So ging es im Herbst 2019 in der offiziellen Delegation des Oberbürgermeisters für Vertreter von Stadt, Wirtschaft und Wissenschaft bereits zum fünften Mal nach China.

Unterstützung von Gründungen wird groß geschrieben

Auch wurde vor nunmehr drei Jahren unter dem Namen ESCID ein eigenes Existenzgründungsprogramm für chinesische Gründungsinteressierte ins Leben gerufen; immerhin sind an der Universität Duisburg-Essen etwa 2.200 Studenten aus China eingeschrieben. Impulse einholen und Kontakte knüpfen können Gründer aber auch auf anderen Veranstaltungen.

Duisburger Drachenbootregatta:Das Boot mit dem Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (vorne) im Duell mit dem des chinesischen Generalkonsuls Haiyang Feng; © Hudong Xu

Zum Beispiel dem Business and Investors Forum China von Landesregierung und Wirtschaftsförderung NRW. Dieses findet mit einem anschließenden großen Chinafest im jährlichen Wechsel in einer der drei großen Niederrheinstädte Köln, Düsseldorf und Duisburg statt. Zu wichtigen steuerlichen und rechtlichen Aspekten kann man sich in chinesischer Sprache auf der regelmäßig stattfindenden Veranstaltungsreihe „PKF China Talk“ informieren. Eine ganz besondere Möglichkeit zum Austausch bietet überdies das jährliche Chinesische Frühlingsfest in Duisburg. Bei der traditionellen Drachenbootregatta im Duisburger Innenhafen sieht man die chinesischen Investoren mittlerweile mit einem eigenen Boot vertreten – angeführt vom chinesischen Generalkonsul. All diese Initiativen zeigen: Duisburg entwickelt sich immer mehr zur Chinastadt Deutschlands.


 

Zur Person

Porträt Johannes PflugJohannes Pflug ist Chinabeauftragter der Stadt Duisburg, Mitbegründer sowie Vorsitzender des China Business Network Duisburg (CBND), Vorsitzender des Kuratoriums der Ostasienwissenschaften beim Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Duisburg-Essen, Ehrenmitglied im Konfuzius-Institut sowie stellvertretender Vorsitzender in zwei bundesweit tätigen deutsch-chinesischen Dachorganisationen.
Er agierte 15 Jahre als Vorsitzender der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag.