Blick aus Qingdao: Huawei, TikTok, und jetzt DeepSeek

Zurück zu den Wurzeln des Smartphone-Zeitalters: nicht abkapseln, sondern besser verbinden. Der Umgang mit DeepSeek zeigt jedoch bekannte Muster.

Es ist gar nicht so lange her, da sorgte DeepSeek, die chinesische KI, für Aufsehen. In China. Auch in Europa. In Windeseile eroberte die Entwicklung aus Hangzhou die App-Charts. Genauso schnell machte sich allerdings auch Häme breit. Zu akzeptieren, dass eine künstliche Intelligenz aus China den Markt erobert und ähnlich verlässlich ist wie der damalige Primus Chat GPT, fällt nicht leicht.

Kein halbes Jahr später gibt es eine Lösung: In Deutschland soll die Anwendung aus den App-Stores verbannt werden. Und nicht nur dort. Was nicht zugänglich ist, kann auch nicht gefährlich werden, so offenbar die Überlegung. Anstatt nach Strategien zu suchen, wie eigene Entwicklungen angestoßen und zum Erfolg gebracht werden können, anstatt in Innovation zu investieren, werden Schranken aufgebaut, Verbote angestrebt. Anstatt die Herausforderungen anzunehmen und in den Wettbewerb einzusteigen, der alle Seiten voranbringen kann, schotten wir uns ab.

Deutschland China CAIDenn die Chinesen wollen ja nur unsere Daten abschöpfen. Igitt! Selbstverständlich lebt die Entwicklung künstlicher Intelligenz von Daten. Je intensiver der Austausch mit dem Nutzer, desto besser wird sie. KI muss gefüttert werden. Nicht nur chinesische. Wer also Angst vor Datenabfluss hat, sollte darauf verzichten, auf künstliche Intelligenz zurückzugreifen. Aber auch darauf, in sozialen Netzen unterwegs zu sein, Nachrichten über das Internet zu verschicken oder mit seiner Kreditkarte zu bezahlen.

Klingt irgendwie weltfremd. Logischer wäre, sich Gedanken darüber zu machen, wie Nutzer besser geschützt werden können, anstatt dem technischen Fortschritt die Tür vor der Nase zu verschließen. Das war schon bei der Diskussion um chinesische 5G-Komponenten der Fall. Lieber wurde ein Verzicht auf das schnelle Internet in Kauf genommen, weil China die Technologie hatte, Europa aber noch nicht.

Nicht nur bei DeepSeek ist China einen oder gar zwei Schritte vorausOder geht es am Ende doch nur um schnöden Wettbewerb? Den Konkurrenten auszuschließen, anstatt mit Leistung herauszufordern? Und dabei gleichzeitig darauf zu setzen, dass Anbieter ausgebremst werden, die nicht die Nase vorn haben dürfen, weil einfach nicht sein kann, was nicht sein darf? Beim Mobilfunkstandard ist die Strategie jedenfalls nicht aufgegangen. Während in Deutschland 5G längst noch nicht flächendeckend verfügbar ist, selbst 4G nicht, ist China bereits in der nächsten Stufe angekommen: 5GA. So wird es auch mit DeepSeek sein.

Nun soll nicht der falsche Eindruck entstehen, dass China nicht auch bestimmte Programme oder soziale Netzwerke daran hindert, die Große Mauer zu überwinden. Zumindest für die breite Öffentlichkeit. Schutz vor ungewünschtem Einfluss oder Abfluss von Daten sind auch hier Argumente. Dass die ‚freie westliche Welt‘ jetzt aber zunehmend in den denselben Modus verfällt, der bei China kritisiert wird, stimmt nachdenklich.

Denn inzwischen ist die schöne neue Welt, in der sich Menschen durch moderne Technologien immer mehr annähern, durch neue Grenzen bedroht. Längst vorbei scheinen die Zeiten, als im Zuge des Smartphone-Siegeszuges App-Stores universell waren, egal in welchem Land der Nutzer sein Konto registriert hatte. Wir bewegen uns immer mehr auf ein Inseldasein zu, das Nutzern mit Smart-Phone-ID in einem Land nicht erlaubt, APP anderer Länder herunterzuladen, selbst wenn man sich permanent in diesem anderen Land aufhält. Keine gute Entwicklung ist das. Nicht für den technischen Fortschritt. Und auch nicht für einen einfachen Alltag.

Zurück zu den Wurzeln, deshalb mein Ruf. Zurück zu den Wurzeln des Smartphone-Zeitalters: nicht abkapseln, sondern besser verbinden.

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Peter Tichauer

Peter Tichauer  ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, lebt und arbeitet er seit 2018 in der ostchinesischen Küstenmetropole Qingdao.