Der Wind bei deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen wird rauer. Datenschutz, Engagement in sensiblen Regionen, internationale Spannungen… In der Vergangenheit betraf dies insbesondere große Konzerne und Unternehmen in strategisch wichtigen Branchen, z.B. Leuchtturmprojekte wie der Bau des Volkswagen-Werks in Xinjiang. Heute gilt: Kaum ein ausländisches Unternehmen, egal welcher Größenordnung, kann sich den politischen Aspekten entziehen.
In der Vergangenheit lenkte die chinesische Regierung die Wirtschaftsentwicklung stark über Rahmenbedingungen. Seit einigen Jahren greift die chinesische Regierung zunehmend aktiv und tiefgreifend in die laufende Wirtschaft ein. Und anders als noch vor einigen Jahrzehnten sind ausländische Unternehmen inzwischen tief in der chinesischen Wirtschaft verankert. Durch diese zwei Faktoren geraten ausländische Mittelständler (KMU) mit China-Geschäft zunehmend in den allgemeinen Sog der chinesischen Wirtschaftsentwicklungen und der sie steuernden chinesischen Politik.
Die Gesetze werden umfassender
Zwar zielt der überwiegende Anteil der Maßnahmen, die westliche KMU als beeinflussend für ihr Geschäft wahrnehmen, auf die chinesische Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt und nicht vorrangig auf ausländische Unternehmen. Doch die Gesetze werden immer umfassender. Das neue chinesische Datensicherheitsgesetz (DSL), zum Beispiel, ähnelt in vielen praktischen Aspekten der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), geht jedoch in einigen Bereichen weiter. Zudem hat es eine extraterritoriale Komponente. Es hat somit starke Auswirkungen auf alle Unternehmen, die mit China zu tun haben. Die Hauptzielrichtung hierbei ist, dass alle Unternehmen sich an das DSL halten müssen – egal ob ausländisch oder chinesisch. Ein signifikanter Nebeneffekt ist, dass ausländische Unternehmen nun mit der politisch relevanten Entscheidung konfrontiert werden, wie sie mit Daten umgehen.
Zudem waren die europäischen Unternehmen früher nicht so stark in die chinesische Wirtschaft integriert. Wenn man dort nur Lohnfertigung in abgekoppelten Sonderwirtschaftszonen betrieb, hatte man mit Themen wie Datenschutz, lokal generierten Innovationen oder Minderheitenregionen wenig Berührung. Heute sind ausländische KMU in China jedoch in vielen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft engagiert.
Großkonzerne im Fokus
In den zwei Jahrzehnten bis etwa 2012 standen KMU nicht im Fokus der chinesischen Industriepolitik. In der Folge erlebten die KMU relativ wenig Steuerung durch die Behörden. Großkonzerne hingegen mussten durchgängig mit chinesischen Staatsunternehmen und Behörden eigene Positionen verhandeln. Während die expliziten Einschränkungen für ausländische Unternehmen sukzessive reduziert wurden, verstärkte sich der Einfluss der Partei innerhalb der Unternehmen durch strukturelle Maßnahmen. Auch die Gesetze entwickelten gemäß der Entwicklungsziele der Volksrepublik weiter. Hierzu gehören auch die automatisierte Erfassung und Auswertung von immer mehr Informationen aus allen Lebensbereichen.
Rückblickend lässt sich sagen: Die politischen Aspekte waren schon immer da. KMU hatten in den letzten zwei Jahrzehnten nur nicht so viel mit ihnen zu tun. Das hat sich nun geändert.
Es empfiehlt sich, einen Überblick über die eigene Situation und Position in China zu erstellen und mögliche politische Aspekte, die das eigene Unternehmen betreffen, zu identifizieren. Ein Startpunkt ist die systematische Auseinandersetzung mit diesem Thema, um die Führungskräfte zu sensibilisieren, konkrete Risiken zu identifizieren und etwaig notwendige strategische Anpassungen vorzunehmen.
Lutz Berners
Lutz Berners gründete Berners Consulting im Jahr 2009 mit dem Ziel, europäische und chinesische Unternehmen bei internationalen Aktivitäten zu unterstützen. Seitdem berät er europäische und chinesische Auftraggeber zu Export-, Einkaufs-, Joint Venture- und M&A-Projekten. Besondere Schwerpunkte liegen auf strategischen Partnerschaften, insbesondere auch bei Kapitalbeteiligungen und bei nachhaltigen Lieferketten.
Aufgrund seiner Fach- und Sprachkenntnisse sowie seiner engen Vertrautheit mit der chinesischen Mentalität konnte er sich als einer der wenigen nicht-Chinesen eine Stellung als vertrauter Berater mehrerer hochkarätiger mittelständischer chinesischer Unternehmer erarbeiten. Zudem ist er regelmäßig als Berater zu Kooperationsprojekten mit China für deutsche Ministerien und Behörden auf Landes- und Bundesebene tätig. Herr Berners erlangte seinen Bachelor in Maschinenbau und Wirtschaft an der Yale University und seinen Master of Public Affairs an der Princeton University. Er spricht fließend Deutsch, Englisch und Chinesisch (Mandarin).
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