Sie haben es nicht geschafft!

Deutschland China CAI

Seit drei Jahren setzen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock alles daran, Deutschland gegenüber China neu auszurichten. Geschafft haben sie es offenbar nicht.

Auch wenn vieles, was in vier Jahrzehnten mühevoll aufgebaut wurde, kurzerhand kaputt gemacht wurde – und wohl nicht so schnell wiederherzustellen sein wird, wenn überhaupt. Der eine fordert, die Unternehmen mögen sich von China abwenden und in Länder abwandern, die aus deutscher Wertesicht freundlicher erscheinen, aber längst nicht das wirtschaftliche Potenzial bieten, das Unternehmen sich in China mühevoll erschlossen haben.

Die andere scheint alles daran setzen zu wollen, undiplomatisch Porzellan zu zerschlagen. Oberlehrerhaft Lektionen erteilen, statt zu diskutieren und auszuloten, wo Gemeinsames notwendig und möglich ist, funktioniert nicht. Jedenfalls nicht überall auf dieser Welt. Das eigene Ego scheint jedoch wichtiger als die Interessen des Landes zu sein, das zum vorzeitigen Ende der derzeitigen Regierungskoalition nicht sonderlich gut dasteht.

Vielleicht war das Timing nicht günstig. Vermutlich stand der eine Termin auch schon länger fest als der andere. Die Bundesaußenministerin kam ganz offensichtlich zwei Tage zu früh nach Peking. Sie hätte sich zunächst anhören sollen, zu welchem Ergebnis die diesjährige Geschäftsklima-Umfrage der Deutschen Auslandshandelskammer in China gekommen ist, die am 4. Dezember in Shanghai präsentiert wurde – als die Ministerin längst wieder in Europa von einem Ort zum anderen eilte.

Darin wurde eine Botschaft sehr deutlich formuliert: Knapp zwei Drittel der in China aktiven Unternehmen sehen das Land und die Firmen dort anders als die Bundesregierung durchaus als Wettbewerber, vor allem jedoch als Partner. Als Partner beispielsweise, um künftig Innovation voranzutreiben, um am Markt zu partizipieren, der derzeit zwar schwächelt, langfristig aber durchaus aussichtsreiche Geschäfte verspricht.

Dass chinesische Unternehmen in einer ganzen Reihe von Branchen Innovationsführerschaft innehaben oder in den kommenden Jahren haben werden, sei ein weiterer Grund, die Zusammenarbeit zu vertiefen. Voneinander lernen, anstatt auszugrenzen, lautet eine Botschaft, die in Berlin und Brüssel nicht ignoriert werden sollte: Im Interesse der eigenen Wirtschaft, im Interesse der Zukunft der eigenen Industrie. Denn, so wurde bei der Präsentation der Umfrageergebnisse formuliert, in China sorge ‚made in Germany‘ oder ‚made by Germany‘ nicht mehr automatisch für erfolgreiches Geschäft. Deshalb sei es unter anderem notwendig, noch stärker Entwicklung und Forschung im Land anzusiedeln, sie an den Bedürfnissen der lokalen Kunden auszurichten und mit dem chinesischen Tempo Schritt zu halten.

Das ist Teil einer auf Zukunft ausgerichteten Unternehmensstrategie, die in dem Bericht als ‚Lokalisierung 3.0‘ definiert wird. Unabhängiger von den Firmenzentralen in Deutschland zu agieren, schneller zu entscheiden, um den Anschluss nicht zu verlieren, das werde in den kommenden Jahren noch wichtiger. Vielleicht ließe es sich auch so sagen: richtig ankommen, statt wegzulaufen. Das ist durchaus Teil einer strategischen Risikominimierung. Eigentlich brauchte es dafür keiner ‚China-Strategie‘. Kein Unternehmen, das klug agiert, kann auf Maßnahmen verzichten, mögliche Risiken zu vermeiden.

So bekennt sich dann auch die überwältige Mehrheit der deutschen Unternehmen in China, die an der Umfrage teilgenommen haben, zum chinesischen Markt. Absetzungstrend? Nicht zu sehen. Im Gegenteil: Etwas mehr als die Hälfte der Firmen plant weitere Investitionen im Land. Vor vier Jahren sagten dies noch 77% der Befragten. Die derzeit schwache chinesische Nachfrage bleibt nicht ohne Auswirkungen.

Aufhorchen ließ eine Äußerung des deutschen Generalkonsuls in Shanghai, die er in seinem Grußwort bei der Präsentation der Geschäftsklimaumfrage machte. Möglicherweise sei es notwendig, die gerade einmal eineinhalb Jahre alte China-Strategie der Bundesregierung anzupassen. Die Strategie war übrigens ein Baustein, der dazu beigetragen hat, dass das China-Image in Deutschland so schlecht wie lange nicht mehr ist.

Vieles davon weit von den Tatsachen entfernt. Den deutschen Unternehmen in China ist dies ein Dorn im Auge. Denn dem Geschäft diene es nicht, so die Umfrageergebnisse. Wünschenswert ist daher, mehr auf diejenigen zu hören, die seit Jahren in dem Land geschäftlich erfolgreich tätig sind, die sowohl Deutschland als auch China kennen und daher Kompetenz in den Diskurs einbringen können. Sachlichkeit statt Vorurteile.

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Peter Tichauer

Peter Tichauer  ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.