Cross-Border-M&A: Was bleibt vom „Chinaboom“?

©MIND AND I - stock.adobe.com

Spätestens mit der Übernahme von Putzmeister begann in Deutschland eine Entwicklung, die bei Kuka 2016 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte und in der „Cross-Border“ oft als Synonym für Transaktionen mit chinesischen Investoren stand. „China“ wurde zu einem der bestimmenden Treiber in zahlreichen M&A-Transaktionen. Durch politische Einflussnahme auf beiden Seiten sowie durch das Wirken genereller „Kohäsionskräfte“ normalisiert sich dieser Prozess gerade. VON CHRISTIAN BERKHOFF UND SEBASTIAN BAUCH

Seit Anfang der 2010er-Jahre kam es zu einem starken Anstieg von Akquisitionen deutscher Unterneh­men durch chinesische Investoren, der im Jahr 2016 seinen Gipfel erreichte. Dabei kam es auf der einen Seite zu Akqui­sitionen weltbe­kannter, innovativer Technologieführer wie Kuka und Putz­meis­ter; auf der ande­ren Seite fanden aber auch viele kleinere Akquisitionen im Distressed-Bereich von Unternehmen wie Teutoburger Sperr­holz oder Laukötter Dessau statt, bei de­nen chine­sische Investoren oft als letzte Retter in der Not die endgültige Schließung zumin­dest vorübergehend verhin­dern konnten und bei denen der Zugang zu westlichen Märkten häufig mit vergleichsweise geringen Anfangsinvesti­tionen erschlossen werden sollte. Damit deckten chinesische Investoren auf den ersten Blick das gesamte Spektrum mög­licher M&A-Transaktionen ab, waren in den meisten Fällen aber eben nicht über die gesamte Bandbreite, sondern vor al­lem an diesen beiden „Endpunkten“ aktiv.

Durch die Kombination aus vergleichs­weise hohen Bewertungen für innovative Marktführer und einer – zumindest gefühlt – hohen Bereitschaft, Transaktionen auch in einem für andere Investo­ren schwierigen Umfeld durchzuführen, rück­ten chinesische Investoren auch für Transaktionen in den Fokus, die nicht über diese Charakteristika verfügten. Dies hatte signifikante Auswirkungen auf den M&A-Prozess, bei dem nun in vielen Fäl­len versucht wurde, durch besonderes Design, beispielsweise in Hinblick auf den Ansprachezeitpunkt, auf die vermeintlichen Bedürfnisse speziellen Wert zu ­legen oder aber ihn komplett auf China auszurichten.

China wurde damit zu einem „übergeordneten Faktor“, durch den vielzählige potenzielle chinesische Käufer ihren Weg auf die Long Lists fanden, bei denen der strategische Fit ihrer Herkunft eher untergeordnet war, obwohl letztlich nur et­wa 3% der Transaktionen über 5 Mio. EUR in Deutschland mit chinesischen Investoren stattfanden.

Normalisierung von Cross-Border-M&A

Mit der Verschärfung der Kapitalverkehrs­kontrollen, die zeitweise von chinesischen Investoren durch Kapitalmaßnah­men außerhalb von China umgangen werden konnten, einer steigenden Verschuldung sowie einer deutlichen Ver­schär­fung der regulatorischen Anfor­derungen sowohl auf deutscher als auch auf chinesischer Seite hat sich die Situa­tion grundlegend geändert. Auch wenn Transaktionen damit nicht unmöglich wurden, haben die Maßnahmen einer ohnehin schon herausfordernden Cross-­Border-Transaktion noch weitere Komplexität und Unsicherheitsfaktoren hinzugefügt.

Diese Entwicklung bedeutet aber we­der, dass damit chinesische Investoren für deutsche Unternehmen nicht mehr relevant sind, noch, dass sie im Design des Transaktionsprozesses keinerlei Be­rücksichtigung finden sollten. Aktuell rücken lediglich die eigentlichen Treiber einer M&A-Transaktion – etwa der strate­gische Fit zwischen Käufer und Target – in den Vordergrund und führen hier zu einer Normalisierung der Transaktionsprozesse und gleichzeitiger Verringerung des „übergeordneten Faktors“ China. Auf Investorenseite geschieht dies unter stärkerer Beachtung des zuvor oft nicht ausreichend berücksichtigten Faktors Entfernung auf Lieferketten, Synergien, Managementzugriff und -kapazitäten et cetera. Dieser Trend zeigt sich auch am Anstieg der Disposals durch chinesische Investoren, die darauf hindeuten, dass diese Analyse aktuell auch für Trans­aktionen der Vergangenheit nachgeholt wird.

Für den Transaktionsprozess verblei­ben jedoch weiterhin einige Besonderheiten, die umso relevanter sind, als sich die Anzahl der erfolgreich durchgeführten Chinatransaktionen auf relativ niedri­gem Niveau befindet und die Sinnhaftigkeit somit immer individuell gegen den zusätzlichen Aufwand und Unsicherheiten abgewogen werden sollte:

• Lokales Netzwerk: China bleibt die einzige für M&A-Transaktionen relevante Region, in der Investoren kaum oder gar nicht (nur) aus Deutschland heraus angesprochen werden können.

• Timing: Sowohl die internen Ent­scheidungsprozesse als auch die zusätzlichen rechtlichen Anforderungen auf chi­nesischer und deutscher Seite verlangsamen den Prozess deutlich und erschweren dessen Parallelisierung mit nicht-chinesischen In­ves­toren.

• Finanzierung: Die bestehenden Kapitalverkehrskontrollen erschweren wei­terhin die Finanzierung, falls diese nicht außerhalb Chinas sichergestellt werden kann.

• Transaktionssicherheit: Transaktionen können bis zum Ende durch fehlende Freigaben in China, aber auch auf Basis der Außenwirtschaftsverordnung gestoppt werden, sodass lange keine Transaktionssicherheit besteht.

FAZIT

Der Erwerb deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren befindet sich ak­tuell in einer Phase der Normalisierung. Der individuelle strategische Fit unter Ab­wägung der Kapazitäten und Mög­lich­kei­ten der Investoren rückt dabei in den Vor­dergrund. Falls dieser sichergestellt ist, können der erwartete strate­gische Aufschlag auf den Kaufpreis, zu­künf­tige Ent­wicklungspotenziale und Synergien die zusätzlichen Aufwendungen wie auch Ri­siken des Transaktionsprozesses aufwie­gen und so eine Einbeziehung chinesischer Investoren sinnvoll machen.

 

Der Beitrag erscheint auch in der Unternehmeredition Ausgabe 3/2021.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: 德语