Seit Anfang der 2010er-Jahre kam es zu einem starken Anstieg von Akquisitionen deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren, der im Jahr 2016 seinen Gipfel erreichte. Dabei kam es auf der einen Seite zu Akquisitionen weltbekannter, innovativer Technologieführer wie Kuka und Putzmeister; auf der anderen Seite fanden aber auch viele kleinere Akquisitionen im Distressed-Bereich von Unternehmen wie Teutoburger Sperrholz oder Laukötter Dessau statt, bei denen chinesische Investoren oft als letzte Retter in der Not die endgültige Schließung zumindest vorübergehend verhindern konnten und bei denen der Zugang zu westlichen Märkten häufig mit vergleichsweise geringen Anfangsinvestitionen erschlossen werden sollte. Damit deckten chinesische Investoren auf den ersten Blick das gesamte Spektrum möglicher M&A-Transaktionen ab, waren in den meisten Fällen aber eben nicht über die gesamte Bandbreite, sondern vor allem an diesen beiden „Endpunkten“ aktiv.
Durch die Kombination aus vergleichsweise hohen Bewertungen für innovative Marktführer und einer – zumindest gefühlt – hohen Bereitschaft, Transaktionen auch in einem für andere Investoren schwierigen Umfeld durchzuführen, rückten chinesische Investoren auch für Transaktionen in den Fokus, die nicht über diese Charakteristika verfügten. Dies hatte signifikante Auswirkungen auf den M&A-Prozess, bei dem nun in vielen Fällen versucht wurde, durch besonderes Design, beispielsweise in Hinblick auf den Ansprachezeitpunkt, auf die vermeintlichen Bedürfnisse speziellen Wert zu legen oder aber ihn komplett auf China auszurichten.
China wurde damit zu einem „übergeordneten Faktor“, durch den vielzählige potenzielle chinesische Käufer ihren Weg auf die Long Lists fanden, bei denen der strategische Fit ihrer Herkunft eher untergeordnet war, obwohl letztlich nur etwa 3% der Transaktionen über 5 Mio. EUR in Deutschland mit chinesischen Investoren stattfanden.
Normalisierung von Cross-Border-M&A
Mit der Verschärfung der Kapitalverkehrskontrollen, die zeitweise von chinesischen Investoren durch Kapitalmaßnahmen außerhalb von China umgangen werden konnten, einer steigenden Verschuldung sowie einer deutlichen Verschärfung der regulatorischen Anforderungen sowohl auf deutscher als auch auf chinesischer Seite hat sich die Situation grundlegend geändert. Auch wenn Transaktionen damit nicht unmöglich wurden, haben die Maßnahmen einer ohnehin schon herausfordernden Cross-Border-Transaktion noch weitere Komplexität und Unsicherheitsfaktoren hinzugefügt.
Diese Entwicklung bedeutet aber weder, dass damit chinesische Investoren für deutsche Unternehmen nicht mehr relevant sind, noch, dass sie im Design des Transaktionsprozesses keinerlei Berücksichtigung finden sollten. Aktuell rücken lediglich die eigentlichen Treiber einer M&A-Transaktion – etwa der strategische Fit zwischen Käufer und Target – in den Vordergrund und führen hier zu einer Normalisierung der Transaktionsprozesse und gleichzeitiger Verringerung des „übergeordneten Faktors“ China. Auf Investorenseite geschieht dies unter stärkerer Beachtung des zuvor oft nicht ausreichend berücksichtigten Faktors Entfernung auf Lieferketten, Synergien, Managementzugriff und -kapazitäten et cetera. Dieser Trend zeigt sich auch am Anstieg der Disposals durch chinesische Investoren, die darauf hindeuten, dass diese Analyse aktuell auch für Transaktionen der Vergangenheit nachgeholt wird.
Für den Transaktionsprozess verbleiben jedoch weiterhin einige Besonderheiten, die umso relevanter sind, als sich die Anzahl der erfolgreich durchgeführten Chinatransaktionen auf relativ niedrigem Niveau befindet und die Sinnhaftigkeit somit immer individuell gegen den zusätzlichen Aufwand und Unsicherheiten abgewogen werden sollte:
• Lokales Netzwerk: China bleibt die einzige für M&A-Transaktionen relevante Region, in der Investoren kaum oder gar nicht (nur) aus Deutschland heraus angesprochen werden können.
• Timing: Sowohl die internen Entscheidungsprozesse als auch die zusätzlichen rechtlichen Anforderungen auf chinesischer und deutscher Seite verlangsamen den Prozess deutlich und erschweren dessen Parallelisierung mit nicht-chinesischen Investoren.
• Finanzierung: Die bestehenden Kapitalverkehrskontrollen erschweren weiterhin die Finanzierung, falls diese nicht außerhalb Chinas sichergestellt werden kann.
• Transaktionssicherheit: Transaktionen können bis zum Ende durch fehlende Freigaben in China, aber auch auf Basis der Außenwirtschaftsverordnung gestoppt werden, sodass lange keine Transaktionssicherheit besteht.
FAZIT
Der Erwerb deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren befindet sich aktuell in einer Phase der Normalisierung. Der individuelle strategische Fit unter Abwägung der Kapazitäten und Möglichkeiten der Investoren rückt dabei in den Vordergrund. Falls dieser sichergestellt ist, können der erwartete strategische Aufschlag auf den Kaufpreis, zukünftige Entwicklungspotenziale und Synergien die zusätzlichen Aufwendungen wie auch Risiken des Transaktionsprozesses aufwiegen und so eine Einbeziehung chinesischer Investoren sinnvoll machen.
Der Beitrag erscheint auch in der Unternehmeredition Ausgabe 3/2021.
Christian Berkhoff
Christian Berkhoff (li.) ist Managing Partner bei Argonas Corporate Finance. Er berät Mandanten bei Finanzierungs- und M&A-Projekten. Vor Argonas war er unter anderem für Dresdner Kleinwort und JP Morgan tätig.
Sebastian Bauch
Sebastian Bauch ist Executive Director bei Argonas Corporate Finance und berät Mandanten insbesondere bei M&A-Projekten. Vor Argonas war er unter anderem für KPMG und IEG tätig.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch