3 Fragen an: Dr. Michael Drill (Lincoln International AG)

Dr. Michael Drill ist Vorstandsvorsitzender der Lincoln International AG mit Sitz in Frankfurt und strategischer sowie operativer Leiter des Geschäfts in der DACH- und Benelux-Region.

Von den ersten chinesischen Outbound-Investments über die Boomphase mit mehr als 100 Cross-Border-M&A Deals jährlich bis zu den aktuellen „Krisen“ rund um COVID, Reisebeschränkungen und geopolitischen Unsicherheiten ist viel passiert. Beschreiben Sie uns als China-Kenner mal die aktuelle Lage im Investmentgeschäft zwischen China und Deutschland!

Aufgrund der aktuellen makroökonomischen und politischen Rahmenbedingungen scheinen chinesisch-deutsche M&A-Vorhaben bei vielen deutschen Geschäftsleuten derzeit nicht en vogue zu sein. Einerseits zeigt die chinesische Wirtschaft – nicht zuletzt wegen der strickten Null-Covid-Politik deutliche Schwächezeichen. Das für 2022 ursprünglich angestrebte 5,5 Prozent Wirtschaftswachstum scheint aus heutiger Sicht nicht mehr realistisch. Und auf der anderen Seite zeigt sich, dass Transaktionen mit chinesischen Bietern nicht mehr einfach so von der Politik durchgewunken werden. Nach den gescheiterten Übernahmen des Werkzeugmaschinenherstellers Leitfeld in 2018 und der Funktechnikfirma IMST in 2020 hat das BMWi dieses Jahr die Übernahme des Beatmungsherstellers Heyer Medical durch den chinesischen Aeonmed-Konzern aufgrund von Sicherheitsbedenken gestoppt.

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Dr. Michael Drill ist seit 25 Jahren ist der in den Bereichen M&A, öffentliche Übernahmen, Fairness Opinion und Ausgliederungen aktiv. Zu seinen Kunden gehören Großkonzerne, mittelständische Familienunternehmen und Private-Equity-Gruppen.

Der Bezug zu China ist für Sie auch heute noch Kernkompetenz und Geschäftskonzept zugleich. Warum wird Beteiligungsgeschäft zwischen Deutschland und China bleiben, auch wenn die Beziehungen wieder sehr „politisch“ geworden sind?

Die Volksrepublik China ist für die deutsche Volkswirtschaft seit 2016 mit Abstand der wichtigster Handelspartner. Im Jahr 2021 wurden Waren im Wert von 245 Milliarden Euro zwischen Deutschland und China gehandelt, d.h. entweder importiert oder exportiert. Vor diesem Hintergrund erscheint es logisch und wichtig, dass dieser Warenstrom mit M&A-Transaktionen strukturell gefestigt wird. Während deutsche Großkonzerne in den vergangenen Jahren insgesamt einen nahezu dreistelligen Milliarden-Betrag in China insbesondere in Form von Greenfield-Operations investiert haben, dürften chinesische Konzerne bei Übernahmen in Deutschland erheblichen Nachholbedarf haben. Vor diesem Hintergrund erwarten wir auch künftig ein reges Interesse chinesischer Konzerne an Firmenübernahmen in Deutschland. Dieser Trend dürfte sich auch dadurch verstärken, dass die aktuellen Spannungen zwischen China und den USA den Fokus chinesischer Konzerne auf Europa – und hierbei insbesondere Deutschland – richten wird.

Das Modell des „German Mittelstand“ und auch unsere mittelständischen Unternehmer-Persönlichkeiten werden von den Menschen in China unglaublich geschätzt, dies auch im Vergleich zu Unternehmen aus den USA oder manchem europäischen Nachbarn. Hat sich hieran in den letzten Jahren etwas geändert, oder werden wir (nach Ende der Reisebeschränkungen) auch wieder in gleichem Maße mit offenen Armen empfangen werden?

Ich persönlich beobachte, dass chinesische Manager und Investoren nach wie vor nicht nur vom deutschen Ingenieurswesen, sondern ebenso von der deutschen Geschäftskultur sehr angetan sind. „Made in Germany“ dürfte auch künftig auf dem riesigen chinesischen Absatzmarkt ein entscheidender Wettbewerbsvorteil darstellen. Unsere aktuelle Deal-Pipeline sowie die zahlreichen Gespräche, die meine Kollegen und ich mit chinesischen Konzernen führen, belegen nach wie vor eine hohe Wertschätzung deutscher Firmen in China.

Dr. Michael Drill

Dr. Michael R. Drill ist Vorstandsvorsitzender der Lincoln International AG, einer auf M&A-Beratung spezialisierten Investmentbank mit weltweit über 850 Professionals und über 20 eigenen Büros in den größten Volkswirtschaften der Welt. Im Jahr 2022 hat Lincoln International weltweit mehr als 250 M&A-Transaktionen erfolgreich abgeschlossen. www.lincolninternational.com