Botschaft der Botschafterin

Deutschland China CAI

Sie ist da. Endlich. Nach Monaten hat Deutschland wieder einen Botschafter in China. Eine Botschafterin, um es genau zu sagen.

Mit einer Video-Botschaft hat sich Patricia Flor am vergangenen Wochenende den Chinesen vorgestellt und dabei nicht nur die Ziele für ihre Arbeit abgesteckt. Dass sie gleichzeitig China als Land mit einer Jahrtausende alten Kultur gewürdigt und angekündigt hat, so bald wie möglich die archäologische Entdeckung des Jahres 2021, Sanxingdui in Sichuan, besuchen zu wollen, hat ihr die Herzen vieler Chinesen entgegenfliegen lassen. Das Video wurde in den ersten Tagen zehntausende Male geklickt. Und in den sozialen Netzwerken zigmal geteilt.

Eine interessante Herausforderung sei es für sie, erklärte die Botschafterin, die künftigen Beziehungen Deutschlands zu China, das „eine wachsende weltpolitische Rolle im 21. Jahrhundert spielt“, mitzugestalten. Dabei könne auf dem in den vergangenen Jahrzehnten Erreichten aufgebaut werden. Intensive Beziehungen haben sich in allen Bereichen – von der Wirtschaft bis zum gesellschaftlichen Dialog – entwickelt. Das mache das Potenzial deutlich, sagt sie, um mit einem „Aber“ anzuschließen: Die Veränderungen in der globalen Welt hätten Unterschiede in den Bewertungen bestimmter Entwicklungen in der jüngsten Vergangenheit deutlich gemacht. Gleichzeitig gebe es Herausforderungen, die nicht im Alleingang bewältigt werden können. Die Klimakatastrophe zum Beispiel, oder die Friedenssicherung. Das seien alles Bereiche, in denen Chinas Einfluss zunimmt, stellt Patricia Flor fest.

Sie wolle dazu beitragen, eine neue Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China zu finden, und erwähnt die „China-Strategie“ Deutschlands, die sie allerdings nicht weiter ausführt.

Findet Deutschland einen eigenen Weg?

Spannend dürfte allerdings werden, in welche Richtung der Zug fährt. Und wer der Zugfahrer ist. Folgt Deutschland dem Willen des amerikanischen Präsidenten, der China gleich hinter Russland als größte strategische Bedrohung (und selbstverständlichem wirtschaftlichen Konkurrenten) sieht? Oder findet Deutschland – in Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern – eine eigene Strategie, die europäischen, nicht amerikanischen Interessen entspricht? Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet dies eben nicht, sich zu entkoppeln, sondern zu kooperieren und zu ergänzen.

Worauf es hinausläuft, macht eine Einschätzung der MERICS-Expertin Helena Legarda nach dem jüngsten G20-Gipfel im indonesischen Bali deutlich. China wolle mit westlichen Ländern zusammenarbeiten, sagt sie, aber „nur solange sich diese an Pekings rote Linien und Forderungen halten“. In ihrer Video-Botschaft formuliert die deutsche Botschafterin etwas ähnliches. Spiegelverkehrt allerdings. Sie verweist auf europäische Werte und nachvollziehbare Regeln, die Voraussetzung und Basis für künftig fruchtvolle Kooperationen zum beiderseitigen Nutzen sein müssten.

Nun mag es in Europa zwar Commonsense sein, dass nur die europäischen Werte die einzigen universellen sind. Außerhalb Europas ist es nicht überall so. Europäer wollen nicht, dass andere diktieren, gleichzeitig diktieren sie aber gern. Wenn wir nicht bereit sind, zu akzeptieren, dass andere Länder aufgrund unterschiedlichster historischer Erfahrungen andere Werte haben, wird ein Zusammenleben im Interesse aller künftig nicht einfacher, sondern komplizierter. Auf der Strecke bleibt dann die Lösung von Problemen, die tatsächlich eine universelle Notwendigkeit ist. Die Rettung des Klimas oder die Bekämpfung von Armut und Hunger, um nur diese beiden zu nennen.

Peter Tichauer

Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.