Chinas Halbleiterbranche boomt – US-Sanktionen gehen nach hinten los

Für u.a. Huawei sind die US-Sanktionen der Anstoß, die Chip-Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen – und damit Weltmarktführer zu werden. Von Yanxiu Gu*

Seit 2019 übt die US-Regierung Druck auf weltweit führende Halbleiterunternehmen aus, um zu verhindern, dass China hochmoderne Halbleitertechnologie und -ausrüstung erwirbt. Für Huawei ist das jedoch der Anstoß, die Chip-Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen.

Das niederländische Unternehmen ASML kann seine EUV-Lithographiesysteme nicht mehr nach China verkaufen. So kann China, Experten zufolge, keine High-End-Chips mit 7nm oder kleiner mehr herstellen. In dem neuen 5G-Smartphone des chinesischen Technologiekonzerns (Mate 60 Serie) ist der in China hergestellte High-End-Chip Kirin 9000S verbaut. Experten der Beratungsfirme TechInsights zufolge wurde dafür die 7nm-Prozessortechnologie des modernsten chinesischen Herstellers SMIC eingesetzt.

In China hat das die Begeisterung für und das Vertrauen in die heimische Innovationskraft gestärkt. Huawei kann so seinem Hauptkonkurrenten Apple in China immer mehr Marktanteile abnehmen. Huawei war bis zu den Sanktionen der USA die Nummer 1 in China und der zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt. Die Markteinführung der neuesten Smartphones dürfte Huawei wieder zum größten Smartphone-Hersteller Chinas machen. In der ersten Oktoberwoche überholte Huawei gemessen an Smartphone-Verkäufen Apple, Honor und Xiaomi und wurde zur gefragtesten Marke.

US-Sanktionen verpuffen

Mit 1.000 bis 3.000 verbauten Chips ähneln Elektroautos riesigen PCs und Smartphones. Als Huawei Anfang des Jahres in den Markt eingestiegen ist, war nicht klar, inwiefern Huawei einen Wettbewerbsvorteil gegenüber etablierten Marken wie BYD, Tesla oder Li Auto haben würde. Der Durchbruch Huaweis mit dem Kirin 9000S hat jedoch das Vertrauen der Verbraucher in die Produkte des Unternehmens deutlich gestärkt. Beispielsweise ist Huaweis neuer Elektro-Geländewagen M7 direkt zu einem ernsthaften Konkurrenten für andere chinesische Marken geworden. In 25 Tagen gingen bei Huawei mehr als 50.000 Bestellungen für Elektroautos ein. Das übertraf selbst die eigenen Erwartungen von 8.000 Bestellungen pro Monat vor.

Die chinesische Regierung ist bereit, unbegrenzt viel in die Forschung der Halbleiterindustrie zu investieren seit die US-Sanktionen die modernsten Lithographieanlagen beinhalten. Davor war die Bereitschaft in Innovation zu investieren bei chinesischen Unternehmen gering, waren sie doch vergleichsweise günstig zu kaufen. Das wird heute kritisch gesehen, die Haltung ist naiv gewesen. Chinesische Unternehmen schrecken geringere Gewinnmargen oder sogar Gewinneinbußen nicht ab, solange sie weiterhin auf die finanzielle und regulatorische Unterstützung der chinesischen Regierung zählen können. Laut Reuters plant diese einen zusätzlichen Fonds mit einem Volumen von 300 Mrd. Yuan (41 Mrd. USD), um der Halbleiterindustrie neues Leben einzuhauchen.

Der 7nm-Chip Kirin 9000S ist ein Meilenstein im Kampf Chinas gegen die US-Sanktionen. Die Kapitalstärke Chinas, die vorhandenen Fachkräfte und die enorme Binnennachfrage bieten eine gute Grundlage, anstehende Herausforderungen zu meistern. Schließlich ist China der größte Halbleitermarkt der Welt und die riesige Binnennachfrage ermöglicht etwa bei Elektroautos und Photovoltaik, von Skalenvorteilen zu profitieren. Derweil ist mit weiteren Sanktionen der USA zu rechnen.

Aufgrund der Sanktionen erlangen einheimische Unternehmen mehr Marktanteile. Das zeigt sich auch bei Unternehmen wie Huawei, Alibaba und Baidu, die sich gezwungen sehen, auf inländische Anbieter zurückzugreifen. Bei fast der Hälfte aller Ausschreibungen chinesischer Foundries für Maschinenausrüstungen bekamen inländische Anbieter den Zuschlag.

US-Sanktionen verpuffen

Ähnlich wie Taiwan seit 50 Jahren den Chiphersteller TSMC fördert, wird auch China lokale Unternehmen massiv unterstützen. Durch die US-Beschränkungen für Technologieexporte müssen nachgelagerte Technologieunternehmen wie Huawei kostenintensive Innovationssprünge unternehmen. Vorgelagerte Branchen und Ausrüster aus China gehören jedoch eindeutig zu den Profiteuren. Der Kurs des Herstellers von Ätzanlagen für integrierte Schaltkreise AMEC ist seit Jahresbeginn um 63% gestiegen. Die Produkte werden weltweit an führende Unternehmen verkauft. Der Technologiewettlauf zwischen China und den USA wird so schnell nicht enden. Anleger jedoch könnten sich gute Chancen entgehen lassen, wenn sie sich von diesen Aktien abwenden.

*) Yanxiu Gu ist Produktspezialistin für chinesische Aktien bei ODDO BHF Asset Management

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Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams sowie verantwortlich für das Anleiheportal BondGuide (www.bondguide.de)