Ende der Globalisierung?

Deutschland China CAI

Der Markt richtet es. Das ist der Glaubenssatz, mit dem wir groß geworden sind und der als unumstößlich galt. Die Debatten der vergangenen Wochen und Monate in Deutschland verfolgend, entsteht der Eindruck, was einmal als absolute Wahrheit galt, trifft nicht mehr zu. Politiker von Baerbock über Habeck bis Röttgen scheinen angetreten zu sein, alte Gesetzmäßigkeiten über den Haufen zu werfen und, politisch motiviert, den Markt nach ihren Vorstellungen neu zu gestalten. Unter anderem die Zukunft der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China. Von PETER TICHAUER

Seitdem die Corona-Pandemie so einiges in den globalen wirtschaftlichen Kreisläufen durcheinandergewirbelt hat, spätestens aber seit Beginn des Ukraine-Krieges und einer gleichzeitig herbeigeredeten (oder provozierten) Konfrontation im Südchinesischen Meer wird der politische Ruf nach einer neuen deutschen China-Strategie immer lauter. Nun ist ja grundsätzlich nicht verkehrt, Strategien veränderten Bedingungen anzupassen. Allerdings scheint es eher darum zu gehen, durch die Politik sanktioniert, sogenannte Abhängigkeiten von China abzubauen, während an das Land, das längst nicht mehr als Partner, sondern Rivale gesehen wird, der Vorwurf geht, sich abzukoppeln. Will die deutsche Politik die Globalisierung neu erfinden? Eine Globalisierung nur für Demokratien nach westlichen Vorstellungen?

Mit Erfolg wirtschaftlichen Interessen gefolgt

Nun dürfte außer Zweifel stehen, dass Deutschland zu den großen Profiteuren der Globalisierung gehört. China auch. Dass sich deutsche Unternehmen seit der Öffnung Chinas vor mehr als 40 Jahren in dem Land so stark engagierten und Teil des chinesischen Aufschwungs zu einer Wirtschaftsmacht von globaler Bedeutung wurden, war eine klare marktwirtschaftliche Entscheidung. Auch wenn bis heute politische Flankierung für den Erfolg in China eine gewisse Bedeutung haben, sind Volkswagen, Thyssen, BASF & Co. nicht in Strategien verpackten politischen Weisungen gefolgt, sondern handfesten wirtschaftlichen Interessen. Mit Erfolg. Da waren zunächst die günstigen Produktionsbedingungen und auch die Möglichkeit, in China bestimmte Entwicklungen machen zu können, die in Deutschland aus umweltpolitischen Gründen ein No-Go waren, wie etwa Vertreter von Chemieunternehmen sehr offen zugaben. Heute ist es vor allem das Potenzial des chinesischen Binnenmarktes, das weiterhin Gewinne verspricht, auch wenn sie nicht mehr in dem Maße steigen, wie in den Anfangsjahren des China-Engagements. Das ist jedoch ebenso normal, wie es normal ist, dass die chinesische Volkswirtschaft heute nicht mehr so wächst, wie wir es in den 1990ern noch gewohnt waren. Auf einem bestimmten Entwicklungsniveau sind zweistellige Wachstumsraten einfach nicht mehr realistisch, wobei jedem klar sein dürfte, ein vierprozentiges Wachstum heute bedeutet einen höheren Zuwachs an Wirtschaftsleistung als ein zehnprozentiges vor einem Jahrzehnt.

Größter Fehler wäre, in China nicht präsent zu sein

Jörg Wuttke, der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, hat kürzlich in einem Interview sinngemäß gesagt, der größte Fehler wäre, in China nicht präsent zu sein. Dass sich deutsche Unternehmer durchaus Gedanken machen, wie sie sich künftig aufstellen und auf ein sich verändertes Geschäftsumfeld einstellen, ist eigentlich selbstverständlich. Unternehmensstrategien müssen kontinuierlich angepasst werden. Gerade jetzt ist dies erforderlich. Das chinesische Geschäftsumfeld war nie einfach. Heute trifft es umso mehr zu. Allein das Festhalten an den strengen Corona-Regeln kann jederzeit zu Beeinträchtigungen des Tagesgeschäfts führen, wie wir vor einigen Wochen in Shanghai erfahren konnten. So ist es zweifellos sinnvoll, weitere Standbeine aufzubauen, in den asiatisch-pazifischen Nachbarländern, auch in Europa. Abgesehen davon, dass dies nicht von heute auf morgen zu bewältigen ist, wird der chinesische Markt auch künftig ein entscheidender Baustein in den Wirtschaftsstrategien internationaler Unternehmen bleiben. Klar ist auch, nicht an den Berliner Regierungstischen werden Marktstrategien entwickelt, sondern in den Führungsetagen der Firmen, wo, wie zu hoffen ist, auch gut zugehört wird, was die Manager sagen, die das Tagesgeschäft in China bewältigen.

Peter Tichauer

Peter Tichauerist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.