Durch digitale Formate eröffnen sich herausragende Möglichkeiten

Digitaler Wandel stützt Chinas Wachstum
Quelle: Adobe Stock; © WrightStudio

Der Aufbau einer Präsenz ist für viele der Schlüssel zu Wachstum in und durch China. Sebastian Hoffmann, Manager des German Desk bei Hawksford, gibt dafür Tipps und Hintergründe: Vom Firmengründen ohne vor Ort zu sein über wichtige Regularien und Verordnungen und regionale Unterschiede bis hin zu Besonderheiten beim Aufbau einer E-Commerce Struktur. Das Interview führte GEORG VON STEIN

Bisher ging das in China/Shanghai nur mit einer vor Ort Präsenz. Jetzt lässt sich das (Unternehmen/Projekt/Investition) auch aus der Distanz verwirklichen. Was hat sich geändert und wie funktioniert das?

Hoffmann: In Anbetracht der Corona bedingten Reisebeschränkungen konnten Verantwortliche und Entscheidungsträger nicht physisch in China anwesend sein. Der traditionelle Bankkontoeröffnungsprozess erfordert aber normalerweise die Anwesenheit eines gesetzlichen Vertreters. Da die Einreise nach wie vor umfangreichen Bedingungen unterliegt, ist dieser Prozess für die Mehrheit der Investoren möglicherweise nicht mehr vollumfänglich realisierbar. Als Alternative haben einige Banken in China Videokonferenzen eingeführt, um die Identität des gesetzlichen Vertreters auf diese Weise zu überprüfen. Alternativ kann die Nominierung einer verantwortlichen Finanzperson -FRP- und eines gesetzlichen Vertreters -Legal Rep.- auch in Abwesenheit des Investors die Eröffnung von Bankkonten sowie die ordnungsgemäße Steuerregistrierung ermöglichen. In diesem Fall würden sich die autorisierten Personen vor Ort im Auftrag des Unternehmens mit Pass bzw.ID und zugehöriger lokaler Mobilfunknummer, welche zur Kontaktaufnahme mit den Behörden zwingend notwendig ist, ausweisen.

Welche weiteren Möglichkeiten gibt es sonst noch für Gründer und Investoren, um einen Standort aufzubauen?

In Shanghais Freihandelszone kann man bereits seit vielen Jahren eine Firma ohne physische Büropräsenz gründen. In diesem Fall wird im Antragsverfahren eine virtuelle Adresse als rechtsverbindliche Adresse des Unternehmens hinterlegt. Dies bedeutet, dass Geschäftsinhaber sogar entsprechende Lizenzen beantragen können, ohne über physische Büroräume zu verfügen. Die virtuelle Adresse wird von den Behörden der Freihandelszone zusammen mit den relevanten Unterlagen zur Verfügung gestellt, um den internen Bankkontoeröffnungs- und Compliance-Prozess zu durchlaufen. Sie wird auch von den lokalen Banken anerkannt, da es sich um eine von den Behörden ordnungsgemäß bereitgestellte echte Adresse handelt, unter der mehrere Firmen registriert sind – womit der Begriff virtuell nur im übertragenen Sinne zu verstehen ist. Derzeit ist diese Lösung speziell für ausgewählte Freihandelszonen in Städten wie Shanghai oder Shenzhen verfügbar. Man sollte jedoch beachten, dass diese Lösung nicht von allen Unternehmungen in Anspruch genommen werden kann. So sind Gründungen, welche beispielsweise gesonderte Genehmigungen oder Lagerräume benötigen, von dieser Möglichkeit ausgenommen. Es lohnt sich also, regelmäßig Updates zu neuen Richtlinien im Auge zu behalten, da diese Lösung möglicherweise auch für andere Provinzen, vorrangig in gesonderten Wirtschaftszonen, weiter an Relevanz gewinnen könnte.

Wie schaffen es Unternehmer, Gründer und Investoren sich gut in Shanghai/der Greater Bay Area/bzw. einer der wichtigen Gegenden zu positionieren?

Bei der Positionierung hinsichtlich des Standortes sollten Investoren vor allem Ihre Wertschöpfungskette im Auge behalten. Kurze Wege bedeuten einen signifikanten Preisvorteil, beispielsweise bei R&D-Projekten. Die Montage eines Prototyps kann in der Greater Bay Area oft innerhalb von weniger als 2 Stunden erfolgen. Im Vergleich zu anderen globalen Produktionszentren bedeutet dies nicht selten einen Preisvorteil um Faktor zehn oder zwanzig, woran KI-betriebene Produktionslinien einen entscheidenden Einfluss haben. Unternehmen, die innerhalb von Freihandelszonen registriert sind, können von einer vereinfachten Zollabfertigung profitieren. Bei der Auswahl des Standortes sollte ein besonderes Augenmerk auf das bereits bestehende Netzwerk, zukünftige Absatzregionen sowie auf den Zugang zu industriespezifischen Talenten Wert gelegt werden. In der Wirtschaftsregion Shanghai bzw. der Greater Bay Area lässt sich all das hervorragend realisieren.

In welchen Branchen sehen Sie aktuell den größten Zustrom in der Shanghai/der Greater Bay Area oder einer anderen Gegend, die Sie für wichtig halten?

Als Bestandteil der Belt and Road Initiative ist der Entwicklungsplan zur Greater Bay Area auch in den kommenden Jahren von zentraler nationaler Bedeutung. Dabei werden sich Hongkong und Shanghai in der Rolle als Finanzzentren weiterentwickeln und ihre Standortvorteile in Technologie und Innovation einbringen. Macau wird sich auf Tourismus und Freizeit konzentrieren, Guangzhou hingegen möchte den Status des nationalen Hubs für Verkehr und Handel stärken. Ein Großteil der ausländischen Ankünfte wird bereits über Guangzhou abgewickelt. Shenzhen wird seine Rolle als globales Innovationszentrum weiter festigen und ausbauen. Langfristig werden alle fünf Wirtschaftszentren dazu beitragen, den Markt für ausländische Direktinvestitionen weiter zu öffnen. Die Herausforderung für die Zukunft der deutschen Unternehmen besteht darin, sich im mittleren Preissegment, in dem die Nachfrage gerade in Schwellenländern höher ist, zu etablieren, ohne gleichzeitig die Premium-Identität der Marke zu verlieren. Durch Kostensteigerungen in Lohn und Unterhalt wird aber auch Südostasien weiter an Bedeutung gewinnen. Diese Entwicklung ist langfristig gesehen positiv für die Unternehmen, da durch die Diversifikation eine zu große Abhängigkeit von einzelnen Märkten vermieden werden kann. Die nachfolgende Grafik der internationalen Expansionsmodelle kann dabei eine erste Orientierungsgrundlage für Investoren darstellen.

Abbildung: Möglichkeiten des Unternehmenswachstums

Expansionsmodell Vorteile Nachteile
     
Export Schneller unkomplizierter Einstieg, geringes Risiko Geringe Kontrolle, geringes lokales Wissen, mögliche negative Umweltauswirkungen der Logistik
Lizenzierung/ Franchising Schneller Einstieg, niedrige Kosten, geringes Risiko Weniger Kontrolle, Lizenznehmer kann zum Wettbewerber werden, rechtliches und regulatorisches Umfeld (IP- und Vertragsrecht) muss wasserdicht sein
Strategische Partnerschaft Gemeinsame Kosten reduzieren Investitionsbedarf & Risiko, auch als lokale Einheit betrachtet Höhere Kosten als Export, Lizenzierung oder Franchising; Integrationsprobleme zwischen zwei Unternehmenskulturen

 

Welche weiteren Tipps haben Sie für Investoren, die das Thema going China angehen?

Für chinesische Konsumenten steht mehr und mehr das Einkaufserlebnis im Vordergrund. Durch digitale Formate eröffnen sich hier herausragende Möglichkeiten, um die aufstrebende Bevölkerungsschicht ohne Umwege auf den präferierten Formaten direkt anzusprechen. Firmen müssen dafür neben der lokalen Geschäftskultur auch die geltenden Regularien und Verordnungen verstehen und anwenden können. Eventuell sind je nach Tätigkeitsfeld entsprechende Lizenzen notwendig. Auch das Gefühl über den Markt und die Käuferpräferenzen sind wichtig. Im Offline-Einzelhandel beispielsweise bieten sich dafür Testläufe über spezielle Marketingaktionen (z.B. temporäre Pop-up Shops in Einkaufszentren) im Ballungsraum großer Point-of-Sales Einzugsgebiete an. Für Online-Einzelhändler bedeutet dies, sich beispielsweise über das regionale Nutzerverhalten auf digitalen Vertriebsplattformen auseinanderzusetzen. So dominiert JD.com beispielsweise in den einkommensstärkeren Tier 1 & Tier 2 Städten, hingegen wird die E-Commerce Plattform Pindoudou hauptsächlich von Bewohnern der Tier 3 Städte und abwärts davon genutzt. Dies hat, neben Markenpräferenzen, auch mit unterschiedlichen Einkommensklassifizierungen sowie der Präferenz hin zu Gruppeneinkäufen für größtmögliche Rabatte zu tun. Wissen über solche Besonderheiten ist demnach von elementarer Bedeutung, um seine Zielgruppe beim Markteintritt ohne Umwege anzusprechen. Dies hilft ein erstes Gefühl für den Markt zu bekommen, bevor man mit größeren Investitionen eine überregionale Verkaufsstrategie ausrollt.

Sebastian Hoffmann
Senior Sales & Business Development Associate at Hawksford

Sebastian Hoffmann leitet den Hawksford German Desk in China. Das Unternehmen berät seit 2009 ­Unternehmer, KMU und multi­natio­nale Unternehmen bei ihren geschäftlichen Bestrebungen in der Volksrepublik China und verfügt über langjährige Branchenerfahrung u.a. in den ­Bereichen Technologie, Maschinenbau, Einzelhandel, Baugewerbe, chemisch-pharmazeutische Industrie, Elektrotechnik, Metallerzeugung sowie Kunststoff- und Papierindustrie.

Georg von Stein

Dipl.-Kfm. Georg von Stein arbeitet seit 28 Jahren als Journalist. In dieser Zeit hat er Beiträge für die unterschiedlichsten Medien (Wirtschaft, IT, Lifestyle) publiziert und viele Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft und Politik interviewt - Bundespräsidenten, Unternehmer, CEOs. Seit 2004 arbeitet er für den Goingpublic Verlag und als Nachfolger für Stefan Gätzner wirkt er seit 2019 als Chefredakteur der Investment Plattform China Deutschland.