Fortschritt nur durch Wettbewerb

Bundesverkehrsminister Volker Wissing soll kürzlich, so wurde mir erzählt, bei einem Empfang in Peking gesagt haben, ‚wir brauchen Wettbewerb‘.

So richtig wollte ich es nicht glauben. Eine Binsenweisheit ist es, so sollte man meinen. Und doch entsteht in jüngster Zeit zunehmend der Eindruck, in der EU ist Wettbewerb nicht mehr en vogue. Jedenfalls nicht dann, wenn Länder Wettbewerber sind, die wie China ihr Handwerk zum großen Teil von Unternehmen aus entwickelten Industrieländern gelernt haben und nun hier und da einen Schritt weiter sind. Wenn der Lehrling besser als der Meister wird.

Zu erleben ist dies gerade bei Elektroautos, deren Anteil auf europäischen Straßen deutlich steigen muss, um die sogenannte grüne Wende zum Erfolg zu bringen. Aber bitte nicht made in China. Chinesische Hersteller von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben würden gerade die europäischen Märkte fluten, wird behauptet, auch wenn Europas Statistiken etwas anderes aussagen. Danach stammten im vergangenen Jahr 19,5% aller in der EU verkauften Elektrofahrzeuge aus China. Davon waren wiederum nur 7,9% chinesische Marken. Diese scheinen bei Europas Autofahrern aber zunehmend beliebt zu werden, weil sie in Technik und Design Fahrzeugen europäischer Hersteller in Nichts nachstehen, sie hier oder dort sogar ausstechen – und für ‚Otto-Normalverbraucher‘ erschwinglich sind.

Das ist das Problem. Und das Urteil in der Europäischen Kommission steht auch fest: Erschwinglich können die chinesischen Autos nur sein, weil sie vom Staat ‚ungerechtfertigt‘ subventioniert werden. Dass Investitionen in technologische Innovationen zu günstigeren Herstellungskosten führen, diese einfache Logik wird ausgeblendet. Denn es kann nicht sein, was nicht sein soll.

Wettbewerb statt Einigelung
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Entsprechend die Reaktion der EU: Zölle auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge, damit sie auf dem europäischen Markt nicht günstiger angeboten werden können als Fahrzeuge, die in Europa vom Band rollen. Als ‚Strafzölle‘ betrachtet sie China. Ein ‚Aufschlag‘ sei dies lediglich, so der deutsche Wirtschaftsminister gegenüber seinem chinesischen Amtskollegen vor einigen Wochen.

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Welcher Name auch immer dem Kinde gegeben wird, ob Strafzoll oder Aufschlag, den Siegeszug der chinesischen Produktion von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben einschließlich der gesamten Zulieferindustrie wird das nicht aufhalten. Wie sich dereinst japanische und koreanische Hersteller Widerständen europäischer Traditionsfirmen zum Trotz auf dem europäischen Markt behauptet haben, wird dies in den kommenden Jahren auch chinesischen gelingen. Prophet muss man dazu mitnichten sein. Der chinesische Vorteil ist zudem, dass sie nicht traditioneller Technologie die Stirn bieten, sondern mit neuer sich einen Platz erobern wollen.

Eigentlich müsste die Europäische Kommission, anstatt in die Mottenkiste der Sanktionen welcher Art auch immer zu greifen, dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen in Europa optimiert werden, dass Innovation gefördert wird, dass technischer Fortschritt eine Chance hat und für die Allgemeinheit erschwinglich ist. Nicht das Verhindern sollte das Motiv sein, sondern Fördern, und zwar den Wettbewerb. Wir sollten uns wieder stärker darauf besinnen, dass Fortschritt nur im Wettbewerb zu erreichen ist. Deshalb müssen Binsenweisheiten eben doch öfter wiederholt werden. In dieser Frage hat Volker Wissing jedenfalls Recht.

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Ausgabe 3/2023 Biotechnologie 2023 der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Peter Tichauer

Peter Tichauer  ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.