Was kümmert Unternehmer die Politik?

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Anstatt gemeinsam die Zukunft zu gestalten, sich vom Fortschritt abkoppeln – wem dient das? Westliche Unternehmer haben die Frage längst beantwortet.

Die Schlagzeile sagt alles. So viele US-amerikanische Aussteller wie noch nie suchen auf der am Sonntag eröffneten Import-Messe in Shanghai (CIIE) neue Geschäftsmöglichkeiten, berichten die Organisatoren. Mehr als 200 seien es. Verkaufen wollen sie nicht Null-Acht-Fünfzehn-Waren, sondern Hightech – Halbleiter, medizinische Geräte, alles rund um Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Trotz der Bemühungen der Washingtoner Regierung, China den Zugriff auf ‚sensible‘ Waren und Ausrüstungen, die technologischen Fortschritt sichern, zu erschweren oder unmöglich zu machen.

Was kümmern die Unternehmen die Rankespiele der Politiker, die offenbar weniger vom Wohl der einheimischen Wirtschaft geleitet sind, denn von geostrategischen Interessen. In Deutschland sieht es nicht anders aus. Erst kürzlich waren Vertreter eines mittelständisches Leuchtmittelhersteller bei uns im Deutsch-Chinesischen Ökopark zu Besuch – auf der Suche nach einem geeigneten Standort, um dem China- und Asiengeschäft neuen Schwung zu verleihen. Die Frage, ob es derzeit nicht problematisch sei, zu entscheiden, nach China zu gehen, beantworteten die Manager sehr offen: Nicht politische Strategien interessierten sie, sondern die Zukunft des Unternehmens und das konkrete Geschäft. Was auch immer im grünen Bundeswirtschaftsministerium und im ebenso grünen Auswärtigen Amt beschlossen werde, für die Unternehmen ist entscheidend, wo sie erfolgreich Geschäfte machen können.

China gehört trotz aller Horrorszenarien, die in der deutschen Öffentlichkeit gezeichnet werden, nach wie vor dazu. Sicherlich ruckelt es gerade hier und dort, nach drei Jahren Pandemie ist es nicht einfach, wieder Tritt zu fassen. Immerhin wächst die Wirtschaft wieder. 5,0% sagte die Asiatische Entwicklungsbank in ihrer im Oktober aktualisierten Prognose für das laufende Jahr voraus. 2024 wird es ähnlich aussehen, so die Analyse. Dass parallel grüne Themen immer stärker in den Mittelpunkt rücken, Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnt, ist ein zusätzliches Plus für den chinesischen Markt. Und für internationale Anbieter.

Deshalb betonten Vertreter der Stadt München, ebenfalls auf Besuch im Ökopark, Bayern werde dem Berliner Abkopplungswahn nicht folgen – sondern sich vom Rest der Bundesrepublik abkoppeln. Die wirtschaftlichen Bande wolle man sich vom rot-grün-gelben Ego nicht kaputt machen lassen.

Am Ende haben die Unternehmen mehr zu verlieren als die Politiker, die ja irgendwann vom Souverän wieder ausgetauscht werden. Denn China wird nicht klein beigeben und auf halber Strecke stehen bleiben, nur weil das in Washington, Brüssel oder Berlin beschlossen wird. Im Gegenteil. Das Land wird noch intensiver eigene Technologien entwickeln – und die Welt überraschen. ‚Huawei Mate60‘-Momente wird es noch mehr geben. Ein wenig gleicht es dem Kinder-Trotz-Effekt: Verbote lassen die Fantasie wachsen, diese zu umgehen.

Anstatt gemeinsam die Zukunft zu gestalten, sich vom Fortschritt abzukoppeln – wem dient das? Westliche Unternehmer haben die Frage längst beantwortet.

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Peter Tichauer

Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.