China : die wichtigsten Erkenntnisse des 20. Parteitags

Das steht auf der Agenda des neuen 5-Jahres-Plans

Seither sind der Öffentlichkeit in China das neue Führungsteam für die nächsten fünf Jahre und das politische Konzept der Regierung für die langfristige Entwicklung bekannt.

Präsident Xi Jinping wird seine dritte Amtszeit antreten, während sechs weitere Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros, des höchsten Führungsgremiums des Landes, offenbar eng mit ihm zusammenarbeiten sollen und eine gemeinsame Vision zur Entwicklung des Landes teilen.

Wie erwartet konzentrierte sich Präsident Xi in seinem Bericht an den Kongress hauptsächlich auf die langfristige Agenda Chinas: Er setzt den in den vergangenen fünf Jahren eingeschlagenen politischen Kurs fort, ohne viele Details über die kurzfristige Politik preiszugeben.

Im Moment scheint es daher ratsam, davon auszugehen, dass die wirtschaftliche Unsicherheit anhält und damit auch die Risikoprämie der Anleger im Land beträchtlich erhöht bleibt: Die Volkswirtschaft hat immer noch mit Covid-19 zu kämpfen, während sich eine globale Rezession abzeichnet. Insgesamt bleiben wir angesichts der großen wirtschaftlichen Zwänge im Hinblick auf die Währung, Zinsen und Kredite vorsichtig.

Das steht auf der Agenda

– Die Konjunkturentwicklung hat weiterhin oberste Priorität, insbesondere ein qualitativ hochwertiges Wachstum. Dies steht im Einklang mit der Verlagerung des politischen Schwerpunkts von der Wachstumsgeschwindigkeit auf die Qualität des Wachstums, die vor fünf Jahren vom 19. Parteitag eingeleitet wurde. Das Wachstumsziel wurde in den vergangenen Jahren heruntergeschraubt, was der Regierung mehr Spielraum für Reformen und Maßnahmen zur Risikovermeidung verschafft hat, einschließlich der Regulierung verschiedener Wirtschaftssektoren, des Abbaus von Schulden und des Umweltschutzes.

Shanghai Transrapid Maglev magnetic levitation train station in ChinaIm Bericht des Präsidenten heißt es jedoch weiterhin, dass China bis 2035 das langfristige Wachstumsziel einer „moderat wohlhabenden“ Gesellschaft erreichen soll. Dies bedeutet eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von etwa 4% im kommenden Jahrzehnt. Darüber hinaus bekräftigte der Bericht die Absicht der Regierung, marktorientierte Reformen fortzusetzen, eine breitere und tiefere wirtschaftliche Öffnung zu fördern und den Privatsektor „unbeirrbar“ zu unterstützen.

Durch ein qualitativ hochwertiges Wachstum soll das Problem einer „unausgewogenen und unzureichenden Entwicklung“ angegangen werden. Zu den langfristigen Strategien des Berichts gehören:

Industrielle Modernisierung, fortgesetzte wirtschaftliche Öffnung gegenüber der Welt und Fokus auf Innovation, um die heimische Lieferkette und Technologie weiterzuentwickeln

„Gemeinsamer Wohlstand“ und Wiederbelebung des ländlichen Raums zur Verringerung der Einkommensungleichheit und des regionalen Entwicklungsgefälles

Nachhaltige Entwicklung zur Förderung eines umweltfreundlicheren Wachstums

Die Behörden haben diese Maßnahmen in den vergangenen Jahren wiederholt kommuniziert, so dass sie weiterhin den Erwartungen des Marktes entsprechen.

Stärkere Konzentration auf die Sicherheit. Das Konzept der „ganzheitlichen nationalen Sicherheit“ war ein Schlüsselwort in Xis Rede, wobei der Schwerpunkt auf Lebensmittel, Energie und Ressourcen, Lieferketten und Technologie lag. Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen und des Trends zur Deglobalisierung spiegelt der Fokus auf Sicherheit Chinas Reaktion auf den Paradigmenwechsel in der geopolitischen Landschaft wider. Wir erwarten in den kommenden Jahren weitere politische Unterstützung in diesen Bereichen.

Innovation als Kernstrategie der „Modernisierung im chinesischen Stil“. Dies steht im Einklang mit dem 14. Fünfjahresplan (2021-2025), der eine Stärkung der technologischen Kapazitäten des Landes vorsieht. In dem Bericht wird zugesagt, die Grundlagen- und Pionierforschung zu stärken und die technologische Innovation zu verbessern. Darüber hinaus wird in dem Bericht ein „offenes Innovationsökosystem“ gefordert, das auch die Förderung der internationalen Forschungszusammenarbeit beinhaltet. Nachdem die USA Ausfuhrkontrollen für Halbleiter der neuesten Generation nach China erlassen haben, besteht indes die Befürchtung, dass diese Kontrollen ein Vorbote für weitere und umfassendere Beschränkungen sein könnten. China wird folglich seine wissenschaftliche und technologische Eigenständigkeit erhöhen müssen.

Die verarbeitende Industrie soll wieder an Bedeutung gewinnen. Sie ist für China von entscheidender Wichtigkeit, wenn es darum geht, die Sicherheit der Lieferketten in einer sich deglobalisierenden Welt zu gewährleisten, und sie kann die Wettbewerbsfähigkeit Chinas weiter verbessern, insbesondere in der höherwertigen Produktion. In der Zwischenzeit wird die Herstellung von Gütern des unteren Marktsegments wahrscheinlich weiterhin abnehmen, da China bereits über ausreichende Kapazitäten verfügt. Da der 20. Parteitag zur „Sicherung der Lieferketten“ aufruft, wird sich die Politik darauf konzentrieren, schwache Glieder in den Lieferketten zu stärken oder zu beseitigen, die Modernisierung der Industrie voranzutreiben, fortschrittliche Produktions-Cluster aufzubauen und aufstrebende strategische Sektoren wie Hightech und erneuerbare Energien zu fördern. Wohin der Weg führt, zeigt sich darin, dass in den letzten zwei Jahren die Investitionsausgaben im verarbeitenden Gewerbe auf Kosten der Investitionen in das Immobilienanlagevermögen beschleunigt haben.

Die Reformen der vergangenen Jahre sollten weiterhin so ablaufen wie erwartet, doch sind Nachjustierungen wahrscheinlich. So wird in dem Bericht ein „proaktiver und stetiger“ Ansatz zur Dekarbonisierung gefordert. China wird wahrscheinlich einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, um neue Kapazitäten aufzubauen, bevor alte Strukturen der Energieversorgung stillgelegt werden. Während der Bericht des Parteitags nicht viel über die kurzfristige Politik verriet, etwa die Null-Covid-Politik und die Regulierung des Immobilienmarktes, erwarten wir in den kommenden Monaten einige Anpassungen der Politik, um Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen. Bekräftigt wurde, dass „Wohnraum zum Leben und nicht zur Spekulation dient“, was zeigt, dass die Regierung den einmal eingeschlagenen Weg der Regulierung des Wohnungsmarktes langfristig unverändert beibehalten will.

Wachstumsaussichten und Anlageperspektiven

Längerfristig dürfte sich das Wachstum in China zwar abschwächen, aber dennoch weitgehend stabil bleiben. Derweil wird die geeinte Führungsriege für politische Kontinuität sorgen. Auch wenn die Konjunkturentwicklung weiterhin oberste Priorität hat, gehen wir davon aus, dass die Regierung ein Gleichgewicht zwischen dem Erreichen wirtschaftlicher Ziele und ihrer Reformagenda finden will. Hightech- und umweltfreundliche Sektoren dürften von der Regierung verstärkt unterstützt werden, während Sektoren, die mit dem sozialen Wohlergehen verbunden sind, wie Bildung, Gesundheitswesen und Wohnungsbau, einer strengen Regulierung unterliegen sollen. Globale Anleger sollten außerdem das geopolitische Risiko im Auge behalten, da die vorsichtige Politik der Industrieländer und vieler Schwellenländer gegenüber China im Laufe der Zeit wahrscheinlich weiterhin zunehmen wird.

Mit Blick auf den chinesischen Immobilienmarkt bleiben wir besonders vorsichtig. Während einige politische Maßnahmen darauf abzielen, die Wohnungsnachfrage zu stützen, stecken viele private Bauträger immer noch weitgehend in großen Schwierigkeiten. Längerfristig werden der Bevölkerungsrückgang und die Verlangsamung der Urbanisierung wahrscheinlich zu einer abnehmenden Wohnungsnachfrage führen. Der Anteil des öffentlichen Wohnungsbaus zur Unterstützung der unteren Einkommensgruppen könnte hingegen steigen.

Kurzfristig interessieren uns Signale für die wirtschaftliche Öffnung Chinas. Auch wenn wir in dieser Hinsicht keine klare Strategie des Politbüros erkennen können, ist die Wiederöffnung irgendwann unvermeidlich. Die aufgestaute Nachfrage dürfte dann den wirtschaftlichen Aufschwung und zugleich eine Erholung der Finanzmärkte vorantreiben.

———————-

Die Ausgabe 3/2022 Biotechnologie 2022  der Plattform Life Sciences ist erschienen. Die Ausgabe kann bequem als e-Magazin oder pdf durchgeblättert oder heruntergeladen werden.

Schon unsere brandneue Krypto-Jahresausgabe 2022 (1. Jg., Erscheinungstermin Aug. 2022) gesehen?

Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams sowie verantwortlich für das Anleiheportal BondGuide (www.bondguide.de)