M&A in China – auch für den gehobenen Mittelstand?

In China dauert alles noch länger

M&A ist überall in der Welt von aufwändigen Prozessen geprägt und erfordert langfristiges Engagement. In China dauert aber alles noch länger. Die Verhandlungsphase ist besonders kritisch und häufig von wechselnden Fortschritten und Rückschlägen geprägt. Wer sich an der Ziellinie glaubt, muss in der nachfolgenden Sitzung häufig feststellen, dass der chinesische Verhandlungspartner wieder beim Punkt Null anfängt. Einmal gewonnene Positionen werden so wiederholt infrage gestellt. Wer Ungeduld zeigt, hat schon verloren. Wer nach der Abreise gefragt wird, sollte signalisieren: „Any time from now – depending on our forthcomings.“ Flexibilität ist angesagt. Für die Zeit vom Beginn der Sondierungen bis zu ihrem Abschluss (Closing) sollte man anderthalb Jahre kalkulieren. Das Durchpeitschen von Verträgen ist nicht zielführend: Dies wird erkauft durch längere Verhandlungen und führt im Extremfall zu später notwendigen Restrukturierungen. Wer sich ohne genau auf die Zahlen zu achten mit dem raschen Closing (Genehmigung der Verträge) am Ende wähnt, der irrt. Für manchen chinesischen Geschäftsmann ist das Closing erst der Beweis, dass man es ernst meint, und nun finge die ernstliche Verhandlung erst an. Vieles wird deshalb nach dem Closing wieder infrage gestellt, und wiederum ist Geduld angesagt, bis die emotionalen Verbindungen so stark geworden sind, dass sie halten. Ist dann Vertrauen in die lokalen Partner aufgebaut, beginnt die eigentliche Implementierungsphase, die gut und gerne wiederum ein Jahr dauern mag.

Die Sprachbarriere überwinden

Ein großes Problem ist die Sprache. Ein Mandarin sprechender Vertreter auf der eigenen Seite ist unerlässlich. Dieser kann die Brücke bilden zwischen den Verhandlungspartnern. Wichtig ist aber, dass die lokalen Partner auch Englisch sprechen, denn ohne eine gemeinsame Sprache kann das notwendige kulturelle Band nicht geknüpft werden. Entscheidend für die Implementierungsphase ist der Gewinn von chinesischem Schlüsselpersonal, das Englisch spricht. Der Personalsektor ist mittlerweile ausgesprochen eng, vor allem was die Befähigung zur Mitarbeit in einem international tätigen Unternehmen betrifft. Zur Implementierung zählt deshalb auch das Training chinesischer Schlüsselpersonen, zeitweise in der europäischen Muttergesellschaft. Dies dient auch dem Identitätsgewinn mit dem Mutterhaus, der unerlässlich ist, um Mitarbeiter längerfristig zu halten. Denn nun stellt sich ein weiteres Problem: Wie kann ich vermeiden, dass ausgebildete Leute nicht umgehend wieder das Unternehmen verlassen, bei einem chinesischen Konkurrenten anheuern und dabei Produkt- und Prozesswissen mitnehmen? Alternativ zu M&A auf einen Schlag bietet sich ein gradueller, aber zügiger Aufbau der chinesischen Präsenz an, zunächst etwa als Handelsniederlassung, dann zur Montage zugelieferter Komponenten, dann System-Engineering und Entwicklung lokaler Produkte und Lösungen. Dies erlaubt einen schrittweisen Identitätsgewinn für die chinesischen Mitarbeiter – volle Identität ist (wie andernorts) erst dann gegeben, wenn auch Forschung und Entwicklung in China gleichgewichtig präsent sind. Eine Grundregel lautet: Überkritische Marktanteile sind erst dann erreichbar, wenn das lokale Unternehmen auch über sämtliche Wertschöpfungsstufen verfügt. Wer dann aber in einem Kanton verwurzelt ist, hat noch nicht das Gesamtreich abgedeckt. Schrittweise muss dann über chinesische Handelshäuser oder eigene (mit Chinesen besetzte) Niederlassungen der relevante und wesentliche Teil des chinesischen Marktes erobert werden.

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