3 Fragen an: Dr. Christian Haug (Startup Factory China)

Dr. Christian Haug ist Partner und Deutschlandgeschäftsführer der Startup Factory China.

Von den ersten chinesischen Outbound-Investments über die Boomphase mit mehr als 100 Cross-Border-M&A Deals jährlich bis zu den aktuellen „Krisen“ rund um COVID, Reisebeschränkungen und geopolitischen Unsicherheiten ist viel passiert. Beschreiben Sie uns als China-Kenner mal die aktuelle Lage im Investmentgeschäft zwischen China und Deutschland!

Die COVID-Politik in China und der damit verbundene, fast zum Erliegen gekommene persönliche Austausch in beide Richtungen ist sicher der größte Hemmschuh für die Investitionstätigkeit. Das gilt besonders für kleinere und mittlere Unternehmen für die der Aufbau von Vertrauen in Geschäftsbeziehungen vor allem über persönliche Treffen funktioniert, weit mehr noch als für in China etablierte deutsche Konzerne mit starken chinesischen Organisationen. Sowohl in China als auch der EU gibt es darüber hinaus regulatorische Aktivitäten, die Investitionen zumindest nicht attraktiver machen, sei es die striktere Kontrolle bei chinesischen M&A Aktivitäten in Deutschland, oder die ausgebaute IT- und Daten-Gesetzgebung in China, die das grenzüberschreitende Nutzen von in China gesammelten Daten für deutsche Firmen gerade in Richtung digitaler Geschäftsmodelle erschweren.

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Dr. Christian Haug ist seit 20 Jahren in China unternehmerisch aktiv und unterstützt deutsche Mittelständler operativ beim Aufbau von Produktionsunternehmen und eigener Organisation in China.

Der Bezug zu China ist für Sie auch heute noch Kernkompetenz und Geschäftskonzept zugleich. Warum wird Beteiligungsgeschäft zwischen Deutschland und China bleiben, auch wenn die Beziehungen wieder sehr „politisch“ geworden sind?

Der asiatische Markt wird allein auf Grund der Zahl der Konsumenten immer wichtiger und die asiatischen Staaten haben einiges getan um über Freihandelsabkommen, zuletzt RCEP, auch institutionell eine Art Binnenmarkt zu entwickeln. China ist trotz Japan, Südkorea oder Indien der zentrale Akteur, ob uns das „politisch“ gefällt oder nicht. Wir erleben chinesische Unternehmen immer öfter als Wettbewerber z.B. für jeden sichtbar beim Bau von Akkus und Elektromobilität aber auch im Maschinenbau, übersehen aber noch immer oft die zunehmende Innovationsstärke dieser Unternehmen. Auch wenn Produktentwicklungen dort oft eher inkrementell verlaufen, so sind die sehr schnellen, kundenzentrierten Entwicklungszyklen chinesischer Unternehmen ein herausragendes Beispiel für Adaption, Umsetzung und Kundennähe. Nur wer vor Ort ist wird die Stärken und Schwächen der Konkurrenz beurteilen können, von Geschwindigkeit und Innovationen lernen können und in seine weltweite Strategie mit einbeziehen. Chinesische Produkte, Innovation, Wettbewerber und Partner auf dem Radar zu haben, wird unerlässlich sein, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu bewahren oder auszubauen.

Das Modell des „German Mittelstand“ und auch unsere mittelständischen Unternehmer-Persönlichkeiten werden von den Menschen in China unglaublich geschätzt, dies auch im Vergleich zu Unternehmen aus den USA oder manchem europäischen Nachbarn. Hat sich hieran in den letzten Jahren etwas geändert, oder werden wir (nach Ende der Reisebeschränkungen) auch wieder in gleichem Maße mit offenen Armen empfangen werden?

Je weniger direkten persönlichen Kontakt man hat, umso weniger weiß man voneinander und die Gefahr von Fehlinterpretationen steigt. Diese Tendenz wird verstärkt durch den vom USA-China Handelskonflikt verstärkten Nationalismus in China, wie auch vom hier in Deutschland oft sehr stark simplifizierten Chinabild, das der Vielschichtigkeit des Landes und ihrer Herausforderungen oft nicht gerecht wird. Diese Entwicklungen machen Sorgen, aber dennoch bin ich guten Mutes, dass sobald wir wieder mit weniger Einschränkungen nach China und umgekehrt auch Chinesen wieder nach Deutschland reisen können, wir die gegenseitige Wertschätzung wieder stärken können.

Dr. Christian Haug
Startup Factory China

Dr. Christian Haug ist Partner und Deutschlandgeschäftsführer der Startup Factory China, einem ­Geschäftsinkubator für mittelständische, deutsche Unternehmen in China und der Smart Factory Kunshan, eines vom BMWi und MIIT ausgewählten, bilateralen Leuchtturmprojekt zur intelligenten Fertigung. Er ist seit 20 Jahren in China unternehmerisch aktiv und unterstützt deutsche ­Mittelständler operativ beim Aufbau von Produktionsunternehmen und eigener Organisation in China.