Chinesische Konsumenten geben gerne Geld für Importwaren aus

Heiß umkämpft: Junge chinesische Konsumenten, die Mobile-Dienste nutzen. Bildquelle: Fotolia; © leungchopan

China will sich mehr für ausländische Investitionen öffnen. Wer die sich ergebenden Chancen im Absatzmarkt China nutzen will, kann vielerlei Fehler machen. Worauf es ankommt, das erklärt Benjamin Kille, Geschäftsführer der SGB Group.

Investment Plattform China/Deutschland: Was hat sich abgesehen von Corona in den letzten beiden Jahren bei den Bedingungen, Chancen, Herausforderungen für und beim Markteintritt nach China verändert?

Kille: „Offiziell“ hat sich nicht viel verändert. Anfang 2020 wurde das neue „Foreign Investment Law“ in China amtlich, um den Markteintritt und Investitionen im Vergleich zu den Vorjahren zu erleichtern. Drei Punkte sind dabei positiv aufgefallen. Erstens: Per Gesetz wurde der „erzwungene“ Know-how-/Technologietransfer verboten. Zweitens: Der „freie Transfer“ von Geldern in und aus China wurde beschlossen. Drittens: Einfachere Firmengründungen werden durch verschlankte Prozesse möglich und durch eine sehr kurze „Negativliste“ begünstigt. Seither standen die Zeichen also mehr auf „Öffnung“. Aber in der Realität ist die Öffnung nur sehr bedingt gelungen. Das liegt an Corona, aber auch daran, dass die Regierung viele Prozesse wieder auf sich zentralisiert und reguliert hat. Die weltpolitische Lage befördert dabei die Denkweise der chinesischen Regierung. Auch aktuell gestaltet sich der Marktzugang noch recht schwierig, insbesondere auch durch die fast unmögliche Einreise für Ausländer ohne Visum. Gegenwärtig ist der Erhalt eines Business Visa bzw. einer Temporary Residence Permit schwerer denn je. Dr. Zhong Nanshan – Chinas „Front Man“ in der Bekämpfung der Corona-Pandemie – hatte erst vor Kurzem bekannt gegeben, dass China für die nächsten 14 Monate keine maßgeblichen Änderungen an der Quarantäneregelung für Einreisende vorsieht. Entsprechend werden die Chancen für ausländische Unternehmen 2022 limitiert bzw. die zu nehmenden Hürden um einiges höher sein.

Was sollten Unternehmen, die ihr Chinageschäft 2022 voranbringen wollen, also tun?

Da muss man differenzieren. Wer einen Neuanfang in China startet, dem stehen Herausforderungen bevor; als Erstes die Formalitäten für die Firmengründung, die man zwar über Agenturen oder Anwälte in China abwickeln kann, aber es gilt, wichtige Fragen zu klären, die nicht unbedingt ein Anwalt beantworten kann: Wo soll das Büro liegen? Welches Personal muss wie geschult werden und durch wen? Wo findet man fähige Geschäftsführer? Der Rückgang an Expats hat sich in den letzten zwei Jahren stark bemerkbar gemacht. Der Marktwert der noch ansässigen deutschen Manager mit Erfahrung steigt gerade extrem. Wir bieten deshalb einen Mittelweg als Alternative, d.h. eine Arbeitsplattform, mit der Unternehmen ihre Geschäfte in China selbst hautnah vor Ort tätigen können. Das kann ein Sourcing-and-Supply-Chain-Office für Einkäufer in China, genauso aber auch für einen Hersteller von Schwarzwälder Schinken sein, der sein Produkt aktiv auf den chinesischen Markt bringen möchte. Damit spart man Zeit, Geld und Ressourcen.

Wie ist der Stand bei Entwicklungen wie der Dual-Circulation-Politik, New Normal etc. mit Blick auf den Markteintritt deutscher Unternehmen?

Die Dual-Circulation-Strategie sollte man als Wille Chinas sehen, zwei Welten zu vereinen: die Welt der „sozialen Marktwirtschaft chinesischer Prägung“ mit dem Rest der Welt, wobei die eigene Marktwirtschaft nur bedingt von „äußeren“ Faktoren beeinflusst werden soll. All dies mit dem Ziel, eine vorwiegend durch Konsum getriebene Marktwirtschaft aufzubauen und nicht mehr vorwiegend vom Export abhängig zu sein – das „New Normal“ eben. Die Stärkung des internen Konsums und Wirtschaftskreislaufs läuft schon seit einigen Jahren, genauso wie der Ausbau der Strukturen des externen Wirtschaftskreislaufs mit der Welt. Er zeigt sich z.B. an der wachsenden Zahl der Free Trade Zones in China. Hier können Importeure Waren in China „Close to Market“ einlagern, ohne Zölle oder Steuern vorab gezahlt zu haben.

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Quelle: WITS

China hat in den letzten Jahren bei vielen Konsumprodukten die Zollsätze für individuelle Bestellungen aus dem Ausland von 15% auf 13% gesenkt (darunter Bücher, Computer, Nahrungsmittel etc.).
Der Hype des „Cross-Border E-Commerce“ und Namen wie Taobao, Tmall, Double Eleven usw. sollte mittlerweile fast jeder kennen. Andere Produkte haben gar eine Zollsatzsenkung von 5% erfahren, z.B. Textilien und Elektrogeräte.

Im Verbund mit den Free Trade Zones und dank der guten E-Commerce-Strukturen im Land kann man dem Kunden, der online bestellt hat, seine Waren schnell und bequem zukommen lassen. Zoll und Einfuhrumsatzsteuer werden digital von Endkunden bezahlt. Im traditionellen B2B-Bereich funktioniert das leicht anders, aber auch hier kann man den Vorteil der Free Trade Zones nutzen. Die Free Trade Zones fördern nicht nur den internationalen Handel, sie lassen sich auch gut regulieren. So besitzt der Staat eine aktive Kontrolle und Transparenz über die Warenströme mit dem Rest der Welt, u.a. auch für Öle, Erze, seltene Erden usw. Generell gilt jedoch spätestens seit der Pandemie: Die Welt kommt aktuell nicht ohne China aus. Aber das Gleiche gilt nicht zwangsläufig für China.

Was sind also die Chancen für deutsche Unternehmen?

Der moderne chinesische Konsument im „New Normal“ gibt sein Geld gerne für importierte Waren aus. Deutsche Unternehmen dürften also im Konsumbereich zahlreiche Chancen haben, ob als Zulieferer für ein lokales Endprodukt (z.B. Möbel) oder direkt mit eigenen Produkten, etwa bei Food and Beverage. Das können Restaurantketten im Bereich Fast Food/Convenience Food sein oder auch Importprodukte wie der deutsche Riesling oder Schwarzwälder Schinken.

Chancen sehe ich weiterhin im Anlagen- und Maschinenbau, in dem Deutschland einen guten Ruf genießt. Das betrifft Neu-, Gebrauchtanlagen und mehr und mehr den Bereich „After Sales“, also Ersatzteile, Wartungs- und Reparaturdienstleistungen. Ein großes Geschäft dürfte 2022 der Import von Second-Hand-Maschinen aus Deutschland nach China sein.

Worauf kommt es beim Markteintritt an? Können Sie dies anhand eines konkreten Beispiels schildern?

Chinesen lieben Granatapfelsaft! Dafür hat ein Unternehmen eine wunderbare Technologie entwickelt, mit der sich Granatapfelsaft herstellen lässt, ohne dabei die weißen Kerne zu zerstören. Dadurch gelangen keine Bitterstoffe der Kerne in den Saft. Dieser Hersteller hat es sogar geschafft, seinen Saft in die chinesischen „internationalen“ Supermärkte gestellt zu bekommen. Aber die Verkaufszahlen entwickelten sich nicht wie erhofft. Warum? Der Saft wurde in einer transparenten Glasflasche präsentiert. Dabei sieht der Saft etwas alt und gegraut aus, obwohl er zu 100% frisch ist. In China sind die meisten Flaschen foliert, sodass man den Inhalt nicht direkt sieht. So wird das Produkt für das chinesische Auge „schmackhafter“ präsentiert und eher gekauft. Schauen Sie sich also genau an, wie andere Produkte/Konkurrenzprodukte dem chinesischen Konsumenten präsentiert werden. Sprechen Sie mit lokalen (Produkt-)Marketingexperten und arrangieren Sie „Tastings“ oder Events zur Marktsondierung.

Potenzielle „Newcomer“ sollten den Markt und die Branche in China vorab gut sondieren und die Expertise der Marktkenner nutzen. Wenn Sie in China einen neuen Absatzmarkt erschließen wollen, sollten Sie mit einem kleineren Set-up vor Ort anfangen, um die chinesischen Spielregeln und Marktdynamiken ihrer Branche kennenzulernen. Ganz wichtig schließlich: Sie sollten jemanden an der Hand haben, der Ihnen auch in Sachen Import- und Exportregularien sowie der lokalen Distribution gut zur Seite steht. So helfen auch wir vielen Unternehmen über Fallstricke hinweg und wissen, wie das Chinageschäft organisch aufgebaut werden kann.

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Benjamin Kille
Gründer und Geschäftsführer at SGB Group

Benjamin Kille ist Gründer und Geschäftsführer der SGB Group. Sie fungiert als Zweigstelle in China und bietet Ihren Kunden dort eine Arbeitsplattform, mit der diese ohne Gründung einer Firma sofort Ihre China-Aktivitäten aufnehmen können. Dabei unterstützt die SGB Group Ihre Kunden „hands-on“ mit der langjährigen Erfahrung und Team-Expertise im Markt z.B. bei B2C- oder B2B-Distri­bution, Sourcing, Lieferanten Management und Supply-Chain-Themen.