Künstliche Intelligenz: China verpasst den Anschluss!

Lange galt China neben den USA als Pionier im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Nun jedoch scheint das Land den Anschluss zu verlieren. Von Brice Prunas*

Chinesische Behörden brüsteten sich im vergangenen Sommer damit, dass China mit rund 80 verschiedenen Large Language Models (LLMs) größere Kapazitäten im Bereich generativer KI hätte als die USA. Wir ziehen das heraufbeschworene Bild von der chinesischen Dominanz auf diesem Feld in Zweifel, da China über nur wenige bis gar keine der vier für das Training von LLM wesentlichen Elemente verfügt. Was die generative KI betrifft, so scheint das chinesische Ökosystem in allen zentralen Punkten Schwächen zu haben.

Schwachstellen bei Datenvielfalt

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Quelle: Adobe Stock; © medistock

Datensätze sind essentiell für generative KI. Ausreichend qualitativ hochwertige Daten sind unersetzlich, damit die Ergebnisse einen Mehrwert liefern. Da sich China jedoch weit von westlichen Systemen isoliert hat, ist die Vollständigkeit der Daten fraglich. Das ‚Halluzinieren‘ einer KI, die Ergebnisse erfindet, ist schon bei westlichen Systemen ein Problem, könnte bei chinesischen Produkten womöglich noch öfter auftreten.

Rückständige Software

Die Qualität von Künstlicher Intelligenz hängt eng mit der Software zusammen, die auf öffentliche Clouds zugreift. Sie ermögliche die ‚industrielle‘ und optimierte Nutzung von langen Datenreihen, die für das LLM-Training erforderlich sind. Die Anbieter von hochmodernen Software-Lösungen für öffentliche Clouds sind US-Unternehmen und diese bieten ihre Dienste nicht in China an. China hat zwar eigene Produkte wie Oushu DB, die mit amerikanischen Diensten, unter anderem SnowFlake und Databricks, vergleichbar sind. Technologisch sind diese Programme mehrere Jahrzehnte im Rückstand.

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KI-Chips fest in US-Hand

Grafikkarten, sogenannte GPUs, sind für die für generative KI benötigte Rechenleistung enorm wichtig. Nvidia und seine GPUs, aber auch alle auf diesem Feld tätigen Unternehmen, die potenziellen Lieferanten von KI-Chips sind, wie Broadcom, Marvell, AMD oder Intel, stammen allesamt aus den USA. Die Halbleiterindustrie Chinas ist nicht in der Lage, den eigenen Bedarf an KI-Chips zu decken. Die US-Regierung hat sowohl europäischen und amerikanischen Ausrüstern die Belieferung von Schlüsseltechnologien nach China untersagt und verhindert so das Wachstum des Sektors im Reich der Mitte.

Hemmnis Regulierung

Brice Prunas

Öffentliche Clouds werden in den USA und China von den jeweiligen Internetriesen betrieben. Die chinesischen Player haben gerade erst mehrere Jahre zum Teil sehr harter Regulierung hinter sich: Im Falle von Alibaba mit der Cloud-Tochter Alicloud kam das einer Demontage gleich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Cloud-Töchter von Internetunternehmen nicht ausreichend optimiert würden, da die meisten Unternehmenskunden weiterhin eigene Server betreiben. Auch perspektivisch kann Regulierung Chinas Entwicklung bei generativer KI behindern. Denn China muss, wie der Rest der Welt, seine generative KI irgendwann regulieren. Je nachdem, in welcher Form diese Regulierung in China erfolgt, würde dies das chinesische Entwicklungsmodell unter Umständen abermals schwächen.

*) Brice Prunas ist Fondsmanager des Fonds ODDO BHF Artificial Intelligence

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Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams sowie verantwortlich für das Anleiheportal BondGuide (www.bondguide.de)