Das Comeback des Joint Ventures in China

Jüngste Entwicklungen
Für die europäischen Unternehmen, die nicht auf zehnjährige Erfahrungen zurückgreifen können und einen konservativen Wachstums- bzw. Investitionsansatz verfolgen, spielen die oben erwähnten Schwierigkeiten bei Markteintritt und Marktpositionierung noch immer eine erhebliche Rolle. Der Respekt vor chinesischen Marktmechanismen ist geblieben. Eine mittelbare Beteiligung durch die Gründung eines europäisch-chinesischen Joint Ventures ist für diese Unternehmen nach wie vor eine gern gewählte Option.

Auch die Investitionswünsche chinesischer Unternehmen an europäischen Gesellschaften steigen stetig. Diese Entwicklung resultiert zum einen aus dem sinkenden Wirtschaftswachstum der Volksrepublik China. Wuchs das Bruttoinlandsprodukt noch vor einigen Jahren um 10 bis 14%, gehen Experten nunmehr davon aus, dass ein Wachstum von „nur noch“ 7% nicht unwahrscheinlich ist. Die anhaltende Ausschöpfung der Faktoren „Export“, „Investition in inländische Infrastruktur“ sowie „Immobiliensektor“ und die stark unterbewertete Landeswährung Renminbi zeigen spürbare Wirkungen. Zudem zwingt die in den letzten Jahren zu Tage getretene Wandlung einiger chinesischer Wirtschaftssektoren mit dem Resultat einer steigenden Konkurrenz dazu, sich gegenüber chinesischen Mitbewerbern abzusetzen. Immer häufiger wird dazu die Beteiligung an europäischen Unternehmen gewählt. Dass dies mittlerweile auch politisch gewollt ist, zeigt das am 22.01.2013 veröffentlichte Richtlinienpaket zur Förderung der Konsolidierung und Restrukturierung von Chinas Schlüsselsektoren, das unter der Leitung des Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie (Ministry of Industry and Information Technology – MIIT) erstellt wurde.

Neue strukturelle Möglichkeiten
Diese wechselseitigen Investitions- und Expansionsabsichten chinesischer und europäischer Investoren eröffnen durch die Bildung möglicher Synergien auch neue strukturelle Möglichkeiten – insbesondere in Sektoren, die zumindest für eine Seite relativ unerschlossen sind. Folglich sind nicht nur volkswirtschaftliche, sondern auch rein betriebswirtschaftliche Gründe ausschlaggebend für den Bedarf an der Beteiligung an europäischen Unternehmen. Die erwähnten Motive zur Gründung eines Joint Ventures sowie die Vorteile einer strategischen Zusammenarbeit (Kosteneinsparungen und Zusatzeinnahmen), der Wunsch der breitgefächerten Absicherung des Unternehmens durch Beteiligung an einem ausländischen Unternehmen, das einem anderen Markt angehört, sind durch die Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland nicht befriedigt. Auch ein normales Joint Venture würde nicht all diese Motive und Faktoren abdecken können.

Die Beratungspraxis zeigt, dass die Wahl europäischer und chinesischer Unternehmen in jüngerer Zeit vermehrt auf eine Direktbeteiligung des chinesischen Partners an der europäischen Gesellschaft fällt, während sich das europäische Unternehmen nur an dem zwischen dem gemeinsam gegründeten Joint Venture beteiligt. Eine Überkreuzbeteiligung in abgewandelter Form entsteht.

Vorteile sind dabei zum einen entstehende Synergieeffekte. Durch die Bildung marktüberschreitender Überkreuzbeteiligungen wird den Unternehmen zudem ermöglicht, eine gewisse Unabhängigkeit von der inländischen Volkswirtschaft zu erlangen. Zusätzlich ermöglicht sie den Auf- und Ausbau neuer Sektoren. Bereits vorhandene Marktkenntnisse und Vertriebskanäle des chinesischen Partners können genutzt werden. Umgekehrt kann das chinesische Unternehmen durch die Investition am europäischen Unternehmen Erfahrungen sammeln, ohne sofort vollständig für die Unternehmensleitung verantwortlich zu sein.

 

Zu den Personen:
Brühl_Ole_HAM Dr. Ole Brühl ist Rechtsanwalt und Counsel

 

Frömmling_Caroline_HAM
Caroline Frömmling ist Rechtsanwältin und Associate bei der Bird & Bird LLP.

 

 

 

 

www.twobirds.com

Dr Ole Brühl und Caroline Frömmling sind Gastautoren.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch