Als Bestandteil der Belt and Road Initiative ist der Entwicklungsplan zur Greater Bay Area (GBA) von zentraler nationaler Bedeutung. Der Initiative wird auch in den kommenden Jahren weiterhin viel Potential beigemessen.
Die Region verbindet und fördert den Ausbau der prominentesten Festlandstädte im Perlflussdelta. Ziel ist es, die Region zusammen mit Hongkong und Macau zu einem weltweit führenden Wirtschaftsgebiet zu entwickeln. Gleichzeitig soll die Ansiedlung von Talenten, Gütern und Kapital mit gezielten Programmen staatlich gefördert werden.
Hongkong wird sich voraussichtlich als Finanzzentrum weiterentwickeln und gleichzeitig seine Standortvorteile in Technologie und Innovation einbringen. Macau wird sich auf Tourismus und Freizeit konzentrieren, hingegen Guangzhou den Status des nationalen Hubs für Verkehr und Handel stärken möchte. Ein Großteil der ausländischen Ankünfte wird bereits über Guangzhou abgewickelt. Shenzhen hingegen wird seine Rolle als globales Innovationszentrum weiter festigen. Langfristig werden die vier Wirtschaftszentren dazu beitragen, den Markt für ausländische Direktinvestitionen weiter zu öffnen. Um von den Möglichkeiten innerhalb der GBA zu profitieren, ist es daher wichtig, dass Unternehmen vorab die richtige Strategie entwickeln.
1. Konnektivität in Talent und Infrastruktur
Talentakquise und Mobilität sind entscheidende Faktoren für geschäftlichen Erfolg in der Greater Bay Area. Da die Region darauf abzielt, Mobilitätsaspekte für Menschen, Handel und Kapital zu verbessern, wird kontinuierlich an Plänen gearbeitet, die ausländische Direktinvestitionen fördern sollen. Dies beeinflusst auch die wirtschaftliche Entwicklung außerhalb des Einzugsgebietes positiv. Trotz der derzeitigen Einschränkungen beim Reisen verliert die Region nicht an Bedeutung. Maßnahmen werden stetig angepasst. Auch hinsichtlich der Steuerregelungen gibt es Anreize für Unternehmer. Während der Steuersatz für einen gewöhnlich Steuerpflichtigen bis zu 45 % betragen kann, so kann dieser für anspruchsberechtigte Personen innerhalb der GBA bei lediglich 15 % liegen. Qualifizierte Unternehmer können zudem auf Antrag zusätzlich IIT-Subventionen erhalten. Initiativen dieser Art begünstigen die Stellung ausländischer Investitionen und können sich über Multiplikatoreffekte auch auf andere Sektoren übertragen.
Darüber hinaus entwickeln Hongkong und die Festlandstädte grenzüberschreitende Knotenpunkte, um die geografische Vernetzung und den Austausch von Talenten weiter zu stärken. Beispielsweise ist der Liantang/Heung Yuen Wai Boundary Control Point (LT/HYW BCP), welcher die siebte Landgrenze zwischen Hongkong und Shenzhen repräsentiert, bereits mit gesonderten Einrichtungen für Grenzgänger ausgestattet. Ziel ist es, ein einstündiges Arbeits- und Lebensmodell zu entwickeln, welches sich durch kurze Wege zwischen Arbeit, Leben, Einkauf und Wohnen auszeichnet.
2. Globaler Hub für Technologie & Innovation
Durch die Ansiedlung von speziellen Wirtschaftszonen hat sich Shenzhen zu einem der führenden Zentren innovativer Technologieunternehmen entwickelt. Unternehmen, die in diesem Umfeld gründen, befinden sich nicht nur in unmittelbarer Nachbarschaft zu Chinas Tech-Giganten wie BAT (Baidu, Alibaba, Tencent). Sie profitieren auch von Kostenvorteilen, fortschrittlicher Tech-Infrastruktur und haben zudem Zugriff auf eine Vielzahl an Herstellern und Händlern. Weitere Initiativen zur Förderung des Innovations- und Technologieökosystems, die im Strukturplan der GBA Erwähnung finden, umfassen die Ansieldung von Co-Working Spaces, Platformen zum Unternehmeraustausch sowie erweiterten Zugang zu R&D-Zentren. Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit zwischen Industrie, Forschungsinstituten und Universitäten gesondert gefördert, so dass es sich anbietet, Bildungseinrichtungen als Quelle von Talenten gesondert im Auge zu behalten. Trotz unterschiedlicher regulatorischer Rahmenbedingungen und des differenzierten Geschäftsumfelds jeder Stadt, sollten Shenzhen und Hongkong von Unternehmern, Lieferanten und Investoren als ein Ökosystem betrachtet werden.
3. Führendes Finanzzentrum
Der GBA repräsentiert derzeit ein Volumen von ca. 12 % der chinesischen Volkswirtschaft. Dies entspricht ca. USD 1,4 Billionen. Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch zu wissen, dass dieses Volumen nur von ca. 5 % der Bevölkerung des Landes erwirtschaftet wird.
Diese Zahlen lassen erahnen, dass die Nachfrage nach Finanzierungen, Vermögensverwaltung und Versicherungen noch viel Spielraum für weiteres BIP-Wachstum offenlässt. Dadurch, dass sich dies auch stark auf ein gesteigertes Volumen an grenzüberschreitende Transaktionen auswirkt, hat der Rahmenentwicklungsplan eine Reihe von Initiativen vorgeschlagen, um grenzüberschreitende Transaktionen von Renminbi (CNY) zu vereinfachen. Dies betrifft beispielsweise CNY-Interbankenkredite, CNY-Devisen sowie CNY-Derivate. Der Plan möchte Finanzdienstleistungen für technologische Innovation fördern. Darüber hinaus sollen lokale Banken in der Region Guangdong-Hongkong-Macao Greater Bay Area ihre Zusammenarbeit mit externen Instituten für Risikokapital unter der Prämisse der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der Kontrolle verstärken und zusätzlich neue, diversifizierte Finanzgeschäftsmodelle erkunden. Initiativen dieser Art werden den grenzüberschreitenden Kapitalfluss von Risikokapitalfonds stärken. Die Reformen bilden zudem eine Basis für den strukturellen Wandel einer vertieften Zusammenarbeit innerhalb der gesamten GBA-Finanzindustrie. Pläne dieser Art können langfristig zur Schaffung von mehrstufigen Mechanismen zur Beilegung von Finanzstreitigkeiten im Einklang mit internationalen Standards beitragen.
4. Wealth Management Connect Programm
Nach einem im Juni 2020 von der Peoples Bank of China, der Hong Kong Monetary Authority und der Monetary Authority of Macao veröffentlichten Plan, können Einwohner von Hongkong und Macau zukünftig in vermögensverwaltende Produkte investieren. Diese müssen allerdings von chinesischen Banken innerhalb der GBA verkauft werden. Im gleichen Zug wird es den Einwohnern in Guangdongs Städten gestattet sein, Finanzprodukte zu beziehen, die von Finanzinstituten in Hongkong und Macau aufgelegt werden. Das Programm zielt darauf ab, grenzüberschreitende Investitionen innerhalb der GBA zu erleichtern. Zudem liefert es als Modellprojekt wichtige Erkenntnisse, die zur weiteren Öffnung der Finanzmärkte auf dem Festland beitragen könnten.
Es erweitert die Reichweite und die Funktionalität vergangener Programme, die bereits früh darauf abzielten, lokale Aktienmärkte miteinander zu verbinden. Beispiele hierfür sind die Zusammenführungen der Börsen Shanghai-Hong Kong Stock Connect (2014) sowie Shenzhen-Hong Kong Stock Connect (2016). Durch Initiativen dieser Art können Investoren aus den beteiligten Regionen ihr Risikomanagement weiter diversifizieren, indem sie in eine breitere Palette von Finanzprodukten investieren können.
5. Umfangreiche Lieferketten
Der Fokus auf neue Technologien und die fortschreitende Automatisierung des Prozessmanagements wird die Effizienz des industriellen Lieferketten-Managements weiter stärken. Hersteller werden bei der Aufwertung der Wertschöpfungskette unterstützt, indem zum Beispiel die Ein- und Ausfuhren von Gütern steueroptimiert abgewickelt werden können. Des Weiteren sorgen kurze Wege für einem signifikanten Preisvorteil bei R&D-Projekten. Die Montage eines Prototyps kann oft innerhalb von weniger als 2 Stunden erfolgen. Im Vergleich zu anderen globalen Produktionszentren bedeutet dies nicht selten einen Preisvorteil um Faktor zehn oder zwanzig, woran KI-betriebene Produktionslinien einen entscheidenden Einfluss haben. Städte wie Dongguan, die im Einzugsgebiet liegen, haben sich so zu Hightech-Fertigungszentren entwickelt. In Bezug auf die Handelsinfrastruktur gehören Shenzhen, Hongkong und Guangzhou bereits zu den 10 führenden Containerhäfen der Welt. All dies fördert schnelle und unkomplizierte Lieferketten für Serienfertigungen. Es spricht somit viel für die GBA als ideale Wertschöpfungskette, da sämtliche Prozesse wie Innovation, Forschung, Design, Produktion und Vertrieb an Ort und Stelle abgewickelt werden können.
6. Freihandelszonen als Testfeld
Weitreichendere Vorteile können Unternehmer genießen, wenn sie Ihre Waren und Güter über eine der Freihandelszonen (FTZs) exportieren. Unternehmen die innerhalb dieser Freihandelszonen registriert sind, können von einer vereinfachten Zollabfertigung profitieren. Dies bedeutet, dass Waren zwischen FTZs und dem Ausland verschifft werden können, ohne nochmals Steuern und Abgaben in China zahlen zu müssen. Des Weiteren können Unternehmen von vereinfachten Abwicklungen in unterschiedlichen Währungen profitieren. Eine der bekanntesten Handelszonen in China ist die Qianhai Freihandelszone in Shenzhen, die sich über insgesamt 28 Quadratkilometer erstreckt und mit Schwerpunkt vorrangig Unternehmen aus den Sektoren Logistik, Finanzen und IT beheimatet.
Resümierend lässt sich sagen, dass eine Unternehmensgründung innerhalb einer der Freihandelszonen definitiv in Erwägung gezogen werden sollte, da diese eine entscheidende Rolle in Chinas langfristiger Entwicklung, sowohl im Inland als auch weltweit, einnehmen. Langfristig könnte sich die Region zudem zu einem Katalysator für Chinas Belt & Road Initiative entwickeln. Dies eröffnet neben den lokalen Markt weitere Chancen, global vom Wirtschaftswachstum Chinas zu profitieren.
Schlussfolgerungen für Unternehmen
Die Zeit wird zeigen, ob die GBA-Initiative hält, was sie verspricht. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass es sich bei der Initiative um ein langfristig angelegtes Projekt handelt. Auch wenn Erfolg mitunter nicht von heute auf morgen eintreten wird, kann die Region Unternehmern definitiv das richtige Umfeld bieten, um ihre Produkte für den globalen Markt wettbewerbsfähig zu entwickeln. Es wird erwartet, dass zukünftige Maßnahmen Innovationen in der Greater Bay Area weiter erleichtern werden.
Um das Potential voll auszuschöpfen, sollten Unternehmen die potenziellen Folgen eines chinesichen Markteintritts über die Greater Bay Area sorgfältig prüfen und an einer umfassenden Strategie arbeiten. Nur dann kann es gelingen, von den lokalen Standortvorteilen vollumfänglich zu profitieren.
Sebastian Hoffmann
Sebastian Hoffmann leitet den Hawksford German Desk in China. Das Unternehmen berät seit 2009 Unternehmer, KMU und multinationale Unternehmen bei ihren geschäftlichen Bestrebungen in der Volksrepublik China und verfügt über langjährige Branchenerfahrung u.a. in den Bereichen Technologie, Maschinenbau, Einzelhandel, Baugewerbe, chemisch-pharmazeutische Industrie, Elektrotechnik, Metallerzeugung sowie Kunststoff- und Papierindustrie.
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