Unnötig Wasser auf die Mühlen gegossen

Peter Tichauer: Blick aus Qingdao

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Constantin Schreiber ist Sprecher der „Tagesschau“. Constantin Schreiber ist auch Autor. „Die Kandidatin“ heißt sein neuer Roman, der vor den diesjährigen Bundestagswahlen erschienen ist. Eine Fiktion. Bundestagswahlkampf in drei Jahrzehnten. Eine Muslima schickt sich an, das wichtigste Regierungsamt in Deutschland zu übernehmen. Der Autor überspitzt schon heute allgegenwärtige Diskurse – vom Gendern über Diversität bis hin zur Rolle des Islam in der deutschen Gesellschaft.

Doch ab Seite 52 wird es über vier Kapitel gelinde gesagt wenig appetitlich. Die noch amtierende Bundeskanzlerin reist zu einem offiziellen Besuch nach China. Die Kandidatin, als Teil der Delegation mit von der Partie, kommt nicht umhin, Hochachtung vor den Leistungen Chinas zu haben, zeigt aber viel mehr Vorbehalte, ja Angst. Der Autor beschreibt Chinas Macht und den Machtkampf, den politischen und den wirtschaftlichen. Deutschland droht seine letzten Unternehmen an China zu verlieren, das nicht bereit ist, nach europäischer Pfeife zu tanzen. Die westliche (also demokratische) Welt stehe kurz davor, vom ostasiatischen Wirtschaftsriesen unterworfen zu werden.

Ganz abgesehen davon, dass sich Constantin Schreiber über historische Orte in der chinesischen Hauptstadt oder die Schreibweise chinesischer Namen besser hätte informieren können, gießt er Wasser auf Mühlen, das besser woanders vergossen wäre. Er bedient in überspitzter Schärfe Klischees, die im deutschen Bewusstsein ohnehin schon allgegenwärtig sind. Ganz bestimmt nicht zum Guten.

Große Leere im Media-Markt

Zwei Gegebenheiten haben mich kürzlich bei meinem Urlaub in Berlin nachdenklich gemacht. Große Leere im Media-Markt. „Die Chinesen liefern nicht“, lautete die nicht als Scherz gemeinte Begründung. Und während ich mit meiner Union-Pay-Karte im Kaufhof am Alexanderplatz bezahlen wollte, erklärte mir die Verkäuferin, seit 16 Monaten diese Karte nicht mehr in der Hand gehabt zu haben. Gut sei es, dass die Chinesen nicht mehr kämen, meinte sie dann, und ließ sich in ihrem Redeschwall auch nicht durch ihren peinlich berührten und zischelnden Kollegen beirren. Möglicherweise wird ihr früher oder später klar: Ihr Arbeitsplatz könnte auch von der Kaufkraft chinesischer Touristen abhängen.

Ganz ungesteuert sind solche Aussagen bestimmt nicht. Der starke antichinesische Wind aus den USA, aus Brüssel und auch aus den einen oder anderen Amtsstuben in Deutschland zeigt seine Wirkung. Selbst wenn während ich diese Zeilen schreibe von den Ampel-Verhandlern in Berlin noch wenig zum künftigen Verhältnis mit China zu hören ist, dürfte klar sein, dass die neue Regierung einen anderen Ton anschlagen wird. Neue Akzente werden gesetzt. Einfacher wird es gewiss nicht.

Einen gemeinsamen Nenner finden

Allerdings: Vor 16 Jahren schien es ähnlich zu sein. Dem ersten Besuch von Angela Merkel wurde in China nach den Schröder-Jahren durchaus mit Unbehagen entgegengesehen. Später hat sich ein konstruktives Verhältnis entwickelt, das der eine oder andere heute als „freundschaftlich“ bezeichnen wird. Beide Seiten haben ihre Prinzipien hochgehalten und dennoch einen gemeinsamen Nenner gefunden. Genutzt hat es beiden: China und Deutschland, der chinesischen und der deutschen Wirtschaft.

Wenn die neue Bundesregierung den Standort Deutschland durch Innovation stärkt und die europäischen Länder koordinierter handeln, dürfte auch China profitieren. Starke Partner treiben sich noch besser gegenseitig voran, im gemeinsamen Interesse. Zu akzeptieren, dass dabei nicht nur eine Seite das Sagen hat, wohin der Weg führt, ist allerdings eine Grundvoraussetzung. Die großen Herausforderungen der heutigen Zeit und der Zukunft lassen sich nur gemeinsam erfolgreich anpacken.

Angstmache wie in Constantin Schreibers Roman ist allerdings kaum geeignet, eine gemeinsame Sprache zu finden, um Hand in Hand zu handeln.

 

 

Peter Tichauer

Peter Tichauerist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch