China tritt Haager Abkommen bei – Besserer Schutz geistigen Eigentums

Judge's gavel. Symbol for jurisdiction. Law concept a wooden judges gavel on table in a courtroom or law enforcement office on blue background. China flag background

Mit Chinas Beitritt zum Haager Abkommen sind zum 5. Mai 2022 internationale Designanmeldungen in China und von China aus schneller und einfacher möglich, so das offizielle Statement der World Intellectual Property Organization (WIPO). Die Volksrepublik China (,,China‘‘) war dem Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle (,,Haager Abkommen‘‘) bereits am 5. Februar 2022 beigetreten.

Um die Anforderungen des Beitritts zum Haager Abkommen zu erfüllen, musste das bestehende chinesische Patentrecht angepasst werden. Das neue Patentrecht, das bereits zum ersten 1. Juni 2021 in Kraft getreten war, wurde dafür zum vierten Mal überarbeitet und hat klare Erleichterungen und wesentliche Änderungen gebracht. Die wichtigsten finden Sie im Folgenden zusammengefasst.

Teilmusterschutz

Nach dem bis zum 1. Juni 2021 geltenden alten Patentrecht war nur die Anmeldung von Gesamtmustern möglich. Hier hat der chinesische Gesetzgeber angesetzt und nun auch die Anmeldung der Teilmuster von Erzeugnissen zugelassen. Dadurch kann auch der Schutz für wichtige Musterelemente gewährt werden. Das wiederum hat für den Wettbewerbsschutz zur Folge, dass man nun gegen Konkurrenten vorgehen kann, die nur wichtige Elemente eines Musters nachahmen und damit bisher den Designschutz umgehen konnten.

Treu und Glauben

In Art. 20 legt das überarbeitete Patentrecht nun fest, dass ein Patent (inkl. Erfindungen, Gebrauchs- und Geschmacksmustern) nach dem Grundsatz von Treu und Glauben angemeldet, erteilt und umgesetzt werden soll. Mit der Einführung dieses Prinzips sollen missbräuchliche Anmeldungen, etwa durch Fälschung von Versuchsdaten, verhindert werden.

 Neuheitsschonfrist bei Notstand

Auch den besonderen Anforderungen in Krisensituationen, wie sie bspw. durch die Coronapandemie sichtbar wurden, trägt der chinesische Gesetzgeber Rechnung. Gemäß der neuen Ausnahmeregelung in Art. 24 erfüllt ein Patent auch dann die Neuheitsanforderung, wenn es während eines nationalen Notstands oder einer außergewöhnlichen Situation innerhalb von sechs Monaten vor dem Anmeldetag im öffentlichen Interesse offenbart wurde. Antragsteller, bei denen die oben genannten Umstände vorliegen, müssen einschlägige Nachweise vorlegen, um zu vermeiden, dass die Neuheit eines neuen Patents aufgrund der vorherigen Offenbarung (z.B. Offenbarung eines neuen Medikaments) verloren geht.

Längerer Schutz bei Geschmacksmustern

Auch an der Schutzdauer von Geschmacksmustern wurde gearbeitet. Um den im Haager Abkommen vorgesehen Anforderungen auf die Mindestschutzdauer nachzukommen, wurde die Schutzdauer von Geschmacksmustern von 10 auf 15 Jahre verlängert (vgl. Art. 42).

Inlandspriorität auch bei Geschmacksmustern

Auch in Bezug auf die Inlandspriorität gibt es Änderungen: Gemäß Art. 29 kann eine Geschmacksmusteranmeldung nun innerhalb von sechs Monaten nach dem Anmeldetag eine inländische Priorität beanspruchen, was bisher nur für Erfindungs- und Gebrauchsmusteranmeldungen galt. Wenn etwa Fehler bei der Zurückweisung oder vermeintlicher Zurücknahme der ersten Geschmacksmusteranmeldung entstehen, können Anmelder diese Fehler beheben, indem sie eine neue Geschmacksmusteranmeldung unter Inanspruchnahme der Inlandspriorität einreichen.

Zudem wurden die Fristen des Art. 30 für die Einreichung eines Prioritätsbelegs geändert. Für Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen betragen sie nun 16 Monate und für Geschmacksmusteranmeldungen drei Monate. Macht ein Antragsteller die Priorität eines Gebrauchsmusters geltend, so hat er bei der Anmeldung eine schriftliche Erklärung abzugeben und innerhalb von drei Monaten nach dem ersten Anmeldetag eine Kopie der zuerst eingereichten Patentanmeldung vorzulegen.

Verbesserte Möglichkeiten der Mediation

Schließlich wurde auch die außergerichtliche Streitbeilegung überarbeitet. So sieht Art. 52 nunmehr die Möglichkeit einer Mediation bei der zuständigen chinesischen Patentbehörde vor. Gleichzeitig wurden auch die Prüfpflichten und Sanktionen bei Patentrechtsverletzungen verschärft. Zudem wird mit der Änderung des Patentgesetzes ein neues System für die Bestimmung des Schadensersatzes eingeführt. So wurde die Höhe des Schadensersatzes für die Fälle erhöht, in denen der Verlust des Rechtsinhabers, der vom Verletzer erzielte Gewinn oder die Höhe der Patentlizenzgebühr selbst schwer zu beziffern sind. Die Untergrenze des Schadensersatzes liegt nun bei CNY 30,000.- und die Obergrenze bei CNY 5 Millionen.

Die neuen Regelungen des Patentrechts stärken die Schutzrechte an geistigem Eigentum. Sie spiegeln die Bemühungen des chinesischen Gesetzgebers wider, das chinesische Patentsystem weiter auszubauen und international anschlussfähig zu gestalten.

Für europäische Unternehmen bedeutet der Beitritt Chinas zum Haager Abkommen, dass sie auch für die erstmalige Anmeldung eines Designs oder Geschmacksmusters in beliebig vielen Vertragsstaaten des Haager Abkommens Schutz beanspruchen können. Im Gegensatz zu anderen Systemen (wie bspw. dem Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken) verlangt das Haager Abkommen keine Basisanmeldung des Geschmacksmusters in einem Vertragsstaat als Voraussetzung für eine internationale Anmeldung. Wird ein Design, Muster oder ein Modell über das Haager Abkommen bei der WIPO (World Intellectual Property Organization) angemeldet, teilt sie die Designanmeldung dem betroffenen Vertragsstaat „automatisch“ mit. Die Designanmeldung unterliegt dann der formellen Prüfung durch das chinesische Patentamt gemäß chinesischem Recht und kann bestätigt oder zurückgewiesen werden.

Obwohl das Haager System allgemeine Bestimmungen für alle Vertragsparteien enthält, erlaubt es den einzelnen Ländern bestimmte Abweichungen nach nationalem Recht zu beschließen. Für eine erfolgreiche Anmeldung des Geschmackmusters in China ist deshalb die Konsultation mit einem auf den Schutz geistigen Eigentums spezialisierten Anwalt vor Ort unabdingbar.

 

Rainer Burkardt

Rainer Burkardt ist Gründer und ­Geschäftsführer der chinesischen Anwalts­kanzlei Burkardt & Partner in Shanghai, welche im kanzleimonitor ­unter die Top-5 der Rechtsanwaltskanzleien in China gewählt wurde. Seit 2009 ist Herr Rainer Burkardt Vertrauensanwalt des österreichischen Generalkonsulats in Shanghai und seit 2013 Schiedsrichter der Shanghai International Economic and Trade Arbitration Commission (SHIAC). Sein Fokus liegt auf der Beratung von deutschen, Schweizer und österreichischen Unternehmen bei deren Investitionen in China.