„Die Führungskultur in Europa ist extrem gegensätzlich zu China“

Aus E-Mag M&A China/Deutschland 2013

Wenn Fusionen oder Übernahmen scheitern, hängt das nachweislich häufig mit den Persönlichkeiten der Fach- und Führungskräfte in den verschmolzenen Unternehmen zusammen. Woran das liegt und wie man M&A in der Post Merger Integration auch auf der persönlichen Ebene erfolgreich gestalten kann, erläutert Michael Schäfer von Mercuri Urval im Interview.

Unternehmeredition: Herr Schäfer, viele Übernahmen scheitern im Nachhinein am Integrationsprozess. Wo liegen die entscheidenden Stellschrauben?
Schäfer: Wir haben gemeinsam mit der Universität St. Gallen eine Studie erstellt, die allgemein die kritischen Punkte bei Übernahmen untersucht: Zu 80% liegen die Probleme, die sich in den ersten zwölf Monaten eines Mergers oder einer Integration ergeben, im Bereich der Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene. Bei deutsch-chinesischen Transaktionen ist das noch mal deutlich kritischer zu sehen. Unsere Erfahrung ist, dass jeder sechste Merger mit deutschen und chinesischen Unternehmen scheitert. Jede dritte Fusion hat in den ersten zwölf Monaten der Integration deutliche Schwierigkeiten, produktive Ergebnisse zu erzielen.

Unternehmeredition: Also überwiegen diese Probleme den erhofften Nutzen der Fusion?
Schäfer: Man übernimmt ja nicht nur die Technologie. Zumindest in der Anfangs- und Übergangsphase will der Käufer auch vom deutschen oder europäischen Know-how profitieren. Das wird viel zu wenig beachtet. Insbesondere chinesische Investoren sind sehr auf den Technologieerwerb fokussiert. Mittlerweile versuchen sie auch, die wichtigsten Fach- und Führungskräfte mit teilweise sehr interessanten Gehaltsmodellen zu binden. Das ist jedoch häufig nicht sehr nachhaltig, weil Kommunikation ein zentrales Kernproblem ist. Es beginnt schon auf der sprachlichen Ebene: Englisch wird zwar von den Europäern meistens beherrscht, chinesische Führungskräfte sind da aber häufig nicht sehr sicher.

Unternehmeredition: Der Schlüssel ist die Kommunikation…
Schäfer: Noch wichtiger als die sprachliche Fähigkeit ist die Art der Kommunikation. Die Führungskultur in Europa ist extrem gegensätzlich zu China. Der chinesische Facharbeiter zum Beispiel erwartet morgens eine klare Ansage. Diese Gewohnheit übertragen die chinesischen Unternehmer  auf die Führungsebene des deutschen Unternehmens: Sie führen sehr hierarchisch, was selbst bei konservativen deutschen Unternehmen sehr irritiert. Sie bestellen z.B. die deutsche Geschäftsführung in die chinesische Zentrale und sagen ihr dort, was zu tun ist. Es kann auch passieren, dass Entscheidungen der chinesischen Führung der deutschen Seite nicht mitgeteilt werden – entweder weil das Vertrauen fehlt oder weil es einfach vergessen wird.

Unternehmeredition: Wie können solche Kommunikationsprobleme am besten vermieden werden?
Schäfer: Bereits in der Due-Diligence-Phase sollten auch die wichtigsten Persönlichkeiten auf beiden Seiten unter die Lupe genommen werden. Finanzen, Steuern und häufig auch die technischen Begebenheiten werden sehr genau überprüft. Dabei wird aber gefährlich außer Acht gelassen, dass die Persönlichkeiten der Führungsebenen von Käufer und Verkäufer nicht immer zusammenpassen – was dann zu der hohen Quote von gescheiterten Übernahmen führt. Wenn dagegen die HR-Due-Diligence der Persönlichkeiten sehr gründlich geschieht, kann man potentielle Konfliktherde frühzeitig erkennen, analysieren und vermeiden. So lässt sich die Produktivitätsphase eines Mergers deutlich früher erreichen. Das haben wir auch wissenschaftlich belegt.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch