„Für den Einstieg in China bieten sich vor allem konsumorientierte Unternehmen an“

Aus E-Mag M&A China/Deutschland 2013

In den letzten Jahren bereicherten zahlreiche chinesische Unternehmen durch ihren Börsengang den deutschen Kapitalmarkt. Für Anleger waren das meistens keine Erfolgsgeschichten. Klaus Rainer Kirchhoff, der mit seiner Agentur auf eine langjährige Erfahrung in der Beratung chinesischer Emittenten zurückblickt, nennt die Gründe für deren unterdurchschnittliche Performance und erläutert, warum Deutschland und China wirtschaftlich dennoch gut zusammenpassen.

Unternehmeredition: Herr Kirchhoff, die chinesische Wirtschaft schwächelt. Wo sehen Sie noch Potenzial für Wachstum und M&A-Aktivitäten in China?

Kirchhoff: Die neue chinesische Regierung unter Präsident Xi Jinping hat einen drastischen Kurswechsel in der chinesischen Politik eingeleitet. Das bisherige Wachstumsmodell basierte im Kern darauf, dass Devisen aus dem Export von Billigprodukten in die Binnenwirtschaft investiert wurden, oft in große Infrastrukturprojekte. Zukünftig möchte man die stark investive Wirtschaft zu einer eher konsumtiven umbauen. Das Wachstum wird sich demgemäß abschwächen, aber nachhaltiger sein. Diese neue Politik ist zu begrüßen, auch wenn sie zunächst negative Auswirkungen auf das Wachstum auch der Weltwirtschaft haben wird. Für den Einstieg in China bieten sich damit in der Zukunft vor allem konsumorientierte Unternehmen an. Sie werden von der zunehmenden Kaufkraft der Bevölkerung am meisten profitieren.

Am deutschen Kapitalmarkt haben die chinesischen Unternehmen viel Vertrauen verspielt…

Als die ersten chinesischen Unternehmen in Deutschland an die Börse gingen, wurde darin die Chance gesehen, direkt über eine Beteiligung an einem chinesischen Unternehmen am Wachstum dieses faszinierenden Landes teil zu haben. Mittlerweile ist diese Begeisterung einer tiefen Enttäuschung gewichen.

Was sind die Gründe dafür?

Für die chinesischen Unternehmen bestand der Vorteil eines IPOs in Deutschland darin, dass es hier sehr viel einfacher und schneller an die Börse geht als in China. Während ein Börsengang in China von der Gunst staatlicher Stellen abhängt, gibt es in Deutschland klare Regularien, die erfüllt werden müssen. Zur gleichen Zeit fanden in den USA andere Börsengänge statt: Einige chinesische Unternehmen kauften billig die börsennotierte Hülle eines operativ nicht mehr tätigen Unternehmens und füllten sie mit scheinbar zunehmenden Umsätzen und Gewinnen. Im Juni 2011 kam es zum Eklat: MuddyWaters aus Hongkong erklärte, der indirekte Börsengang der Sino-Forest Corporation sei von Anfang auf Betrug angelegt gewesen. Allein der Wert der angeblich in der Provinz Yunnan erworbenen Waldbestände sei um 900 Mio. USD hoch angesetzt worden. Sino-Forest, deren Börsenwert in Spitzenzeiten 6,2 Mrd. CAD betrug, verloren 80% ihres Aktienkurses. Das Unternehmen gehört zu den spektakulärsten Fällen von vermeintlichem Bilanzbetrug durch chinesische Unternehmen. Ähnliche Vorwürfe wurden gegen Longtop Financial, China Agritech und Chaoda erhoben.

Welche Folgen hatten diese Entwicklungen für die in Deutschland börsennotierten chinesischen Unternehmen?

Die Vorwürfe haben das Vertrauen in die Firmen aus der Volksrepublik in den USA und auch in Deutschland tief erschüttert. Als Konsequenz verloren auch die in Deutschland notierten chinesischen Unternehmen stark an Wert und bei den folgenden Börsengängen konnten nur geringe Emissionsvolumina erreicht werden. Im Jahr 2013 gab es überhaupt keinen Börsengang eines chinesischen Unternehmens mehr in Deutschland. Die Aktienkurse fast aller Unternehmen aus dem Reich der Mitte notieren in Frankfurt weit unter ihren Emissionskursen – unabhängig von ihren verschiedenen Geschäftsmodellen und ihrer unterschiedlichen finanziellen Performance. Selbst vergleichsweise hohe Wachstumsraten und Margen bei vielen Unternehmen können daran nichts ändern. Ein typischer Fall sogenannter Sippenhaft. Nach den Bilanzfälschungen beim Leuchtenhersteller Hess käme niemand auf die Idee, alle deutschen Aktiengesellschaften für unseriös zu erklären.

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