Der deutsche Gabelstaplerhersteller Kion beteiligt sich am chinesischen Lagertechnikspezialisten EP Equipment, um mit ihm zusammen Marktchancen in Asien und weltweit zu nutzen. Die strategische Partnerschaft zeigt, wie Inbound-Transaktionen allen Beteiligten Mehrwert bieten können.
Ein Segment nach dem anderen, und das Ganze immer wieder ein Stück weit nach oben heben. So arbeiten Gabelstapler, das Stammprodukt der Kion Group. Ähnliches lässt sich über die internationale Wachstumsstrategie des Lagerlogistikausrüsters sagen. Eine besondere Rolle spielt dabei der chinesische Markt mit seinem riesigen Potenzial. Ein Vierteljahrhundert schon ist dort die Kion-Marke Linde Material Handling präsent, die heute klarer Marktführer unter den ausländischen Anbietern in China ist. Der Name erinnert an den Konzern, aus dem das heutige MDAX-Unternehmen einst hervorgegangen ist. Längst ist mehr dazu gekommen. Im Jahr 2009 hat unter dem Namen Baoli die Produktion von Gabelstaplern für das Economy-Segment in Jingjiang nahe Shanghai den Betrieb aufgenommen. Es war zunächst als Joint Venture gestartet, mittlerweile ist Kion alleiniger Eigentümer. Jetzt bauen die Frankfurter durch eine Minderheitsbeteiligung an dem ostchinesischen Lagertechnikspezialisten EP Equipment ihre Präsenz in Asien weiter aus. Beide Unternehmen begründen gleichzeitig eine exklusive strategische Partnerschaft zur Entwicklung neuer Produkte und zur Anhebung von Synergieeffekten. Eine solche Inbound-Transaktion mit deutscher Beteiligung hat zwar eher Seltenheitswert. Aus Sicht von Kion ist sie aber so überraschend nicht. „China ist Teil unserer Unternehmens-DNA“, wie Vorstandschef Gordon Riske sagt.
Mit dem Partner das Produktangebot erweitern
Das hat auch mit dem größten Anteilseigner der Hessen zu tun. Seit 2012 ist der börsennotierte Dieselmotorenhersteller Weichai Power, der heute 43% der Anteile hält, zentraler Ankerinvestor. Dies hat der Kion Group zusätzliche Marktzugänge in China eröffnet. Weichai hat vor zwei Jahren auch die Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Übernahme des US-Lagerlogistikspezialisten Dematic unterstützt. Dank dieser Akquisition ist Kion zum globalen Marktführer bei Supply Chain Solutions aufgestiegen, bei denen es um die Automatisierung von Lagerketten geht. Größter Hersteller von Flurförderzeugen in Europa, weltweit die Nummer zwei und zugleich profitabelster Anbieter seiner Branche darf sich Kion schon jetzt nennen. Mit der Präsenz auf sechs Kontinenten ist das Fundament für das weitere globale Wachstum gelegt. Die Partnerschaft mit EP Equipment ermöglicht Kion die Erweiterung des Produktangebots im Einstiegssegment leichter Lagertechnikgeräte. „Durch die Minderheitsbeteiligung und die strategische Partnerschaft werden wir unsere schon länger bestehende Geschäftsbeziehung zu EP Equipment vertiefen und unser Angebot im Bereich der Lagertechnikgeräte nach unten abrunden“, erläutert Kion-Sprecher Michael Hauger.
Besserer Marktzugang
EP entwickelt und produziert elektrisch betriebene Flurförderzeuge mit Werken in China und den USA. Dabei geht es um eher kleine Lagerstapler zum Handling von Paletten, wie man sie vor allem in Lebensmittelmärkten, aber auch bei Produktionsfirmen und Logistikern sieht. Es sind vor allem preiswerte Geräte mit relativ wenig technischen Finessen, die von den Kunden als Standardprodukte nachgefragt werden. Das von dem Gründer He Jinhui zu internationaler Größe geführte Privatunternehmen ist auf jährliche Wachstumsraten von mindestens 20% in den letzten acht Jahren ebenso stolz wie auf seine Innovationskraft. Die will Kion durch die nun engere Anbindung für sich nutzen. „Wir definieren die Produkte, die EP Equipment für uns produziert und die wir dann verkaufen“, sagt Hauger. Gefragt sei das in China, aber auch in anderen Teilen der Welt. Für EP wiederum eröffnet die Zusammenarbeit ebenfalls Wachstumsperspektiven. „Das Unternehmen bekommt über uns einen deutlich besseren Zugang zu Märkten außerhalb Chinas“, sagt Hauger.
China investiert in Lagertechnik
Für Kion ist die Partnerschaft gleichzeitig ein weiterer Schritt, das Wachstum in Fernost voranzutreiben. „Die Partnerschaft mit EP Equipment ermöglicht Kion nicht nur eine gute Ergänzung des Produktangebots, sondern ist auch ein interessanter weiterer Schritt in den chinesischen Markt, der in den letzten Jahren extrem stark gewachsen ist“, sagt Gordon Schönell, Analyst beim Bankhaus Lampe. Schon heute ist der Konzern der größte ausländische Hersteller von Flurförderzeugen in China mit 4.000 Mitarbeitern vor Ort. Zur Präsenz gehören ein eigenes Werk und eine eigene Entwicklung ebenso wie eigene Verkaufs- und Serviceteams. Dass das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft ist, zeigen die jüngsten Wachstumszahlen des chinesischen Markts für Flurförderzeuge. Er ist 2017 um 39% gewachsen, während die Raten etwa in Nordamerika lediglich bei 11% und in Deutschland gerade mal bei 7% lagen. Gleichzeitig setzt sich der Trend zu lagertechnischen Geräten und damit zu einem Bereich, in dem EP Equipment immer neue Kunden gewinnt, fort. In Europa ist der Anteil dieses Produktsegments am gesamten Flurförderzugvolumen in den letzten zehn Jahren von 52% auf 62% gestiegen, in Nordamerika von 40% auf 48%. Das Besondere in China: Hier entwickelt sich der Trend ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau. Das Segment hat dort aktuell erst einen Anteil von 23% erreicht. Entsprechend hoch ist das Nachholpotenzial. „China will die von modernen lagertechnischen Fahrzeugen geprägten Strukturen, wie wir sie seit vielen Jahren schon am europäischen Markt sehen, jetzt auch“, sagt Schönell. Das gehe einher mit der Abkehr von den verbrennungsmotorischen Gegengewichtsstaplern. Diese auch als „Arbeitspferde mit Dieselmotoren“ bezeichneten Stapler nehmen in China noch fast zwei Drittel des Marktes ein, in Europa nur noch 15%. Außer Frage steht, dass allein schon mit Blick auf die Umwelt und die höhere Effizienz nun auch in China der Trend hin zu batteriebetriebenen Fahrzeugen gehen wird.
FAZIT
Die Firmengeschichte von Kion ist schon immer stark von M&A-Aktivitäten geprägt. Hierdurch konnte das Unternehmen wiederholt seine technologische Position ausbauen oder den Zugang zu einem Markt verbessern. Die Minderheitsbeteiligung an EP Equipment passt in diese Strategie und hilft beiden Partnern, ihre Position im boomenden Markt der Lagertechnik weiter zu stärken.
KURZPROFILE
KION GROUP AG
Gründungsjahr: 2006
Branche: Nutzfahrzeuge und Lieferkettenlösungen
Standort: Frankfurt
Mitarbeiter: über 31.000
Umsatz 2017: 7,7 Mrd. EUR
EP Equipment
Gründungsjahr: 1999
Branche: Flurförderzeuge und Lagertechnikgeräte
Konzernsitz: Anji
Mitarbeiter: mehr als 1.000
Umsatz 2017: k.A.
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Norbert Hofmann ist Gastautor.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch