Bei Übernahmen und Fusionen machen sich Unternehmen über die verschiedensten Themen Gedanken – nur die Software-Bestände der Partner gehören selten dazu. Doch das kann problematisch und vor allem teuer werden. Daher empfiehlt es sich, im Vorfeld Verträge mit Software-Anbietern und Lizenzen genau zu prüfen.
Eingehende Prüfungen und Risikomanagement sind selbstverständlich integraler Bestandteil jedes M&A-Deals, allerdings wird in Due Diligence Best Practices ein Aspekt gerne vernachlässigt: Software und Software-Lizenzen sind heute echte Unternehmenswerte, die enorme Ausmaße erreichen können. Bei Übernahmen ergeben sich daraus gleich zwei Risiken: Entweder bezahlt das Zielunternehmen zu viel für seine Software-Lizenzen und verursacht dadurch zu hohe Kosten, oder es ist unterlizensiert und stellt so ein Compliance-Risiko dar.
Überblick geht leicht verloren
Erst durch das Ausmaß der heutigen IT-Nutzung und der Geschwindigkeit, mit der sich diese weiterentwickelt, konnten Probleme in einer solchen Größenordnung entstehen. Heutzutage setzen Unternehmen so viel Technologie ein, wie vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar gewesen wäre. Cloud-Anwendungen und Bring your own Device-Regelungen führen nicht selten dazu, dass IT-Verantwortliche den Überblick über ihre eigenen Infrastrukturen verlieren. Das wird auch dadurch verstärkt, dass Cloud-Anwendungen oft nicht zentral von der IT, sondern von den Fachabteilungen selbst eingekauft werden. So ergibt sich eine große Kluft zwischen der massiv zunehmenden IT-Nutzung im Unternehmen und der schwindenden Kontrolle durch die IT.
Für einen CFO, der die Übernahme eines Unternehmens vorbereitet, reicht es deshalb nicht, sich nur die Zahlen der IT anzusehen, da diese wahrscheinlich gar nicht die gesamte Software-Nutzung erfassen. Er sollte sich vielmehr ein umfassendes Bild der Lizenzsituation verschaffen und gründlich überlegen, wie diese im verschmolzenen Unternehmen aussehen wird und wo sich Einsparpotentiale ergeben.
Unternehmenskauf bedeutet nicht zwingend Übernahme derLizenzen
Due Diligence muss auch die Planung darüber umfassen, was mit den Software-Nutzungsrechten der übernommenen Firma nach der Fusion geschieht. Eine gefährliche Annahme – die sich oft als teurer Fehler erweist – ist davon auszugehen, dass nur, weil ein Unternehmen erworben wurde, damit automatisch dessen Software-Rechte in den eigenen Besitz übergehen.
Tatsächlich werden viele Unternehmenssoftware-Lizenzen mit spezifischen Eigentumsvorbehalten verkauft, die verhindern, dass Ansprüche auf ein neues Unternehmen übertragen werden, auch im Falle einer Übernahme. Im besten Fall erheben Softwarehersteller eine Gebühr für eine solche Eigentumsübertragung. Im schlimmsten Fall ist dies vertraglich nicht erlaubt, so dass die Käuferseite entscheiden muss, ob eine neue Lizenz erforderlich ist oder ob sie ihre eigenen bestehenden Verträge auf die neuen Systeme erweitern kann.
Sparpotentiale nach einer Fusion
Neben den diversen Risiken bietet sich nach einer erfolgten Fusion oder Übernahme aber auch die Gelegenheit die Kosten für Software zu senken. Vor allem durch diese vier Maßnahmen:
1. Ausgabenoptimierung:
Es ist naheliegend, aber effektiv: Verantwortliche sollten nach Software-Lizenzen suchen, die in beiden Unternehmen vorhanden sind. Für jeden dieser Titel müssen sie klären, ob diese Doppellizensierung sinnvoll ist, da die Software auch in diesem Umfang genutzt wird. Oder reicht vielleicht eine günstigere Version mit weniger persönlichen Lizenzen?
2. Effizienzsteigerung:
Als nächster Schritt sollte abgeklärt werden, ob es ähnliche Software-Lösungen gibt, die sich durch eine gemeinsame ersetzen lassen, die den gleichen Funktionsumfang bietet. Durch den dezentralisierten Einkauf von Software kommt es oft vor, dass es in einem Unternehmen verschiedene Lösungen für ein und dasselbe Problem gibt.
3. Konsolidierung von Lizenzen:
Wenn doppelte Lizenzen gefunden wurden, sollte geklärt werden, wie diese auf andere Mitarbeiter umgeschrieben werden können, die sie brauchen. Einige Lizenzvereinbarungen verbieten eine sofortige Neuzuordnung von Lizenzen, dann sollte man klären, in welchem Zeitrahmen dies möglich ist.
4. Software-Nutzung und -Lizensierung in Einklang bringen:
Umfassendes Software Asset Management (SAM) stellt sicher, dass Unternehmen Governance und Compliance einhalten, indem sie die Versionen und Lizenzrechte für ihre gesamte Software rationalisieren. Durch einen Gesamtüberblick über alle Software-Arten und -Versionen hilft SAM bei der Formulierung einer konsistenten M&A-IT-Strategie.
Fazit
Viele Unternehmen haben den Einfluss von Software-Beständen und Lizensierung auf den M&A-Bereich noch nicht im Blickfeld, Software-Anbieter allerdings schon und so ist es keine Seltenheit, wenn nach einer Fusion oder Übernahme ein Audit ansteht. Kommen mehrere Anbieter gleichzeitig auf diese gewinnbringende Idee, kann das unvorbereiteten Unternehmen teuer zu stehen kommen. Deshalb sollten Überlegungen zur Software Compliance von Anfang an ein Teil jeder M&A-Strategie sein.
Zur Person
Benedict Geissler ist seit Januar 2014 Geschäftsführer und Regional Business Manager Central, Eastern & Southern Europe bei Snow Software, einem internationalen Anbieter von Software-Asset-Management-Lösungen mit Niederlassungen in Stuttgart und Mailand sowie internationalem Hauptsitz in Stockholm, Schweden.
Der diplomierte Volkswirtschaftler verfügt über 19 Jahre Erfahrung im IT-Bereich und war in der Vergangenheit unter anderem für FileNet sowie für IBM tätig, wo er zuletzt als Leader General Business Software Group Germany und Niederlassungsleiter verschiedene Führungsaufgaben innehatte.
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