„Unbedachtheit ist ein Schwachpunkt bei Auslandsinvestitionen“

Unternehmedition: Bei den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Kanzleien gibt es zahlreiche chinesische Mitarbeiter. Dadurch müssten sich diese Probleme doch vermeiden lassen?

Guo Yufang: Aber gegenwärtig beschränkt sich der Servicelevel der chinesischen Mitarbeiter bei den großen Dienstleistern lediglich aufs Übersetzen. Jedoch sollte deren Aufgabe nicht allein das Übersetzen sein, sie sollten vielmehr noch über das entsprechende Fachwissen verfügen. Das bedeutet, sie müssen nicht nur das chinesische Unternehmen kennen, sondern sollten auch über die Gegebenheiten der Unternehmen im Zielland Bescheid wissen. Sie müssen also mit beiden Seiten sehr gut vertraut sein. Aber es gibt viele China Desks, bei denen die Mitarbeiter nur etwas von der einen Seite verstehen, doch nichts von der anderen. Das heißt, die sprachliche Verständigung bereitet ihnen womöglich keine Schwierigkeiten, allerdings sind sie in Bezug auf die eigentliche Dienstleistung nicht professionell genug. Dies führt zu einem Mismatch zwischen dem Bedarf der chinesischen Unternehmen und dem Service der Berater. Hinzu kommt, dass bei den Dienstleistern die Verständigung zwischen den chinesischen Kollegen und den europäischen Spezialisten vor Ort nicht immer hundertprozentig klappt.

Unternehmedition: Seit einigen Jahren steigt die Zahl chinesischer M&A-Transaktionen in Deutschland und Europa stark an. 2014 wurden in Deutschland 36 Deals gezählt. Glauben Sie, dass dieses Momentum anhalten wird?

Guo Yufang: Es hat gerade erst begonnen. Ich glaube, dass in den kommenden Jahren die Zahl der Deals ununterbrochen steigen wird. Aber die Akteure und auch das Volumen der Transaktionen werden sich in bestimmter Weise ändern. Lange Zeit wurde die Mehrzahl der grenzübergreifenden Beteiligungen und Übernahmen von Großunternehmen oder Staatsbetrieben durchgeführt. Jetzt aber steigen auch kleine und mittlere Betriebe ins Cross-Border M&A-Geschäft ein. Was das Volumen anbetrifft, so werden die einzelnen Deals zwar tendenziell kleiner, aber die Gesamtheit der Transaktionen wird auf jeden Fall zunehmen. Und die Zahl der Deals wird enorm sein.

Unternehmedition: Kommen wir speziell zu Deutschland und China: Mit Blick auf das Engagement chinesischer Investoren hierzulande bieten sich mit dem Konzept „Industrie 4.0“ Anknüpfungspunkte zum Pekinger Plan „Made in China 2025“. Welche Perspektiven sehen Sie hier?     

Guo Yufang: Hier sind die Möglichkeiten enorm! Denn in China ist beim sogenannten „Zusammenschluss von Forschung und Technik“ und darauf bezogenen M&A-Projekten nicht nur die Verbindung von Hightech und neuen Technologien gemeint, sondern vielmehr auch der Zusammenschluss von industriellen Verarbeitungsprozessen, Fertigungslevels und Management-Methoden. Diese Erkenntnis ist sehr wichtig. In China ist die fertigende Industrie der Ausgangspunkt für die Entwicklung des ganzen Landes. Allerdings sind jetzt schon in der einfachen und grundlegenden Fertigungsindustrie sehr große Überkapazitäten zu erkennen. Wenn diese Industrien überleben wollen, werden sie sich unbedingt hinsichtlich des Niveaus der Fertigung und der industriellen Prozesse sowie bei den Management-Methoden steigern müssen. Aber diese ganze Systematik ist in China noch sehr lückenhaft und muss in entwickelter Form aus Europa eingeführt werden. Europäische Länder wie Deutschland oder Holland sind hier führend.

Unternehmedition: Worin bestehen dann konkret die Anschlusspunkte der beiden Konzepte?

Guo Yufang: Bei dem deutschen Konzept der „Industrie 4.0“ geht es darum, mithilfe der Informationstechnologie die Alllokation der Ressourcen in der Fertigung noch effizienter und rationeller zu gestallten. Dadurch erreicht man einen höheren Level in der Fertigung. Also geht es nicht einfach nur um Fortschritte in Forschung und Technik, sondern vor allem um die Effizienz bei der Umsetzung in der Praxis. „Made in China 2025“ zielt darauf ab, zum Niveau der High-End-Fertigungsindustrie in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten aufzuschließen. So gesehen gibt es für die Zusammenarbeit einen riesigen Spielraum. Für China als ein Land mit großer Fertigungsindustrie bestehen außergewöhnlich gute Möglichkeiten für ein Matching in diesem Bereich.

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