„Unbedachtheit ist ein Schwachpunkt bei Auslandsinvestitionen“

Unternehmedition: Sind Sie der Meinung, dass dieser Trend in der industriellen Entwicklung sich künftig auf die M&A-Aktivitäten chinesischer Unternehmen in Deutschland auswirken wird?

Guo Yufang: Auf jeden Fall. Wir waren vergangenes Jahr mit einem deutsch-chinesischen M&A-Deal befasst. Damals stand das deutsche Unternehmen aufgrund der hohen Fertigungskosten in Europa vor der Insolvenz. Angesichts des Drucks aus China mit seinen niedrigeren Herstellungskosten stehen viele Betriebe in Deutschland sicherlich vor Problemen – außer sie sind im High-End-Fertigungsbereich tätig. Nach der Übernahme durch das chinesische Unternehmen führte dieses die Management-Methoden des deutschen Betriebs in China ein. Dies resultierte dort dann in einer sprunghaften Steigerung der Produktqualität und der Markenwirkung. Gleichzeitig verschaffte die Übernahme dem fast insolventen deutschen Unternehmen wieder Luft. Denn die deutsche Seite brachte ihre Marke, den Markt sowie Know-how im Design und Management ein und die chinesische lieferte die günstigen Verarbeitungskapazitäten. Mit dem Zusammenschluss beider Firmen sanken die Kosten auf einen Schlag, die Qualität dagegen wurde gesteigert. Und die Marktanteile erhöhten sich deutlich. Diese Kongruenz findet man häufig beim Zusammenschluss deutscher und chinesischer Unternehmen. Allerdings hinkt China gleichzeitig bei Forschung und Entwicklung weit hinter Deutschland her. Um die Unterlegenheit auf diesem Gebiet auszugleichen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, kommen immer mehr chinesische Unternehmer auf der Suche nach Möglichkeiten für einen Technologietransfer nach Deutschland und Westeuropa. Damit nehmen notwendigerweise die M&A-Aktivitäten chinesischer Unternehmen in Deutschland deutlich zu.

Unternehmedition: Ein Grund dafür, dass die Übernahme deutscher Unternehmen durch chinesische Investoren in jüngster Zeit häufig recht erfolgreich verlief, liegt womöglich darin, dass die neuen Eigentümer oftmals wenig in den alltäglichen Betrieb der übernommenen Unternehmen eingreifen. Wie sehen Ihre Erfahrungen diesbezüglich aus?

Guo Yufang: Nicht in den operativen Betrieb einzugreifen, ist nicht immer eine gute Sache. Das ist eine Lehre aus unseren Erfahrungen. Wenn Firmen aus China nach Europa kommen, ist es zunächst nicht verkehrt, wenn sie davon ausgehen, dass die hiesigen Unternehmen an sich besser in ihrem operativen Management sind als die chinesischen. Aber auch in Europa und in Deutschland gibt es in jeder Branche die unterschiedlichsten Unternehmen und einige werden eben besser geführt als andere in der Branche. Wenn ein chinesisches Unternehmen hierher kommt, sollte es nach einem Branchenführer Ausschau halten und nicht irgendeinen beliebigen Kandidaten für eine Übernahme wählen. In letzterem Fall kann es sein, dass das Unternehmen schlechter betrieben und gemanagt wird als Mitbewerber aus derselben Branche. Doch der chinesische Käufer weiß nicht, wie er das beurteilen soll.

Unternehmedition: Welche Stolperfallen lauern in diesem Zusammenhang noch?

Guo Yufang: Es kommt hinzu, dass nicht wenige Unternehmer aus China auf günstige Schnäppchen aus sind. Günstige Targets werden aber möglicherweise nicht gut geführt und nehmen daher im Branchenvergleich hintere Plätze ein. Zudem überlassen einige chinesische Firmen nach einer Akquisition in Europa alle Befugnisse dem Geschäftsführer vor Ort. Jeder Mensch hat Schwächen. Wenn der Geschäftsführer vor Ort über weitgehende Entscheidungsgewalt verfügt, kann es zu Problemen wie Korruption kommen. Das chinesische Unternehmen entdeckt womöglich erst nach einer Weile, dass der Geschäftsführer um seiner persönlichen Interessen willen denen des Unternehmens geschadet hat. Im schlimmsten Fall führt dies am Ende sogar zur Insolvenz. Dementsprechend darf eine chinesische Firma nach einer Akquise in Europa auf keinen Fall einfach die Hände in den Schoß legen und sich nicht mehr um das übernommene Unternehmen kümmern. Stattdessen muss sie aktiv die Performance des Managements vor Ort tracken und kontrollieren. Für dieses Tracking und die Kontrolle braucht es Know-how und Erfahrung, die chinesischen Unternehmen aber häufig fehlen. Entsprechend diesem aktuell vorhandenen Bedarf spezialisieren sich inzwischen einige neu am Markt aufgetauchte Firmen darauf, Investoren aus China bei Aufgaben zu unterstützen, die sie selbst nicht bewältigen können.

Unternehmedition: Herr Guo, vielen Dank für das Gespräch!

Praxis_Interview_Guo Yufang_b150Guo Yufang ist Gründer und Chairman der Kanzlei Jomec in Rotterdam. Jomec ist exklusiver Partner für das China-Business der Investmenbank Clairfield International. Vor der Gründung seiner eigenen Kanzlei im Jahr 2003 war der auf internationales Recht spezialisierte Jurist u.a. für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte sowie Andersen Consulting tätig. Bei Andersen und zuvor bei De Brauw Blackstone Westbroek, der größten Kanzlei Hollands, leitete er jeweils den China Desk.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch