Deutsche Start-ups haben es hierzulande nicht gerade leicht, einen Geldgeber für die Verwirklichung der Finanzierung ihres Wachstums zu finden. Der Grund: In Deutschland gibt es immer noch zu wenig Venture Capital (VC) für sogenannte Late-Stage Finanzierung mit Finanzierungsvolumina von mehr als 20-30 Mio. EUR. Zum vergleichsweise schwach ausgeprägten Risikokapital-Markt und dem Mangel an Equity-Kultur kommt noch hinzu, dass Bund und Länder Unternehmensgründern jährlich lediglich eine bescheidene Summe von 628 Mio. EUR zur Verfügung stellen. Damit fehlt notwendiges Kapital, um aus innovativen Geschäftsmodellen erfolgreiche Leuchtturmunternehmen „Made in Germany“ hervorzubringen, die schnell skalieren und sich international gegenüber der Konkurrenz durchsetzen können.
Hier spielt die Investitionsbereitschaft ausländischer Geldgeber eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung und dem Wachstum der deutschen Start-up-Szene. Neben den allseits bekannten Finanzinvestoren aus dem Silicon Valley geht besonders eine Nation in Deutschland auf Einkaufstour: China. Zunehmend investieren chinesische Unternehmen immense staatliche Mittel in deutsche Tech-Ökosysteme. Zwar stehen die USA in der Rangliste ausländischer Investitionen nach Deutschland noch vor China, doch der Trend ist rückläufig und Experten erwarten, dass der Anteil chinesischer Übernahmen – im Gegensatz zu dem anderer Nationen – weiter stark steigen wird.
Chinesische Investoren schauen nach deutschen Tech-Unternehmen – aber nicht blind
Doch obwohl deutsche Technologie in China einen hohen Stellenwert genießt, führt China nicht lediglich eine einfache „Einkaufstour“ durch. Und der Mythos, China würde nur Geschäftsmodelle aus dem Westen kopieren und mit nur geringen Modifikationen auf dem eigenen Markt vertreiben, ist längst entzaubert worden. Anders als hierzulande, erfordert das Digitale in China keine Erwähnung mehr, es ist ein selbstverständlicher Teil des Alltags. China muss, vor allem im Bereich der Digitalisierung, nicht Deutschland „kopieren“, weil die chinesische Kultur das Internet und Smartphones förmlich aufgesogen hat. Für Chinesen spielen Computer und Laptops eine geringe Rolle, denn für sie erfolgt der Gang ins Internet automatisch mit dem Smartphone.
China verfolgt eine klare industriepolitische Strategie, die sich an den verändernden gesellschaftlichen und soziökonomischen Faktoren innerhalb des Landes orientieren. Die M&A-Aktivitäten chinesischer Investoren fokussieren sich seitdem vermehrt Schlüsselbranchen, in welchen China künftig die weltweite Technologieführerschaft übernehmen möchte – z. B. Erneuerbare Energien, Biotechnologie, Medizintechnik, Künstliche Intelligenz aber auch der Fintech-Bereich. Bekannte Beispiele für Letzteres sind die Beteiligung des chinesischen Versicherers Ping An an Finleap oder die Serien-A-Finanzierung der Investmentgroup Fosun für die Hamburger Naga Group im vergangenen Jahr.
Innovation und Geschäftsmodell steigern die Attraktivität
China ist mit Blick auf Beteiligungen, Fusionen und Übernahmen mittlerweile ein wählerischer Akteur geworden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Kauflust trotz verfügbaren Kapitals in vergangener Zeit ein wenig abgenommen hat. Bis vor kurzem waren die Aufschläge chinesischer Investoren noch ziemlich hoch und lagen höher als die marktüblichen 40% auf den Stand-alone-Wert. Doch diese Zeit scheint vorbei zu sein. Zwar investierten chinesische Unternehmen im vergangenen Jahr 10 Mrd. EUR in deutsche Unternehmen, der Großteil fiel jedoch auf etablierte Firmen. Mit Blick auf Start-ups analysieren chinesische Unternehmen mittlerweile genauer die Objekte ihrer Begierde. Der Fokus liegt nun mehr denn je auf Qualität denn Quantität.
Jungunternehmen müssen daher insbesondere mit technischer Innovation und einer Wachstumsstrategie sowie einem spannenden Geschäftsmodell mit internationalen Ambitionen punkten, wenn sie ihre Attraktivität gegenüber chinesischen Investoren steigern möchten. Denn letztlich werden durch solche M&A-Transaktionen Synergien geschaffen, von denen auch die deutschen Start-ups profitieren können. Hier können Unternehmen eine solide Brücke zum chinesischen Festland bauen und erhalten so direkten Zugang zu den asiatischen und weltweiten Märkten.
Zur Person
Christian Saxenhammer ist Managing Director der Berliner M&A Boutique Saxenhammer & Co. Corporate Finance GmbH. Vor seiner Tätigkeit bei Saxenhammer & Co. arbeitete er bei der Lincoln International AG als Managing Director der der von ihm gegründeten Special Situations Group. Christian Saxenhammer hat mehr als 170 M&A-Transaktionen begleitet. Den Schwerpunkt bilden dabei Transaktionen in Sondersituation. Er hat zudem GSS, ein internationales Netzwerk von M&A-Boutiquen mit Fokus auf Sondersituation mit Partnerfirmen in China, den USA, Brasilien, Großbritannien, Singapur und Indien, gegründet. Vor seiner Zeit bei Lincoln International war er als Senior-Consultant im Roland Berger Restructuring Team Berlin und als Analyst bei der Commerzbank London tätig. Christian Saxenhammer studierte Business Administration an der University of Portmouth in Großbritannien und in Münster.
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