Asiatisch-Pazifische Freihandelszone: Die RCEP als Chance statt Bedrohung

Asiatisch-Pazifische Freihandelszone: Die RCEP als Chance statt Bedrohung
Quelle: Adobe Stock; © prathaan

Man hört es derzeit immer wieder: die Corona-Krise wirke wie ein Katalysator und beschleunige derzeit viele Wirtschaftstrends, die sich vorher zaghaft andeuteten. Sei es bei der Digitalisierung in Unternehmen, der Debatte um mobiles Arbeiten oder auch dem Hinterfragen der Lieferketten. Jetzt macht sich ein weiterer Trend bemerkbar. Die Asien-Pazifik-Region, die aktuell 29 Prozent des weltweiten Handels ausmacht, erholt sich wirtschaftlich insgesamt schneller von der Pandemie als der Westen. Laut Internationalem Währungsfonds soll Chinas Bruttoinlandsprodukt 2020 insgesamt trotz Pandemie sogar um 1,9 Prozent steigen. Während man hierzulande also noch mit Sperrstunden und Social Distancing beschäftigt ist, scheint sich in weiten Teilen Chinas das Wirtschafts- und Sozialleben wieder zu normalisieren. Da empfinden viele die neue Freihandelszone „Regional Comprehensive Economic Partnership“, kurz RCEP, als Signal für den Beginn einer neuen Weltwirtschaftsordnung.

Die neue Freihandelszone

15 Staaten aus dem asiatisch-pazifischen Raum haben sich am 15. November 2020 zusammengeschlossen und auf dem 37. ASEAN-Gipfel das regionale Handelsabkommen unterzeichnet. Mit der vereinbarten weltgrößten Handelszone werden nicht nur 2,2 Milliarden Menschen, also 45 Prozent der Weltbevölkerung, enger verbunden. Im Zuge der Partnerschaft, die 2022 in Kraft treten soll, werden circa 92 Prozent der Zölle abgebaut und gemeinsame Handelsregeln festgelegt, die über das Regelwerk der WTO hinausgehen. Das wird letztendlich die regionalen Lieferketten vereinfachen. Neben China, Japan, Südkorea, Singapur, Vietnam, Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Myanmar, Brunei, Laos sowie Kambodscha gehören auch Australien und Neuseeland zu den Unterzeichnern. Eine zusätzliche Besonderheit ist, dass das Abkommen erstmals die ostasiatischen Mächte Südkorea, Japan und China wirtschaftlich miteinander verbindet.

Das ursprüngliche RCEP-Mitglied Indien zog sich während der Verhandlungen aufgrund von Unstimmigkeiten im Bereich Marktzugang für Waren, Dienstleistungen und Investitionen sowie digitalem Handel zurück. Doch auch ohne Teil des Handelsabkommens zu sein, ist Indien ein Land mit großem Wachstumspotenzial. Vor allem in den Bereichen technische Innovation und Digitalisierung gewinnt das Land mit starken Standorten wie Bengaluru (bis 2006 Bangalore) immer mehr an Einfluss.

China als zentrale Größe der RCEP

Vereinbarungen zum Arbeitsschutz und Umweltstandards beim Abkommen fehlen gänzlich und das wird zurecht bemängelt. Doch statt sich nun zu lange darauf zu konzentrieren, welche Aspekte das Abkommen vernachlässigt, gilt es nun vielmehr zu hinterfragen, wie Deutschland und die EU vorangehen sollten, um nicht abgehängt zu werden. Denn das Ziel der EU, ihre Handelsbeziehungen zu diversifizieren, schreitet bisher zu langsam voran. Die Verhandlungen mit dem südamerikanischen Mercosur-Bund (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay) stocken wegen Unstimmigkeiten im Bereich Umwelt und insbesondere des Regenwaldes. Dem CETA-Abkommen mit Kanada wiederum fehlen immer noch die Ratifizierungen aufgrund von verfassungsrechtlichen Fragen.

Ja, China ist die zentrale Größe in der Region und ja, die USA und Europa werden einen erhöhten Wettbewerbsdruck zu spüren bekommen. Doch diese Entwicklung war angesichts der US-amerikanischen und europäischen Außenhandelspolitik der letzten Jahre nur eine Frage der Zeit. China zeigt mit der Unterzeichnung des Abkommens in Hanoi, dass Maßnahmen wie Sanktionen und Investitionsverbote den Aufstieg der Wirtschaftsmacht nicht stoppen können. Ein fortwährender Handelskrieg kann keine Option sein – dies haben auch die asiatischen Nachbarn erkannt und sich für den Weg der Handelskooperation entschieden.

Fazit

Sobald ratifiziert, wird die Freihandelszone RCEP den Verwaltungsaufwand für Unternehmen im asiatisch-pazifischen Raum reduzieren und den Schwerpunkt der Weltwirtschaft weiter nach Osten verschieben. Damit wird die Freihandelszone aber nicht die Weltwirtschaft grundlegend verändern und zur Bedrohung für Deutschland und die. Immerhin hat die EU auch eigene, weitaus ehrgeizigere Abkommen mit wichtigen Mitgliedern der RCEP wie Südkorea, Singapur und Japan vereinbart.

Die Finanzwelt profitiert sogar von der Handelsliberalisierung, denn Investitionen im asiatischen Handelsraum rücken durch das Abkommen noch mehr ins Visier der Anleger und Investoren. Durch den Abbau von Hürden abgebaut und stabilere Regelwerke macht RCEP auch Aktien aus Asien interessanter. Hinzu kommt, dass die Partnerschaft ein starkes Vertrauen in die Region und Offenheit für tiefergehende Verhandlungen signalisiert, wie beispielsweise zwischen China, Japan und Südkorea.

Der Premierminister von Singapur, Lee Hsien Loong, erklärte bei der Unterzeichnung des Abkommens, es sei „ein großer Schritt vorwärts in einer Zeit, in der der Multilateralismus an Boden verliert und sich das globale Wachstum verlangsamt“. Für die asiatischen Wirtschaften wird also nicht nur Corona ein Katalysator sein, sondern auch die regionale, umfassende Wirtschaftspartnerschaft, wie RCEP übersetzt heißt. Festzuhalten ist auch, dass deutsche und europäische Firmen zu den Gewinnern des Freihandelsabkommen gehören werden. Das gilt insbesondere, wenn sie bereits ihre Standorte und Supply Chains in Asien haben oder gerade dabei sind, die dortigen Märkte zu erschließen. Wir können dieser Trendwende gespannt entgegenblicken, wenn wir in Deutschland und in der EU einen positiven Nutzen aus dem Wirtschaftsaufschwung ziehen.

Heinz Hilger
Heinz Hilger

Heinz Hilger ist seit März 2019 Vorstandsvorsitzender der Standard Chartered Bank AG mit Sitz in Frankfurt, die deutschen DAX-Konzernen und mittelständischen Marktführern eine breite Palette von Bankdienstleistungen rund um ihre Geschäftsbeziehungen in Asien, Afrika und dem Nahen Osten anbietet.