Augen auf bei Sprach- und Rechtswahl

Chinesische Einflussfaktoren

Dem steht die chinesische Mentalität gegenüber, Verträge als „Punktation“, als Festhalten eines nur derzeitigen Verständnisses zu begreifen, das überlagert wird von einem in den Verhandlungen gewachsenen persönlichen Vertrauen. Entfällt das Vertrauen, so entfällt auch die Basis für den Vertrag; entwickelt sich die Realität weiter, soll sich der Vertrag der Realität anpassen und nicht umgekehrt. Eine erfolgreiche Verhandlung bedeutet nicht, das objektiv oder von einem zukünftigen Zeitpunkt rückblickend aus gesehen „Richtige“ getan zu haben, das es vielleicht gar nicht gibt, sondern gesichtswahrend einen Kompromiss zwischen den ursprünglich formulierten Positionen gefunden zu haben. Vor diesem Hintergrund wird ein chinesischer Investor immer zunächst von der möglichen Extremposition ausgehen, den – ganz kurzen formalen – Übertragungsvertrag zwar deutschem Recht zu unterstellen (sonst wird er nicht Eigentümer), den eigentlichen Unternehmenskaufvertrag aber chinesischem Recht, was (nach deutschem Verständnis) auch in chinesischer Sprache bedeutet. Von dieser Position aus gilt es nun, sich einem akzeptablen Kompromiss anzunähern. Solche Kompromisse können einerseits sein der komplette Übergang ins Englische (Sprache, anwendbares Recht, Gerichtsstand), was aus Sicht eines deutschen Veräußerers wenig vorteilhaft erscheint. Andere Lösungen könnten die Dinge je einzeln im Rahmen eines Gesamtpaketes aufteilen: So wäre die Sprache „in der Mitte“ (z.B. Englisch), das anzuwendende Recht „auf der einen Seite“ (Deutsch) und ein (Schieds-)Gericht inkl. Gerichtsstand „mehr auf der anderen Seite“ (z.B. in Singapur). Die Spielarten sind hier weit und es ist der Phantasie der Berater überlassen, welchen Kompromiss sie im konkreten Fall für die jeweils vertretene Partei für „sinnvoll“ halten. Dass dies im Zweifelsfall dazu führen wird, dass der Vertrag insgesamt nach deutschem Maßstab (s.o.) nicht mehr 100% „justiziabel“ ist, spielt dann allerdings keine Rolle mehr, sofern dies nicht ausnahmsweise das erklärte Ziel ist.

Fazit

Wer als Deutscher ein Unternehmen an einen chinesischen Investor verkauft, sollte sich der besonderen (oft rein punktuellen) Bedeutung, die Verträge für den chinesischen Vertragspartner haben, bewusst sein. Das Feilschen um Sprache und Rechtswahl ist hier wie auch bei allen anderen Punkten des Vertrages oft nicht allein sachgeleitet, sondern Weg zum Ziel eines Kompromisses.

Zur Person

 

BlaufußDr. Henning Blaufuß ist Rechtsanwalt bei Peters, Schönberger & Partner in München. www.psp.eu

Dr Henning Blaufuß ist Gastautor.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch