Aus E-Mag M&A China/Deutschland 2013
Bei jedem Vertragsabschluss über Länder- und insbesondere über Kulturgrenzen hinweg stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Verhandlungen, der Vertragsabschluss und der Vertrag selbst eher der einen oder der anderen Landessitte folgen sollen. Bei Verträgen mit chinesischen Vertragspartnern sollte dieser Frage besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Bedeutung von Sprach- und Rechtswahlklauseln
Betrachtet man diese Frage im Falle eines M&A-Prozesses über Anteile an einem deutschen Zielunternehmen nüchtern juristisch, so gebietet das deutsche Gesellschaftsrecht, dass die Anteilsübertragung als solche nach deutschem Recht stattfinden muss. Eine Übertragung nach chinesischem Recht ist schlicht unmöglich. Etwas anderes gilt für den (schuldrechtlichen) Verkaufsvertrag: Die Verpflichtung zur Übertragung, zur Zahlung des Kaufpreises und die Übernahme von Verkäufergarantien können auch nach jeder anderen Rechtsordnung begründet werden. Aus Praktikabilitätserwägungen werden – wenn das deutsche Zielunternehmen den Schwerpunkt der Transaktion ausmacht – jedoch meist beide Aspekte miteinander verbunden und der Verkaufs- und Übertragungsvertrag einheitlich formuliert, dem Recht eines Staates unterstellt und ein einheitlicher Gerichtsstand vorgesehen. Auch wenn die Erfahrung zeigt, dass anwendbares Recht und Gerichtsstand im Einzelfall durchaus eine hohe psychologische Wichtigkeit für eine Partei haben, werden diese Fragen gleichwohl in Verträgen üblicherweise am Ende geregelt und rücken damit auch in Verhandlungen ans Ende. Häufig erlebt man, wie Verträge „auf der Zeile“ besprochen werden und am Ende die – aus Sicht der Parteien bisweilen belanglose – Frage gestellt wird, welchem Recht man den Text nun unterstellen soll.
Wettbewerbsvorteil eigene Sprache
Stellt man auf eine „typisch deutsche“ Betrachtungsweise beim Erwerb einer deutschen Gesellschaft ab, so würde man sagen müssen: Übertragungs- und Unternehmensverkaufsvertrag sollten einem einheitlichen Recht folgen, dieses Recht muss (wegen des Übertragungsvertrages, s.o.) deutsches Recht sein und deshalb sollte der Vertrag auch in deutscher Sprache abgefasst sein. Das gilt vorrangig dann, wenn später einmal deutsche staatliche Gerichte über Streitfragen zu befinden haben. Denn Verträge verwenden oft Rechtsbegriffe, die im lokalen (deutschen) Recht eine spezifische Bedeutung haben und klar benannt werden können. Andere Sprachen – insbesondere etwa Englisch als häufig genutzte „internationale Vertragssprache“ – kennen manche „typisch deutschen“ Rechtsbegriffe, Rechtsfiguren und Satzstrukturen gar nicht. Damit stellen sich sowohl die Abfassung des Vertragstextes wie auch dessen spätere Rückübersetzung für ein deutsches Gericht, dessen Vertragssprache im Zweifel Deutsch ist, als Verminderung sprachlicher und damit juristischer Präzision dar. Der häufig von Beratern ins Feld geführte „Vorteil“ der Verwendung des eigenen „verhandlungssicheren Englisch“ bei den Beratungen über den Vertrag kann so schnell zum Bumerang werden.
Übliches Vorgehen bei internationalen Transaktionen
In der Praxis wird diese „reine Lehre“ in internationalen Transaktionen meist nicht durchgehalten. Zwar werden Unternehmenskaufverträge über deutsche Gesellschaften häufig deutschem Recht unterstellt, jedoch dann der Vertrag oft in Englisch abgefasst. Begründet wird dies häufig mit dem Argument, dass moderne M&A-Verträge ohnehin aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis stammen. Dieses „technische“ Vorverständnis in Bezug auf die Vertragssprache, aber grundsätzlich auch die angedeutete Kompromissbereitschaft erwartet häufig einen ausländischen (auch chinesischen) Käufer eines deutschen Unternehmens. Dies bezieht sich nicht nur auf dessen „Gegenseite“, sprich den Verkäufer und dessen (üblicherweise deutsche) Berater, sondern auch, sofern der Käufer diese einsetzt – was nur angeraten werden kann –, auf seine eigenen deutschen (Rechts-)Berater. Unabhängig von der kulturellen Situation besteht hier grundsätzlich die Erwartungshaltung, dass sich der Käufer den Gepflogenheiten des „Ziellandes“ der Investition anpasst. Die betrifft im Kern den Spruch des Juristen: „pacta sunt servanda“, Verträge sind einzuhalten. Das Beziehungsgeflecht, das anlässlich der Vertragsverhandlungen entwickelt wurde, spielt im „Arbeitsprodukt“ Vertrag überhaupt keine Rolle mehr.
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