Orientierung ist gefragt in diesen bewegten Zeiten. Auf ihrem vierten Mittelstandstag stellte Fiducia sich den Fragen deutscher Investoren zu den aktuellen Herausforderungen in China. Dazu hatte die in Hongkong ansässige Beratungsgesellschaft am 9. Februar rund 100 Manager und Unternehmer in die BMW-Welt in München eingeladen. In verschiedenen Workshops und einer Panel-Diskussion mit in China erfahrenen Managern wurde deutlich: Das Reich der Mitte und Deutschland werden bald noch mehr aufeinander angewiesen sein. Umso wichtiger aber ist es, dass die Deutschen ihre Interessen entschlossener vertreten.
Mit über 40 Jahren Consulting-Erfahrung im Chinageschäft und Büros in den wichtigsten Standorten des Landes zählt Fiducia zu einer der ersten Anlaufstellen für deutsche Mittelständler bei ihren Aktivitäten in China. Geführt wird die Gesellschaft generationsübergreifend vom Gründer Jürgen Kracht und seinem Sohn Stefan. In der Einführung wies Stefan Kracht auf die großen Herausforderungen hin, vor denen China aktuell steht. Das Land muss mit einem veränderten globalen Umfeld zurechtkommen. Vor allem der aufkommende amerikanische Protektionismus macht der Exportnation zu schaffen. Kapitalflucht und die daraus resultierende Währungsschwäche erhöhen hier zusätzlich den Druck. Hinzu kommen weitere hausgemachte Faktoren wie die massive Umweltverschmutzung.
Ende des Pragmatismus
Kracht stellt ein Ende des chinesischen Pragmatismus fest. Für die Führung- um Staats- und Parteichef Xi Jinping stehe angesichts des im Herbst bevorstehenden Parteitags die innenpolitische Stabilität an erster Stelle. Daher sei auch nicht mit substanziellen Reformen der großen Staatsbetriebe zu rechnen. Viel von ihnen ähnelten Zombies, die nur künstlich durch günstige Kredite am Leben gehalten werden. Doch zahlreiche Arbeitsplätze – und damit in beträchtlichem Maß der soziale Frieden – hängen an den Konzernen. Wie können deutsche Investoren mit dieser Situation umgehen? Kracht empfiehlt, noch mehr als bisher sich vor einer Entscheidung möglichst umfassende Informationen einzuholen: zum Markt- und Wettbewerbsumfeld, zu Standorten und zu Änderungen in den Regularien. Zudem ist es unerlässlich, ständig die eigene Performance zu optimieren, denn die chinesische Konkurrenz ist mittlerweile auch für die Besten sehr hart. Zur Verbesserung der eigenen Marktposition ist es auf der anderen Seite sinnvoll, mit ausgewählten heimischen Anbietern strategische Partnerschaften einzugehen – oder sie zu übernehmen.
Fünf Sektoren im Fokus
Grund zur Hoffnung gibt indes der demographische Wandel. Mit den Millennials ist eine neue Schicht an kauffreudigen und unabhängigen jungen Konsumenten herangewachsen. Mit ihren hohen Ansprüchen und ihrer Affinität zu E- und M-Commerce geben sie der Wirtschaftsentwicklung neue Impulse. Für die kommenden Monate sieht Stefan Kracht fünf Sektoren, die im Fokus der zentralen staatlichen Planungen stehen: Neben Services und Infrastruktur sind dies Automotive, Grüne Technologien, Medizintechnik – hier werden die Deutschen weiter attraktive Kooperationspartner bleiben.
Bündelung der Kräfte
Während die USA sich dem Isolationismus zuzuwenden drohen, verbessern sich im Gegenzug die Perspektiven für Mittelständler in China. Deutsche Unternehmen werden jetzt dort in einem noch besseren Licht wahrgenommen. Dennoch: Es fehlt an einer starken Interessenvertretung vor Ort, gerade für den Mittelstand. Auf diesen Punkt wies Fiducia-Chairman Jürgen Kracht in der anschließenden Panel-Diskussion hin. Schließlich sehen sich die deutschen Unternehmen in den letzten Jahren einem immer stärker werdenden heimischen Wettbewerb gegenüber. „China ist erwachsen geworden“, fasst Kracht zusammen. Lobbyarbeit sei angesichts des wachsenden ökonomischen Nationalismus dringend notwendig. „China versteht nur eins: Gegendruck“, so Kracht. Die Interessen der ausländischen Investoren in China vertreten seiner Ansicht nach derzeit nur die EU-Chamber mit ausreichendem Nachdruck. Speziell für den deutschen Mittelstand mit seinen über 8.000 in China tätigen Unternehmen sei eine Bündelung der Interessen und Kräfte notwendig.
Positive Erfahrungen
Trotz aller Unsicherheiten: Praktiker des China-Geschäfts konnten viel Positives berichten. So schilderte Ulrich Reichert, CEO von Wirtgen China, wie der deutsche Maschinenbauer dort seit 2001 sein Geschäft erfolgreich aufgebaut hat. Man erkannte von Anfang die Stärke des lokalen Wettbewerbs an und nahm es gezielt mit ihm auf. Mittlerweile ist Wirtgen bei verschiedenen Baumaschinen Marktführer in China unterwegs. Auch Dr. Jörg Pohlmann, Vorstand der ARRI AG, sieht für die Zukunft seines Unternehmens glänzende Perspektiven. Der Anbieter von professionellen Kameras und Beleuchtung für die Filmindustrie ist seit sechs Jahren in China. Die Branche boomt dort – dank einer stark wachsenden Mittelschicht. Jeden Tag kommen zehn Leinwände in den Kinos des Riesenlandes dazu. ARRI profitiert davon. So lieferte das Traditionsunternehmen aus München die Kameratechnik für den chinesischen Blockbuster „Great Wall“. Die beiden so unterschiedlichen deutschen Unternehmen sind für chinesische Mitarbeiter äußerst attraktiv. Sowohl ARRI als auch Wirtgen berichten von einer hohen Treue ihres Personals – eine der positiven Auswirkungen einer erfolgreichen Lokalisierungsstrategie.
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