Die Februar-Daten zur chinesischen Konjunktur haben positiv überrascht. Dennoch könnte
das Wachstumsziel der Regierung für 2022 ohne weitere Impulse verfehlt werden. Neben der laufenden Korrektur am Immobilienmarkt belasten strenge COVID-Restriktionen die
Wirtschaft. Die chinesische Notenbank wird deshalb die Zinsen weiter senken und den
Kreditimpuls damit verstärken, meint Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz.
Die chinesische Industrieproduktion lag im Februar um 7,5% über dem Vorjahreswert, nach
9,6% zum Jahresende 2021 (Konsenserwartung: 4,0%). Auch die Entwicklung im
Einzelhandel hat sich weniger verlangsamt als erwartet. Die Umsätze lagen 6,7% über
Vorjahr, nach 12,5% im Dezember (Konsens: 3,0%). Traditionell sind die Konjunkturdaten
zu Jahresbeginn volatil und von Sondereffekten der Neujahresfeierlichkeiten geprägt.
Deshalb werden die ersten beiden Monate zusammen betrachtet. Trotz der positiven
Überraschung zeigen die Werte, dass die chinesische Wirtschaft 2022 mit erheblichem
Gegenwind kämpft. Dazu gehört zum einen die laufende Korrektur am Immobilienmarkt, der mit einem Anteil von rund 30% eine enorme Bedeutung für die Gesamtwirtschaft hat. Die Korrektur strahlt auch auf die Konsumnachfrage aus und belastet den Umsatz im
Einzelhandel. Das größte Problem für die chinesische Industrie liegt nicht in
Materialengpässen oder hohen Rohstoffpreisen. Vielmehr bremsen die Restriktionen der
Regierung zur Durchsetzung der Zero-COVID-Strategie die Produktion. Dies wiederum
schwächt den chinesischen Außenhandel und ist spürbar in Europa und den USA.
Das Wachstumsziel der Regierung für 2022 von 5,5% ist wohl nur mit deutlichen Impulsen
der Geld- und Fiskalpolitik erreichbar. Vor allem die Notenbank hat hierzu Möglichkeiten.
Denn anders als in den USA und Europa ist die Inflation in China bisher nur moderat
gestiegen und liegt mit 0,9% im Februar deutlich unter dem 3%-Ziel der Regierung. Die
westlichen Sanktionen gegen Russland lassen erwarten, dass China in den kommenden
Monaten verstärkt von relativ günstigen Energieimporten profitieren wird. Vor diesem
Hintergrund ist eine weitere Lockerung der Finanzierungskonditionen deshalb nur eine Frage der Zeit. Die PBoC hat bereits einzelne Zinssätze gesenkt, wodurch der Kreditimpuls der chinesischen Wirtschaft wieder nach oben gedreht hat.
Aussichten für Anleger
Angesichts der wirtschaftlichen Unwägbarkeiten des Kriegs in der Ukraine und der
Sanktionen für Europa und die USA blicken Investoren auf der Suche nach sicheren Häfen
verstärkt Richtung China. Gleichzeitig scheint die Korrektur am chinesischen Aktienmarkt
weit fortgeschritten. Zu bedenken ist allerdings, dass die Regulierungswelle in China weiter
rollt und gerade Tech-Unternehmen zu Gunsten der aus Sicht der Führung strategisch
relevanten Industrien u.a. im Bereich Halbleiter- und Batterietechnik einzudämmen versucht.
Dr. Johannes Mayr
Vor seinem Wechsel zu Eyb & Wallwitz war Mayr seit 2011 bei der Bayern LB beschäftigt. Als Leiter Volkswirtschaft lag sein Fokus bis 2017 auf der Geldpolitik der EZB und der Konjunktur im Euro-Raum sowie auf strategischen Research-Themen wie der Analyse von Megatrends. Mitte 2017 übernahm er die Leitung der Abteilung Investment Research. Dort verantwortete er die Analyse globaler Kapitalmärkte und betreute institutionelle Kunden in den Bereichen Makro, Renten, Aktien, Währungen und Rohstoffen. 2019 sagte er als Sachverständiger vor dem Bundesverfassungsgericht zum QE-Programm der EZB aus.