Chinas erstes Zivilgesetzbuch

Am 28. Mai 2020 wurde vom Nationalen Volkskongress, dem chinesischen Parlament, das erste Zivilgesetzbuch der Volksrepublik China verabschiedet. Dieses lang erwartete Gesetzeswerk besteht aus 7 Büchern welche 1260 Paragraphen beinhalten und stellt als solches das umfassendste Legislaturprojekt seit Gründung der Volksrepublik China im Jahre 1949 dar. Das Zivilgesetzbuch tritt am 1. Januar 2021 in Kraft und löst die bis dahin geltenden zivilrechtlichen Einzelgesetze ab.

Symbolbild Chinas erstes Zivilgesetzbuch
Quelle: AdobeStock © Valery Evlakhov

Grundsätzlich soll ein Zivilgesetzbuch die zentralen Teile des Privatrechtes eines Landes kodifizieren und beinhaltet Bestimmungen zum Eherecht, Familienrecht, Erbrecht, Vertragsrecht sowie anderen privatrechtlichen Themen. Es regelt somit alle Lebensabschnitte von natürlichen Personen, von der Geburt bis zum Tod. Die Bedeutung des Zivilgesetzbuches spiegelte sich auch während des Gesetzgebungsprozesses in der breiten Beteiligung der Öffentlichkeit wider – die Entwürfe des Zivilgesetzbuches erhielten insgesamt zirka 900.000 Kommentare aus der Bevölkerung.

Da das Zivilgesetzbuch jedoch auf den bisherigen Gesetzesbestand Chinas zurückgreift, handelt es sich bei diesem Gesetzeswerk weitgehend um eine Verknüpfung bisher in Kraft befindlicher zivilrechtlicher Einzelgesetze, allerdings mit der Neuerung, dass diese nunmehr in einen systematischen und logischen Zusammenhang zueinander gebracht werden. Laut den offiziellen Ankündigungen im Zusammenhang mit dem Erlass des Zivilgesetzbuches soll auf diese Weise eine bislang fehlende Abstimmung zwischen den bisherigen Einzelgesetzen beseitigt werden.

Geschichtlicher Hintergrund

Im Zuge der Reform- und Öffnungspolitik Chinas Ende der 1980er Jahre bekannte sich die Kommunistische Partei zum Aufbau eines marktwirtschaftlichen Systems sowie der Errichtung eines Rechtsstaates unter dem Diktat der „Rule of Law“. Dies bedurfte einer Fülle an Zivilgesetzen, welche die Rechtsbeziehungen zwischen den Marktteilnehmern regeln sollten. Da jedoch der kurzfristige Erlass eines einheitlichen Zivilgesetzbuches als unrealistisch angesehen wurde, entschloss sich die Kommunistische Partei, Schritt für Schritt Einzelgesetze zu verabschieden. Dieser Prozess fand seinen Beginn im Ehegesetz (1980) und wurde mit dem Erbrechtsgesetz (1985), den Allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts (1986), Adoptionsrechtsgesetz (1991), Sicherheitengesetz (1995), Vertragsrechtsgesetz (1999), Eigentumsrechtsgesetz (2007) sowie dem Schadenersatzrechtsgesetz (2009) fortgesetzt.

Im Jahre 2014, verkündete das Zentralkommittee der Kommunistischen Partei schließlich die Absicht, ein einheitliches Zivilgesetzbuch zu erlassen. Die diesbezüglichen Entwürfe wurden 2017 und 2018 fertiggestellt, woraufhin der Nationale Volkskongress in seiner jährlichen Sitzung zuletzt im Mai 2020, das erste Zivilgesetzbuch der Volksrepublik China verabschiedet hat.

Alte und neue Umsetzungsbestimmungen

Da die zur Zeit der Verfassung dieses Beitrages in Geltung befindlichen Einzelgesetze durch das Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches am 1. Januar 2021 aufgehoben werden, tritt auch der gesamte Bestand an Umsetzungsbestimmungen, welche die bisherigen zivilrechtlichen Einzelgesetze konkretisiert haben, außer Kraft. Da jedoch das Zivilgesetzbuch in weiten Teilen – systembedingt – vage Formulierungen aufweist, entbehrt es – ohne die Existenz solcher Umsetzungsbestimmungen – einer erforderlichen rechtlichen Präzisierung. Das Oberste Volksgericht hat demzufolge bereits den Erlass von oberstgerichtlichen Auslegungen zum Ende 2020 verkündet.

Aufbau des Zivilgesetzbuches

Das Zivilgesetzbuch besteht aus ingesamt sieben Büchern:

(1) Allgemeine Bestimmungen;
(2) Sachenrechte;
(3) Vertragsrecht;
(4) Persönlichkeitsrechte;
(5) Ehe und Familienrecht;
(6) Erbrecht;
(7) Schadenersatzrecht.

Im Folgenden werden – ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben – die wesentlichen Auswirkung des neuen Zivilgesetzbuches auf kommerzielle Tätigkeiten zusammengefasst. Da diese im Abschnitt zum Sachen-, Vertrags- sowie Schadenersatzrecht zu finden sind, werden in diesem Beitrag die Bücher zu Persönlichkeitsrechten, Ehe- und Familienrecht sowie dem Erbrecht nicht behandelt.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch