Neuerungen des Zivilgesetzbuches
Sachenrechte
Das Buch zu den Sachenrechten basiert auf dem Sachenrechtsgesetz aus dem Jahre 2007 und regelt absolute Rechte an einer Sache, wie unter anderem das Eigentumsrecht, den Nießbrauch, Sicherungsrechte, etc. Eine Neuerung bringt das Zivilgesetzbuch im Zusammenhang mit dem Nießbrauch: Paragraph 367 des Zivilgesetzbuches gewährt erstmals die Möglichkeit der Vereinbarung eines Nießbrauchrechtes, d.h. eines dinglichen Nutzungsrechtes an einer Immobilie. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Nutzungsrecht eines Mieters auf Basis eines Mietvertrages ist das Nießbrauchtrecht absoluter Natur und schützt den Inhaber eines solchen Rechtes auch gegenüber dem Eigentümer sowie vor dritten Parteien.
Vertragsrecht
Mit mehr als 500 Paragraphen, in welchen die allgemeinen Grundsätze zum Zustandekommen und der Beendigung von Verträgen sowie insgesamt 19 Vertragstypen geregelt werden, handelt es sich bei dem Buch Vertragsrecht um das umfangreichste Kapitel des Zivilgesetzbuches.
Eine bemerkenswerte Neuerung ist die Regelung eines ordentlichen Kündigungsrechtes für Dauerschuldverhältnisse in Paragraph 563 des Zivilgesetzbuches. Damit wird ab 1. Januar 2021 für unbefristete Dauerschuldverhältnisse, wie unter anderem Mietverträge oder Energielieferungsverträge, ein gesetzliches Kündigungsrecht – ohne Angabe von Gründen und Einhaltung einer „angemessenen Kündigungsfrist“ eingeführt.
Inwieweit von einem solchen ordentlichen Kündigungsrecht vertraglich abgewichen werden kann, ist noch unklar und wird von den vom Obersten Volksgericht zu erlassenden Auslegungen klarzustellen sein.
Schadenersatzrecht
Ebenso wie bei den anderen Büchern, ist auch das Buch zum Schadenersatzrecht in weiten Teilen identisch mit dem bisher in Geltung befindlichen Vorgängergesetz, in diesem Fall mit dem Schadenersatzgesetz aus 2009. Als wesentliche Neuerung beinhaltet dieser Abschnitt nunmehr eine Anspruchsgrundlage für einen sogenannten Strafschadenersatz im Falle von vorsätzlich zugefügten Umweltschäden.
Das Institut des Strafschadenersatzes ist dem chinesischen Privatrecht nicht neu und wurde bereits im Zusammenhang mit der Verletzung von geistigen Eigentumsrechten sowie der Produkthaftung geregelt. Da das Schadenersatzrecht primär dem Ausgleich des erlittenen Schadens dient, werden Bestimmungen von Strafschadenersatz zur Vergeltung des Schädigers als Ausnahme angesehen.
Mit der Bestimmung in Paragraph 1232 des Zivilgesetzbuches wird nunmehr für absichtliche Umweltschäden mit schwerwiegenden Folgen ein Recht des Geschädigten zur Forderung von Strafschadenersatz eingeführt.
Conclusio
Das neue Zivilgesetzbuch Chinas stellt einen Meilenstein in der Rechtsenwicklung der Volksrepublik Chinas dar, da es als Herzstück des chinesischen Privatrechts den Anspruch erhebt, sämtliche Dimensionen des Lebens in einer Zivilgesellschaft abschliessend zu regeln. Abgesehen von seiner Bedeutung als erste vereinheitlichte und weitreichende Kodifikation des chinesischen Privatrechtes handelt es sich bei dem Zivilgesetzbuch um eine Zusammenführung bereits bestehender Einzelgesetze.
Aufgrund der weitgehend allgemein gehaltenen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches hat der Oberste Volksgerichtshof bereits angekündigt, bis Ende 2020 Auslegungen zu verlautbaren. Die tatsächlichen Auswirkungen des neuen Zivilgesetzbuches lassen sich daher erst nach Erlass der zukünftigten oberstgerichtlichen Auslegungen sowie zu erlassenden Umsetzungsbestimmungen abschliessend beurteilen.

Simona Buss
Mag. Simona Buss, ist Foreign Legal Consultant bei Burkardt & Partner Rechtsanwälte in Shanghai. Sie berät im chinesischen Wirtschaftsrecht sowie Arbeitsrecht und begleitet mittelständische, deutsche und österreichische Unternehmen bei ihren gesamten Engagements vor Ort. Als studierte Sinologin und Juristin veröffentlicht sie regelmäßig zu aktuellen Themen des chinesischen Rechts.
Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch