Durchstarten nach langem Warten

Mit der Herstellung von Leichtbauteilen aus Kohlefasern ist das sächsische Unternehmen Cotesa ein gefragter Zulieferer der Luftfahrt- und Automobilindustrie. Nach dem gelungenen Einstieg des chinesischen Konzerns AT&M als Mehrheitseigentümer steht nun die weitere Expansion an. Zuvor wurde die Übernahme einer aufwändigen Prüfung durch das Bundeswirtschaftsministerium unterzogen. Ein Verfahren, das viel Zeit und Nerven kostete.

Als der US-Flugzeughersteller Boeing im vergangenen Jahr die Cotesa GmbH mit der Herstellung von Bauteilen für einen Transporthubschrauber beauftragte, war das nicht nur ein Beleg dafür, dass Luftfahrtprodukte aus Deutschland weltweit gefragt sind. „Kooperationen wie diese ermöglichen es deutschen Zulieferern auch, ihren Kundenkreis international zu diversifizieren, um Wachstumsmärkte zu erschließen“, lobte die damalige Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries. Wenige Monate später sollte das Ministerium selbst eine wichtige Rolle bei der Expansion von Cotesa spielen. Denn der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen durch Investoren um den chinesischen Konzern Advanced Technology & Materials (AT&M), der Cotesa zusätzliche Wachstumsperspektiven eröffnet, wurde erst nach einem mehrmonatigen Prüfverfahren der Bundesregierung möglich. „Die Genehmigung für den Einstieg des Investors, der uns jetzt langfristige Stabilität garantiert, kam erst zwölf Stunden vor Ablauf der gesetzlichen Frist“, erinnert sich Geschäftsführer Jörg Hüsken an die nervenaufreibende Zeit des Wartens.

Vom Start-up zum Wachstumsunternehmen

Cotesa ist ein Hersteller von Hochleistungskomponenten aus Faserverbundwerkstoffen vor allem für die Luftfahrtindustrie. Neben Boeing gehört Airbus zu den größten Kunden. Ein zweites Standbein ist bei einem Umsatzanteil von 25% das Automobilgeschäft. Begleitet wurde das Wachstum der einstigen Garagenfirma durch private und öffentliche Finanzinvestoren, wobei sich der Umsatz in der Ägide von HPE Growth Capital und Schroder Adveq seit 2012 verdreifacht hat. Da sich diese nach der für Finanzinvestoren üblichen Zeitspanne von ihren Anteilen trennen wollten, wurde vor zwei Jahren ein Verkaufsprozess gestartet, bei dem rund 30 potenzielle Käufer aus USA, Japan und China Interesse bekundeten.

Chinesischer Investor mit strategischer Perspektive

Auf Anhieb beeindruckt war das Management von den strategischen Chancen, die AT&M aufzeigte. Der Konzern, dessen Fokus auf der Anwendung von Spezialmetallen in neuen Technologien liegt, bot Cotesa die Gelegenheit, bei zwei Flugzeugentwicklungsprogrammen als Zulieferer dabei zu sein und mit dem Fortschreiten dieser Projekte selbst zu wachsen. Nicht minder wichtig: AT&M ist nicht exitgetrieben, sondern ein strategischer Investor mit langfristigem Horizont. Gleichzeitig soll die Firma aus Sachsen samt Markennamen erhalten bleiben. „Wir haben uns für die beste Strategie entschieden, mit der wir die internationale Expansion vorantreiben können“, sagt Hüsken.

Außenwirtschaftliche Investitionsprüfung

Erwerber der Cotesa-Mehrheitsanteile ist der Werkstofffonds QFAT Composite Material mit der börsennotierten AT&M als Ankerinvestor. Hinter ihr wiederum steht als Muttergesellschaft der Staatskonzern Chinese Iron & Steel Research Group. AT&M hatte bereits im September 2017 mit Cotesa den Erwerb einer Kontrollbeteiligung vereinbart. Der raschen Umsetzung aber stand das Risiko eines Verbots durch die Bundesregierung im Weg, die insbesondere mit Blick auf chinesische Investitionen in Deutschland im Juli 2017 die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) novelliert hatte. Sie ist nun geprägt durch längere Prüffristen und neue Meldepflichten. Möglich sind sektorspezifische Verfahren, die etwa auf den Rüstungsbereich oder sensible Infrastruktur abstellen. Diesen Verfahren müssen sich alle ausländischen Investoren – auch aus EU-Ländern – unterziehen. Ein zweiter Verfahrensweg ist die sektorübergreifende Prüfung bei Unternehmensbeteiligungen mit Käufern aus Nicht-EU-Ländern, die sich mit 25% oder mehr an Stimmrechten beteiligen. Diese Prüfung kann alle Wirtschaftsbereiche betreffen, wenn Sicherheitsinteressen Deutschlands berührt sind. Im Falle von Cotesa waren die Verbindung zur Luftfahrtindustrie und der mögliche Abfluss von Know-how kritische Aspekte.

Zähe Schritte

Zwar ist die sektorübergreifende Prüfung freiwillig. Der Erwerb muss also nicht gemeldet werden. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) kann jedoch innerhalb von fünf Jahren von sich aus prüfen und den Erwerb im negativen Fall nachträglich untersagen. „Angesichts dieses Risikos sollten die Transaktionspartner genau abwägen und im Zweifel lieber von sich aus eine Unbedenklichkeitserklärung des Ministeriums beantragen“, sagt Dr. Till Steinvorth, Partner bei der Kanzlei Orrick, Herrington & Sutcliffe, die bei der Transaktion die Käuferseite beraten hat. Der vom Investor eingereichte Antrag wurde vom BMWi nach der Frist von zwei Monaten erst einmal abgewiesen. Für die weitere Prüfung waren zunächst Unterlagen einzureichen und Fragen eines mehrseitigen Katalogs sowie fallspezifische Aspekte zu beantworten. „Erst wenn alle Antworten komplett vorliegen, beginnt die Viermonatsfrist für diese zweite Phase“, erläutert Steinvorth.

Chinesische Investoren bleiben gelassen

Insgesamt zog sich die Prüfung rund sieben Monate hin. „Es ist ein sehr intransparentes Verfahren, in das neben dem koordinierenden BMWi auch Verteidigungs- und Außenministerium, Bundeskanzleramt und wohl auch der Nachrichtendienst involviert sind“, sagt Steinvorth. Den Unternehmen bleibe nicht viel mehr übrig, als schon im Vorfeld auf kritische Aspekte zu achten und das Gespräch mit dem BMWi zu suchen. Chinesische Investoren geben sich dennoch erstaunlich gelassen. „Unseren Erfahrungen nach rechnen sie damit und sehen den Verfahren sehr abgeklärt entgegen“, so Steinvorth. Deutschen Unternehmern kann der Prüfprozess zusätzliche Risiken bringen. „Ein siebenmonatiges Verfahren ohne Einblick in den Stand der Diskussion ist für ein Unternehmen wie uns, das auch in dieser Zeit der Ungewissheit große Aufträge ein halbes Jahr vorfinanzieren muss, eine gewaltige Belastung“, ärgert sich Hüsken.

Ausblick: neues Werk in China

Letztlich geht es um die Frage, ob öffentliche Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland juristisch nachweisbar gefährdet sind. Bei Cotesa war das nicht der Fall. Seit dem 16. Mai 2018 ist der Vertrag mit dem Investor unter Dach und Fach. Die Firmengründer Udo Berthold und Jörg Hüsken bleiben mit einer Sperrminorität von 25,1% der Anteile beteiligt. Der Käufer hat Investitionen in die deutschen Standorte zugesichert und bietet finanziellen Rückhalt, der für Vertrauen bei den Bestandskunden sorgt. „Die Luftfahrtindustrie ist langfristig orientiert und wünscht sich, dass ein Zulieferer auch noch in 25 Jahren am Markt ist“, erläutert Hüsken. Vor allem sollen schon bald neue Produktionskapazitäten in China neue Perspektiven bieten. Innerhalb der nächsten drei Monate beginnt auf ca. 20.000 m² Fläche der Bau eines Werks nahe Shanghai, wo in den nächsten fünf Jahren eine Belegschaft von 500 Mitarbeitern entstehen soll. Das weckt zusätzliches Interesse bei Boeing und Airbus, die sich für ihre Fertigung in China Zulieferer vor Ort wünschen. AT&M ermöglicht gleichzeitig einen besseren Marktzugang. „ Erste Gespräche mit chinesischen Flugzeugherstellern laufen bereits“, freut sich Hüsken.

KURZPROFILE

Cotesa GmbH

Gründungsjahr: 2002
Branche: Hochleistungsfaserverbundstrukturen
Unternehmenssitz: Mittweida
Umsatz 2017: ca. 65 Mio. EUR
Mitarbeiterzahl: ca. 800
www.cotesa.de


Advanced Technology & Materials Co., Ltd. (AT&M)

Gründungsjahr: 1995
Branche: Spezialmetalle in Spitzentechnologien
Unternehmenssitz: Peking
Umsatz 2016: 3,9 Mrd. RMB (500 Mio. EUR)
Marktkapitalisierung: 6,1 Mrd. RMB (790 Mio. EUR)
Mitarbeiterzahl: 950
www.atmcn.com

Norbert Hofmann ist Gastautor.

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