Ein veritabler Wirtschaftskrimi ist die Übernahme des Recycling-Spezialisten Scholz durch Chiho-Tiande über einen Debt-Equity-Swap. Die Ingredienzien: hohe Schuldenlast, eine nicht bediente Anleihe, juristische Winkelzüge – und am Ende ein Investor aus China, der den Befreiungsschlag führt. In der Ausgabe 4-2016 analysieren wir die Transaktion detailliert in einer Fallstudie. Lesen Sie hier das ausführliche Interview dazu mit Kian Guan GOH, CIO der Chiho-Tiande Group. Interview: Falko Bozicevic
Unternehmeredition: Herr Goh, könnten Sie den Deal mit der Scholz Holding kurz in eigenen Worten erläutern?
Kian Guan GOH: Die Chiho-Tiande Group (CTG), Chinas größter Metallrecycler, hat es sich zum Ziel gesetzt, das künftig weltweit führende Metall-Recycling-Unternehmen zu schaffen. Die Scholz Gruppe ist für CTG ein wichtiger Baustein, um dieses Ziel zu erreichen. Derzeit gibt es weltweit kein Metallrecycling-Unternehmen, das im gleichen Maße integriert ist, wie es CTG in Kombination mit Scholz sein wird. Hintergrund ist, dass der chinesische Recyclingmarkt gerade erst am Anfang steht. Der Markt entwickelt sich über die Zeit hinweg und wird reift. Dabei durchläuft er denselben Entwicklungszyklus, den auch die Industrieländer durchlaufen haben. Durch die Integration der beiden Teams kann viel gelernt werden. Aufgrund der Industrialisierung in China über die vergangenen Jahrzehnte werden viele langlebige Produkte in den nächsten Jahren das Ende ihrer Lebensdauer (end of life) erreichen. Der künftige Bedarf im Milliardenland China ist riesig.Die Transaktion selbst ist vergleichsweise aufwendig und anspruchsvoll, da es sich nicht um eine einfache Eigenkapital-Akquisition handelt. Aufgrund der hohen Verschuldung von Scholz mussten wir als erstes eine finanzielle Restrukturierung durch eine sogenannte „debt-to-control-Akquisition“ durchführen, welche mehrere Tranchen und Kreditgeber miteinschloss. Erst danach konnte eine Eigenkapital-Transaktion angegangen werden. Zahlreiche zusätzliche Meilensteine mussten daher bewältigt werden.
Welchen Wert sehen Sie in Ihrer neuen deutschen Beteiligung, wie lautet die Idee dahinter?
Die Geschäfte der Scholz Gruppe und von CTG sind in hohem Maße komplementär und eine Kombination ist strategisch ideal. Darüber können beträchtliche profitable Wachstumsmöglichkeiten für beide Unternehmen erschlossen werden. Der kurzfristige Vorteil ist das vorgelagerte Sourcing von Materialien. Der Zusammenschluss eröffnet für die vergrößerte Gruppe die Möglichkeit, verschiedene Quellen weltweit für die Beschaffung anzuzapfen sowie die Abhängigkeit von Zwischenhändlern zu verringern. Auf diesem Weg kann das Metall-Recycling-Geschäft auch in einem angespannten Marktumfeld profitabel betrieben werden. Der langfristige Vorteil ist eher strategischer Natur. Denn China verstärkt seinen Fokus auf nachhaltige Entwicklung und reduziert den Einfluss seines wirtschaftlichen Wachstums auf die Umwelt. Umwelt-Regulierungen und -Standards für unsere Branche werden zunehmen. Es gibt viel zu lernen von den Deutschen, die eine ähnliche Transformation durchgemacht haben, sowohl aus einer Technologie- als auch aus einer Management-Perspektive.
Scholz hatte das eigene auskömmliche Überleben die letzten Jahre nicht geschafft – weshalb meinen Sie, dass dies mit ausländischer Hilfe in Zukunft möglich sein wird?
Erstens war die finanzielle Last, die sich Scholz in den vergangenen zehn Jahren aufgeladen hat, nicht nachhaltig. Die vorangegangenen Restrukturierungen konnten die Schuldenproblematik nicht aus dem Weg räumen. Unsere finanzielle Restrukturierung zielt auf die Lösung genau dieses Problems ab. Das könnte auch ohne ausländische Hilfe erreicht werden, denn jedes Private-Equity-Unternehmen oder jeder europäische Investor mit einem Interesse an der Recycling-Industrie kann Geld auf den Tisch legen.
Und was bringt Chiho-Tiande zusätzlich ein?
Die zweite Hürde ist schwieriger zu nehmen ohne Hilfe von außen – der globale Preis für Schrott und Stahl befindet sich derzeit in einem dauerhaften Tief. Der internationale Markt für diese Ressourcen befindet sich seit Jahren in einer angespannten Verfassung und eine kurzfristige Besserung ist nicht in Sicht: 2015 sind die Weltmarktpreise noch einmal gefallen. Dem gegenüber stehen große Überkapazitäten in der weltweiten Stahlproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette, insbesondere im Stahlsegment und ferner bei Nichteisenmetallen. In diesem Umfeld ist eine Konsolidierung nötigt, um relevant und wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Bereich Metallrecycling ist CTG angetreten, um vor diesem Hintergrund selbst eine Plattform zur Konsolidierung zu schaffen.
Wie geht das?
Hierfür sind exzellente Technologie, operative Expertise und ein dichtes Beschaffungs- und Vertriebsnetz nötig. CTG ist bereits gut aufgestellt für das kommende Wachstum in China, aber es fehlen die genannten Merkmale, die Scholz mit seinem Netzwerk in Europa und den USA beiträgt. CTG eröffnet Scholz einen erweiterten Zugriff auf einen größeren und wachsenden Markt, den weder europäische Investoren noch Wettbewerber von Scholz anbieten können. Weiterhin ist CTG als gelistetes Unternehmen in der Lage, den Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten ermöglichen. Gemeinsam wollen Scholz und CTG einer der führenden Marktteilnehmer in der Recycling-Industrie weltweit sein.
Was muss man bei einem solchen Cross Border Deal wissen über das Übernahme-Target, den hiesigen Markt, den Kontinent?
Scholz hat Geschäftstätigkeiten in verschiedenen europäischen Ländern. Wir müssen die unterschiedlichen Assets verstehen, deren Performance, das Management, Betrieb und Controlling, Marktdynamiken, Produkte, Kunden und die Versorgung mit Material. Darüber hinaus müssen wir einen guten Überblick über die Probleme erhalten, vor denen das Unternehmen steht – intern wie extern – und wie diese gelöst werden können.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Kultur. Europa ist nicht ein einziges Land, sondern besteht vielmehr aus verschiedenen Kulturen und Ansätzen. Der Großteil der Mitarbeiter von Scholz wird China noch nicht bereist und kein tiefes Verständnis der chinesischen Kultur haben. Man muss in der Lage sein, sich in die Menschen vor Ort versetzen zu können. Das Team muss die Sprache der Angestellten sprechen – im wörtlichen, wie im übertragenen Sinne. In diesem Zusammenhang ist Transparenz für alle Beteiligten wichtig. Man muss auf allen Ebenen offen und adäquat kommunizieren, um die Leute abzuholen und sie für das gemeinsame Ziel – in unserem Fall die gemeinsame Zukunft von Scholz und CTG – zu begeistern.
Aus einer Deal-Perspektive war es entscheidend die Dynamik der Transaktion zu verstehen, da es eine „distressed“ Situation war und sich das Unternehmen in einer doppelseitigen Treuhänderschaft befand. Gerade hier war es sehr wichtig die Bedürfnisse beider Seiten zu verstehen, denn diese unterschieden sich sehr und benötigten eine überlegte Herangehensweise. Zusätzlich war es wichtig, Entschlossenheit und Schnelligkeit zu demonstrieren. Basierend auf vereinzelten schlechten Erfahrungen haben europäische Marktteilnehmer teilweise noch immer Vorbehalte gegenüber chinesischen Investoren, besonders wenn es um die Themen Kapitaltransfer und Transaktionssicherheit geht. CTG hingegen konnte während der Verhandlungen jeden Meilenstein rechtzeitig oder sogar früher als geplant erreichen und dadurch allen Stakeholdern das nötige Vertrauen bieten.
Inwieweit wird sich CTG als neuer Gesellschafter in das hiesige Management vor Ort involvieren?
CTG ist ein strategischer Investor, der selbst eine Branchenexpertise mitbringt. Wir schauen daher nicht nur wie Finanzinvestoren auf die Bilanz und beraten bei Finanzierungs- und Investitionsfragen. Wir engagieren uns in einem gewissen Umfang auch operativ. Hier ist beispielsweise ein Austausch von Ingenieuren und Experten zwischen CTG und Scholz sowie vice versa geplant. Aber auch in der Geschäftsführung der Scholz Recycling GmbH arbeitet mit Henry Qin künftig ein Repräsentant der CTG mit an der Neuaufstellung der Scholz Gruppe. Der Anteilseigner hat eine klare Strategie und wird sich auf ein überwiegend deutsches Management-Team verlassen, um die Strategie zu erfüllen und Scholz in die Zukunft zu führen.
Die vergangenen Jahre der Restrukturierung haben viel Zeit und Energie des Managements von Scholz verbraucht. Mit dem Abschluss dieses Kapitels, dem neuen Management-Team, bestehend aus alten und neuen Köpfen, liegt der Fokus nun auf dem Geschäft, den Kunden und den Mitarbeitern, um aus dem derzeitigen Unternehmen die „neue“ Scholz Gruppe zu formen. Nur dann wird Scholz seine Relevanz in diesem umkämpften Markt behaupten können.
Zur Person
Kian Guan GOH ist Chief Investment Officer und General Manager des Investment & Development-Bereichs der chinesischen Chiho-Tiande Group. Zuvor war Goh u.a. bei der USUM Group, BNP Paribas und Singapore Telecom.
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