„Für den Einstieg in China bieten sich vor allem konsumorientierte Unternehmen an“

Sehen Sie noch weitere Gründe für die schlechte Performance chinesischer Emittenten?

Nach dem Stimmungseinbruch haben einige chinesische Unternehmen einen Börsengang gewagt, dabei aber kaum Erlöse erzielt, was dazu geführt hat, dass diese Werte nur geringe Liquidität besitzen und somit starken spekulativen Schwankungen ausgesetzt sind. Schließlich kommen hausgemachte Probleme hinzu: Die chinesischen Manager tun sich sehr schwer mit den strikten Anforderungen der deutschen Handelsgesetze und der Börsenregularien. Die verspätete Vorlage von Jahresabschlüssen ist ein Beispiel dafür. Oft sind es nur Verzögerungen bei Übersetzungen, aber wegen des mangelnden Vertrauens werden sofort größere Probleme in der Bilanz vermutet. Schließlich haben einige der Unternehmen Ihre Ziele nicht erreicht. All das hat Vertrauen in diese Unternehmen erschüttert und führt zu abenteuerlich niedrigen Bewertungen auch sehr guter Unternehmen.

Welche Erfahrungen haben Sie in Sachen Corporate Governance bei chinesischen Unternehmen?

Corporate Governance ist ein in den hier gelisteten chinesischen Familienunternehmen völliges Neuland. Auch deutsche Unternehmen tun sich nach dem Börsengang ja oft sehr schwer mit diesem Thema. Für Chinesen ist dies ein echter Kulturschock. Denn plötzlich müssen wichtige Entscheidungen mit einem oft mit deutschen Personen besetzten Aufsichtsrat abgestimmt werden, der weit weg in Deutschland sitzt und wenig Bezug zum Markt in China hat. Hier ist eine behutsame, aber konsequente Entwicklungsarbeit zu leisten. Wenn man das Vertrauen zum Management aufgebaut hat, funktioniert die Corporate Governance ganz ordentlich. Chinesen sind wissbegierige Menschen, die gern Neues lernen und gern Rat von dem annehmen, dem sie vertrauen.

Welche kulturellen Unterschiede sind bei Verhandlungen mit chinesischen Partnern besonders zu beachten?

Es gibt enorme kulturelle Unterschiede, die man kennen sollte, wenn man sich auf die Zusammenarbeit mit Chinesen einlässt. Das fängt schon bei dem Begriff des Meetings an. Wir verstehen darunter ein Treffen, an dessen Ende ein Ergebnis stehen soll. Chinesen wollen zunächst einmal den Ergebnis offenen Austausch von Ideen und Gedanken, dann vielleicht noch ein oder zwei Treffen, ehe man dann ein Ergebnis verhandelt.

Wird es in Deutschland einen Technologie-Ausverkauf nach China geben?

Mittlerweile gehört China zu den Ländern mit den meisten Patentanmeldungen auf der Welt. Die Zeiten, in denen alles kopiert wurde, sind vorbei. China hat einen hohen technologischen Stand erreicht. Dennoch besteht bei chinesischen Unternehmen ein großes Interesse an Investitionen in den deutschen Mittelstand. Nicht nur wegen der Technologie, sondern auch wegen des hohen Qualitätsanspruchs und der hervorragenden Reputation, die der deutsche Mittelstand in der Welt genießt. China wird einer der bedeutendsten Wachstumsmärkte in der Welt bleiben, insofern ist eine intensive Verflechtung der deutschen und der chinesischen Wirtschaft sehr zu begrüßen. Der Begriff Ausverkauf passt hier nicht.

Herr Kirchhoff, vielen Dank für die interessanten Einblicke!

 

Zur Person

Klaus Rainer Kirchhoff, Gründer und Vorstandsvorsitzender, Kirchhoff Consult AGKlaus Rainer Kirchhoff ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Kirchhoff Consult AG.
www.kirchhoff.de

Robert Steininger ist Gastautor.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch