„Ich könnte Ihnen eine sehr lange Wunschliste vorlegen“

Neben Deutschland interessieren sich chinesische Investoren in Europa vor allem für Frankreich und Großbritannien. Was macht den Unterschied?

Der Markt in Frankreich unterliegt starken Schwankungen und hat seine Besonderheiten. So treten die Gewerkschaften dort härter auf als in Deutschland und auch in der englischen Sprache wird nicht so gerne verhandelt. Zudem kommen dort anders als in dem von vielen mittelständischen Firmen geprägten deutschen Markt eher große Unternehmen für chinesische Investoren in Frage. Interessant für sie sind beispielsweise Airlines, Weingüter und Autozulieferer. In Großbritannien dagegen gibt es nicht nur wegen der Sprache weniger Probleme. Die meisten M&A-Transaktionen aus China werden von in Hongkong ansässigen Investmentbanken begleitet, die häufig einen angelsächsischen Hintergrund haben. Diese Banken präsentieren lieber Targets aus dem UK oder den USA.

Bieten sich in den EU-Krisenstaaten günstige Einstiegschancen?

China sieht Krisen wie in der EU grundsätzlich als Chance für sich. Die Investoren suchen den Einstieg wie derzeit vor allem in Italien und Griechenland aber weniger wegen günstiger Kaufpreise, sondern weil sie attraktive Ziele für sich entdecken. Preisgünstige, aber instabile Targets sind für sie nicht so interessant. Denn die Hälfte der Käufer sind Staatsunternehmen, die der Regierung schon ein Jahr nach der Übernahme schwarze Zahlen präsentieren müssen. Sie müssen sich also schon deshalb für wirklich gute Assets entscheiden.

In Deutschland gibt es immer wieder Sorgen um Standorte und Arbeitsplätze, wenn chinesische Käufer Unternehmen erwerben. Zu Recht?

In der Vergangenheit wurde da in der Öffentlichkeit häufig ein verzerrtes Bild gezeichnet. In der Realität schauen sich chinesische Investoren die Unternehmen sehr genau an und suchen nicht solche, bei denen sie einen hohen Restrukturierungsbedarf erkennen. Ebenso gehört es zum Standard, dass sie mit den Gewerkschaften sprechen und in den meisten Fällen arbeiten sie mit dem vorhandenen Managern und Ingenieuren weiter zusammen. Viele Targets in Deutschland sind zudem familiengeführt und diese Unternehmer fordern beim Verkauf Zusagen für den Erhalt der Arbeitsplätze. Umgekehrt wird oft vereinbart, dass die bisherigen Eigentümer dem Betrieb noch ein bis zwei Jahre als externe Berater zur Seite stehen. Auch das spricht dafür, dass man die Standorte erhalten will. Ich habe allerdings schon erlebt, dass der Investor ein kleines deutsches Unternehmen als Plattform für die europaweite Expansion oder den Aufbau einer Forschung und Entwicklung nutzt. Das könnten solche kleineren Mittelständler allein gar nicht leisten. Kurz gesagt: Die chinesischen Investoren haben verstanden, dass ohne motivierte und kompetente Mitarbeiter in Deutschland jeglicher technologische Vorsprung in kürzester Zeit verloren geht.

Frau Sun, vielen Dank für das Gespräch.

 

Zur Person

Yi Sun ist Partnerin bei Ernst & Young (EY) und leitet dort das China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz. Sie berät sein mehr als zehn Jahren deutsche und chinesische Unternehmen bei Transaktionen sowie der Standortwahl. www.ey.com

Norbert Hofmann ist Gastautor.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch