Rechte in China vertreten und durchsetzen

Falls es für Unternehmen einmal nicht so läuft wie geplant: Krisenprophylaxe im Reich der Mitte

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Ein chinesisches Sprichwort lautet ‚Wissen ist ein Schatz, der seinen Besitzer überallhin begleitet‘. Da zwischen Deutschland und China jährlich Waren im Wert von 300 Mrd. EUR gehandelt werden, ist dies sogar wörtlich zu verstehen – denn viel Geschäft bedeutet auch großes Risiko. Und gerade, wenn es einmal nicht so läuft wie geplant, ist es von großem Wert zu wissen, was zu tun ist. Im Interview erläutern Dr. Elske Fehl-Weileder[1] und Rainer Burkardt[2], welche Möglichkeiten deutsche Unternehmen in einem solchen Fall besitzen. Das Interview führte Eva Rathgeber für die UnternehmerEdition.

Frau Dr. Fehl-Weileder, Herr Burkardt, gerade das „Krisenjahr“ 2022 hat gezeigt, wie fragil die Handelswege von und nach China mitunter sind. Welche Vorsorgemöglichkeiten haben deutsche Unternehmen als Kunden chinesischer Lieferanten?
Burkardt: Eine Option ist, die Lieferantenbasis durch neue und zusätzliche Lieferanten und Bezugsquellen in China zu erweitern. Eine Produktion in China mit einem eigenen Tochterunternehmen klingt für deutsche Unternehmen verlockend, ist jedoch alles andere als einfach: Denn der Markteintritt oder -ausbau – im Fall der Fälle auch der Marktaustritt – sind in China keine leichte Aufgabe. Nicht nur die rechtlichen, sondern auch die praktischen Rahmenbedingungen in China unterscheiden sich zum Teil erheblich von denen in Deutschland. In bestimmten Fällen kann es daher für deutsche Unternehmen zielführender sein, mit chinesischen Geschäftspartnern zusammenzuarbeiten, die die Produktion der gewünschten Güter beispielsweise im Rahmen einer Auftragsfertigung übernehmen, sich aber auch auf den Fall der Fälle vorzubereiten. So lässt sich verhindern, dass im Krisenfall das Land des Lächelns in wirtschaftlicher Hinsicht für den deutschen Geschäftspartner zum Land des Weinens wird.

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Was können deutsche Unternehmen denn zum Beispiel machen, wenn ein chinesischer Lieferant seiner vertraglichen Verpflichtung nicht nachkommt oder sie nicht erfüllen kann?
Elske Fehl-Weileder: In einem solchen Fall haben deutsche Geschäftspartner die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen – gerade mit dem Blick auf mögliche Zahlungsverpflichtungen ohne Gegenleistung oder Warenlieferung. Allerdings müssen sie für diese Option vertraglich eindeutige Liefer- und Kündigungsfristen sowie auch Vertragslaufzeiten vereinbaren. Dadurch wird es dem zuständigen Gericht in Deutschland oder in China erleichtert, den Fall im Sinne des klagenden deutschen Unternehmens zu entscheiden, wobei sich bei der Wahl des Gerichtsstands oder alternativ als Ort der Schiedsgerichtsbarkeit China anbietet, da es zwischen der Volksrepublik und Deutschland keine bi- oder multilateralen Abkommen zur Vollstreckung von ordentlichen Gerichtsurteilen gibt.

Fast alle chinesischen Lieferanten – insbesondere kleinere, finanzschwache Hersteller – verlangen eine Anzahlung von mindestens 20% des Kaufpreises. Welche Möglichkeiten bestehen bei diesen Anzahlungen im Fall einer Vertragskündigung?
Burkardt: Das ist in der Tat eine besondere Herausforderung – denn auch mit einer rechtmäßigen Vertragskündigung steht der deutsche Kunde vor dem Problem, sich seine geleistete Anzahlung zurückholen zu müssen. Vor einer Anzahlung sollten deutsche Unternehmen daher Wert darauflegen, die Bonität ihres chinesischen Geschäftspartners zu prüfen. Eine solche Prüfung ist in den vergangenen Jahren aber leider immer schwieriger und sensibler geworden, da die chinesische Regierung verhindern möchte, dass insbesondere Finanzdaten von chinesischen Unternehmen ausländischen Interessenten zugänglich gemacht werden.
Fehl-Weileder: Zu einer Bonitätsprüfung gehört aber auch, zu prüfen, ob das chinesische Unternehmen unter Umständen bereits insolvent ist. Dabei ist der Punkt wichtig, dass es in China keine Insolvenzantragspflicht gibt. Kann ein chinesisches Unternehmen seine Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen, hat das für die handelnden Personen keine unmittelbaren Folgen. Sie müssen, anders als in Deutschland, keinen Insolvenzantrag stellen – dieser Umstand kann dazu führen, dass das Vermögen des Unternehmens möglicherweise komplett verschwindet, ohne dass es zu einer geordneten Abwicklung kommt.

Welche Optionen haben deutsche Unternehmen, wenn ein chinesischer Geschäftspartner seine Rechnung nicht bezahlt?
Fehl-Weileder: Deutsche Unternehmen haben in einem solchen Fall mehrere Optionen. So können sie etwa einen Insolvenzantrag gegen das chinesische Unternehmen stellen, gegen das sie eine offene Forderung haben. Das ist allerdings mit einigen Hürden verbunden, denn je nach Größe des Unternehmens ist es nicht einfach, das zuständige Gericht für das Schuldnerunternehmen und den möglichen Insolvenzantrag ausfindig zu machen. Das richtige Gericht zu kennen ist aber von großer Bedeutung, denn nur dort kann der Antrag mit den Nachweisen über die fällige und nicht oder nicht vollständig beglichene Forderung begründet werden. Allerdings müssen sowohl der Antrag als auch die Nachweise in chinesischer Sprache eingereicht werden. Kann das Unternehmen, gegen das der Antrag gestellt wurde, nicht nachweisen, dass kein Insolvenzgrund vorliegt, wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt. Bei diesem kann der deutsche Gläubiger dann seine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Ob sich eine Forderungsanmeldung angesichts der damit einhergehenden Kosten lohnt, sollten deutsche Unternehmen als Gläubiger allerdings genau prüfen.

Wieso?
Burkardt: Die Unterlagen, die für die Forderungsanmeldung notwendig sind, müssen in chinesischer Sprache eingereicht werden. Das macht es erforderlich, dass sich ein mit den entsprechenden Rechtstermini vertrauter Übersetzer – vorzugsweise ein Rechtsanwalt – damit befasst. Auch angesichts der bereits dargestellten Hürden und Kosten sowie der niedrigen Quoten in einem möglichen Insolvenzverfahren sind Maßnahmen von Gläubigerseite bereits bei Zahlungsverzögerungen oder -ausfällen außerhalb einer Insolvenz eine empfehlenswerte Alternative und sollten vor einem Insolvenzantrag ein- und umgesetzt werden.

Welche Maßnahmen sind das?
Burkardt: Als Gläubiger können deutsche Unternehmen ausstehende Zahlungen zum Beispiel mit dem entsprechenden Titel eines chinesischen Gerichts durch eine Zwangsvollstreckung eintreiben – allerdings nur, solange noch kein Insolvenzantrag gegen das chinesische Unternehmen gestellt wurde. Geschwindigkeit und Vorbereitung sind hierbei also Trumpf! Denn für eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung muss der Gläubiger zunächst einmal eine Zahlungsklage beim zuständigen Gericht in China einreichen und anschließend den Prozess möglichst schnell vorantreiben und zu seinen Gunsten entscheiden.
Fehl-Weileder: Die Zwangsvollstreckung hat für deutsche Unternehmen als Gläubiger einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Findet sie rechtzeitig und erfolgreich statt, können die Gläubiger das durch die Zwangsvollstreckung erlangte Geld in der Regel auch dann behalten, wenn das chinesische Unternehmen oder einer der anderen Gläubiger später einen Insolvenzantrag stellt – und das sogar dann, wenn die Zwangsvollstreckung erst kurz vor dem Insolvenzantrag erfolgt ist. Denn hier besteht ein wichtiger Unterschied zum deutschen Recht: In Deutschland könnte ein Insolvenzverwalter das durch die Zwangsvollstreckung erlangte Geld vom Gläubiger zurückfordern; in China greift in einem solchen Fall die sogenannte Insolvenzanfechtung gerade nicht und der Gläubiger kann das durch die Einzelzwangsvollstreckung erlangte Geld daher behalten.

[1] Dr. Elske Fehl-Weileder ist Rechtsanwältin und im Geschäftsbereich internationale Insolvenzverwaltung bei Schultze & Braun tätig. Die Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht ist Expertin für das chinesische Insolvenzrecht. www.schultze-braun.de

[2] Rainer Burkardt ist Rechtsanwalt und Gründer der Kanzlei Burkardt & Partner. Die in China zugelassene Kanzlei, die vorwiegend den deutschsprachigen Mittelstand bei Investitionen und Geschäften in China berät, wurde vom Kanzleimonitor unter die Top Five der Rechtsanwaltskanzleien in China gewählt. www.bktlegal.com

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Falko Bozicevic ist Mitglied des Redaktionsteams sowie verantwortlich für das Anleiheportal BondGuide (www.bondguide.de)