Akquisitionen europäischer Unternehmen durch chinesische Käufer nehmen immer mehr zu. Yi Sun, Partnerin bei EY und Leiterin der China Business Services Deutschland, Österreich und Schweiz, nennt Gründe und warum der Trend trotz mancher Hindernisse weiter anhält.
Unternehmeredition: Frau Sun, woher rührt das Interesse chinesischer Investoren gerade an Deutschland und welche Branchen sind besonders begehrt?
Yi Sun: Die Investoren interessieren sich vorrangig für Industrieunternehmen und insbesondere für Automobilzulieferer. Das liegt daran, dass China ein riesiger Absatzmarkt für diesen Sektor ist und daher großes Interesse an Produkten und Technologie aus Deutschland besteht. Vor allem Anbieter von Fahrzeug-Kernkomponenten stehen im Fokus: von der Hydraulik bis zu den Getrieben und von den Motorteilen bis hin zur Elektronik. Chinesische Zulieferer finden zudem über Akquisitionen deutscher Firmen am schnellsten Zugang zu Premiumherstellern wie Daimler, BMW oder Porsche. Oft stehen aber auch strategische Ziele hinter den Akquisitionen. So sind Börsengänge in China seit der Finanzkrise schwieriger umzusetzen als vorher. Andererseits warten an den Börsenplätzen Hongkong und Shanghai viele Kandidaten auf ihre IPO-Chance. Ihre Aussichten steigen, wenn sie eine erfolgreiche M&A-Transaktion in Deutschland oder Europa als Equity-Story präsentieren können.
Und wie steht es mit den Chancen der Käufer aus China, am deutschen Automobilmarkt zum Zuge zu kommen?
Der chinesische Markt für OEMs und ihre Zulieferer befindet sich seit ein paar Jahren in einer Phase der Konsolidierung, die von der Regierung mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Europa und den USA gezielt gefördert wird. Mit der Größe der Unternehmen wächst nun auch deren Fähigkeit zu M&A-Transaktionen. Strategische Käufer stehen am Automobilmarkt zudem nicht im Wettbewerb mit den meisten Finanzinvestoren, die in diesen Sektor wegen seiner Schwankungen nicht so gerne investieren. Für sie ist er allenfalls mit Blick auf Add-on-Investitionen für bestehende Portfoliounternehmen interessant. Umgekehrt bekommen wir aber immer wieder Anfragen von Private-Equity-Gesellschaften, die sich im Zuge eines Exits nach potentiellen Käufern für eine ihrer Beteiligungen erkundigen. Dennoch gibt es gemessen am Kaufinteresse in China bei den Autozulieferern eher zu wenige Targets in Deutschland. Ich könnte Ihnen da eine sehr lange Wunschliste vorlegen.
2013 ist die Zahl der China-Investitionen in Deutschland nicht gestiegen. Ein Sonderfall oder Zeichen einer Trendwende?
Nachdem der im November 2012 als neuer Parteichef gewählte Xi Jinping im März 2013 das Präsidentenamt in China übernommen hat, wollten viele Unternehmen erst einmal abwarten, welchen wirtschaftspolitischen Kurs er einschlagen wird. Sie haben deshalb ihre M&A-Ambitionen zurückgestellt, obwohl es auf dem deutschen Markt einige sehr große Targets gab. Mittlerweile aber hat sich das wieder geändert. Die Zahl der chinesischen Transaktionen in Europa ist bereits im November und Dezember wieder gestiegen, wobei sich das erst in der Statistik für 2014 niederschlagen wird. Parallel dazu wird auch das Volumen der einzelnen Transaktionen größer. Lag der Schwerpunkt früher unter dem Niveau von 300 Mio. EUR, so befinden sich seit 2013 viele Transaktionen in der Größenordnung zwischen 300 und 500 Mio. EUR in der Pipeline.
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