Jubiläen sollen gefeiert werden

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Ein halbes Jahrhundert. Fünfzig Jahre. Es ist ein Jubiläum, das nicht zu feiern, kaum einem in den Sinn käme. Im kleinen Privaten wie im großen Offiziellen nicht.

Derweil ist von deutsch-chinesischer Feierlaune derzeit nicht viel zu merken. An der Pandemie mag es liegen. Die vielen neuen kleineren Ausbrüche, mit denen China in diesen Tagen kämpft, zeigen: Überwunden ist sie noch nicht. Auch der Krieg um die Ukraine drückt auf die Stimmung. Und die insgesamt recht instabile internationalen Lage. Hinzu kommen die europäisch-chinesischen Beziehungen, die schon mal freundlicher waren.

Dabei lohnte es sich, zu feiern.

50 Jahre diplomatische Beziehungen

Als die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik China vor 50 Jahren beschlossen, diplomatische Beziehungen aufzunehmen, steckte China noch in den „Wirren der Kulturrevolution“. Blau-graue Einheitskluft und Kolonnen von Fahrrädern sind längst einer modisch-bunten Vielfalt und Staus von Edelkarossen gewichen, ein großer Teil „grün“ betrieben. Zum „großen Sprung“, den Mao Zedong seinem Land Ende der 1950er-Jahre verordnet hatte, hat China erst zwei Jahrzehnte später mit der von Deng Xiaoping proklamierten Reform- und Öffnungspolitik angesetzt. Profitiert haben nicht nur die Chinesen, die inzwischen in vielen Bereichen weltweit in der ersten Liga mitspielen. Bei der erwähnten Elektromobilität etwa. Profitiert haben aber auch die Deutschen. Zum wiederholten Male war China im vergangenen Jahr der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Für deutsche Unternehmen aus vielen Branchen ist China der Markt der Märkte. In fünf Jahrzehnten diplomatischer Beziehungen sind die Volkswirtschaften beider Länder eng zusammengewachsen.

Weniger Partner als systemischer Wettbewerber

Vor zehn Jahren, zum 40. diplomatischen Jubiläum, war das noch Anlass für eine ganze Serie von Veranstaltungen. Drei Jahre lang haben sich Deutsche in China landauf, landab präsentiert. „Gemeinsam in Bewegung“ – das Motto drückte den Willen aus, in Wirtschaft, Bildung und Kultur noch stärker zusammenzurücken. Unternehmen zeigten nicht nur ihre wirtschaftliche Leistungskraft, sondern auch, dass sie sich als Teil der chinesischen Gesellschaft verstehen. Sozial engagiert für die eigene Belegschaft wie für die Gesellschaft als Ganzes – ihr Markenzeichen. Es war ein Fest, das in Erinnerung bleibt.

Zehn Jahre später ist die Welt eine andere. Am Anspruch deutscher Unternehmen in China hat das nichts geändert, auch wenn das Land in Europa heute weniger als Partner denn als „systemischer Wettbewerber“ gesehen wird. Deutschland und China, deutsche und chinesische Unternehmen, Deutsche und Chinesen sind bei den großen Herausforderungen unserer Zeit gefragt, ungeachtet aller Differenzen einen Beitrag zu leisten. Gemeinsam. Umwelt- und Klimaschutz ist eine dieser Herausforderungen. Die Mobilität der Zukunft auch. Ohne fossile Rohstoffbasis. Wichtig ist, nicht nur im Dialog zu bleiben, sondern ihn zu vertiefen – und dabei frei nach Deng Xiaoping die etwas schwierigen Probleme zunächst zurückzustellen und Hand in Hand die „Zukunft gestalten“. Unter diesem Titel hat die Deutsche Auslandshandelskammer anlässlich des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China eine Dialogreihe initiiert. Zwischen April und November sollen die Veranstaltungen stattfinden. Das Ziel scheint klar zu sein: Zum Fünfzigsten sollten wir erneut beginnen, intensiver mit- anstatt übereinander zu reden.

Erlaubt sei an dieser Stelle eine kleine (historische) Nebenbemerkung: Mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde das Gebäude der DDR-Botschaft in Peking übernommen. Die Geschichte nicht. Die DDR und China hatten bereits am 27. Oktober 1949 diplomatische Beziehungen aufgenommen.

 

 

 

 

Peter Tichauer

Peter Tichauer ist ein ausgewiesener China-Experte. Nachdem er mehr als 20 Jahre das Wirtschaftsmagazin ChinaContact aufgebaut und als Chefredakteur geleitet hat, ist er seit 2018 im Deutsch-Chinesischen Ökopark Qingdao (www.sgep-qd.de) für die Kommunikation mit Deutschland verantwortlich.

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