In den ersten sechs Wochen des neuen Jahres kündigen chinesische Unternehmen Übernahmen in neuer Rekordhöhe an. Nach Berechnungen von M&A China/Deutschland beläuft sich das Gesamtvolumen der vier gemeldeten Transaktionen – darunter zwei neue Rekord-Deals – auf über 2,7 Mrd. EUR. Dies ist mehr als das Doppelte der 1,2 Mrd. EUR an allen Direktinvestitionen aus China, die im ganzen Jahr 2015 nach Deutschland flossen.
Laut einer neu veröffentlichten Studie von Merics und Rhodium betrug das Gesamtvolumen der chinesischen Outbound Direct Investments (ODI) in Deutschland (Greenfield- Investments und M&A) 2015 circa 1,2 Mrd. EUR und 2014 rund 1,4 Mrd. EUR. Im noch jungen Jahr 2016 übertreffen bereits jetzt die M&A-Aktivitäten die Summe sämtlicher Direktinvestitionen aus China in den vorangegangenen Jahren. Zurückzuführen ist dies auf lediglich vier Übernahmen: Kurz nach dem Jahreswechsel erwarb ChemChina zusammen mit dem Private Equity Investor AGIC die KraussMaffei Group. Der Münchener Spezialmaschinenbauer wechselte für 925 Mio. EUR den Besitzer. Ende Januar kaufte Joyson Electronics aus Ningbo TechniSat Automotive für 180 Mio. EUR. Anfang Februar gab es den ersten Milliarden-Deal – und damit einen erneuten Rekord – in Deutschland mit der Akquisition des Abfall- und Energiespezialisten EEW durch Beijing Enterprises. Die gemeldete Kaufsumme belief sich auf über 1,4 Mrd. EUR. Wenige Tage später schließlich erwarb Techcent aus Chengdu die Wassersparte des Baukonzerns Bilfinger.
Steigende Ticketgrößen
Mit den großen Deals deutet sich eine Trendwende an. Bisher waren die M&A-Transaktionen chinesischer Investoren in Deutschland vorwiegend durch kleinere Tickets im ein- bis zweistelligen Millionenbereich geprägt. Häufig wurden Mittelständler bevorzugt, die aufgrund einer akuten oder bevorstehenden Insolvenz günstig zu erwerben waren. Akquisitionen in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro waren hingegen selten. So zählten die Übernahme von Medion durch Lenovo für über 600 Mio. EUR im Jahr 2011 und von Putzmeister durch Sany für insgesamt fast 500 Mio. EUR ein Jahr bisher zu den größten Transaktionen von Käufern aus der Volksrepublik.
Die Erfahrung wächst
Die neue Investitionswelle aus China geht im Kern auf staatlich geförderten Strukturwandel und die Modernisierung der chinesischen Wirtschaft zurück. Hierfür erscheinen fortgeschrittene Technologien aus deutschen Schlüsselbranchen wie Maschinenbau, Automobilproduktion und Umwelttechnik besonders begehrt. Der sprunghafte Anstieg der Ticketgrößen in den vergangenen Wochen mag aber auch auf die gewachsenen Erfahrungen der Investoren zurückgehen. So hat der Staatskonzern ChemChina in Europa mit der Übernahme von Pirelli in Italien und von Syngenta in der Schweiz bereits weitaus größere Deals gestemmt. Das Privatunternehmen Joyson wiederum entwickelte sich nach der spektakulären Übernahme von Preh 2011 zu einem Serieninvestor und kaufte vor dem TechniSat-Deal noch drei weitere deutsche Automobilzulieferer auf.
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