Deutsche „China-Aktien“ – jetzt einsteigen?

Schon in den vergangenen Jahren standen gerade deutsche Unternehmen bei chinesischen Investoren hoch im Kurs. Die im Zuge des Corona-Sell-Offs deutlich ermäßigten Kurse bieten Chancen zum Nachfassen – für Großaktionäre wie für Privatanleger. Und auch die Gegenbeispiele sind aufschlussreich.

Letzte Chance bei HeidelDruck?

Schon länger an einem nachhaltigen Turn-Around bastelt auch Heidelberger Druckmaschinen, eines der jüngsten Beteiligungsziele chinesischer Investoren auf dem deutschen Kurszettel. Seit Jahren hat der Hersteller von Druckmaschinen mit der fortschreitenden Digitalisierung der Branche zu kämpfen, in deren Folge Druckerzeugnisse immer mehr als Bedeutung verlieren. Mit einem neuen Management und der Erschließung neuer Geschäftsfelder versucht das Traditionsunternehmen, diesem Trend entgegenzuwirken – wenngleich in den vergangenen Jahren mit überschaubarem Erfolg.

Die während der ersten Bilanzpresskonferenz des neuen CEOs vor drei Jahren ausgegebene mittelfristige Prognose eines Umsatzes von mindestens 3 Mrd. EUR und eines Nettogewinns von mehr als 100 Mio. EUR musste nämlich bereits im vergangenen Frühjahr einkassiert werden – ein fragwürdiges Willkommensgeschenk für den chinesischen Masterworks-Konzern. Der war Anfang 2019 mit 8,5% Heidelberger Druck eingestiegen und hatte dabei mit 2,68 Euro je Aktie sogar einen Preis deutlich oberhalb des damaligen Börsenkurses akzeptiert – eine der höchsten Bewertungen der letzten acht Jahre. Rund ein Jahr später notiert die Aktie mit 0,58 EUR sage und schreibe 80% niedriger. Die Mitte März angekündigte Restrukturierung ist deshalb die vielleicht letzte Chance des Traditionskonzerns auf eine Trendwende.Börsenkurs Heidelberger Druck

Zur Finanzierung der Schritte, die das Ergebnis des Geschäftsjahres 2019/20 zunächst mit voraussichtlich rund 300 Mio. EUR belasten werden, und der Rückzahlung einer hoch verzinslichen Anleihe im Volumen von 150 Mio. EUR, sollen Liquiditätsreserven in Höhe von EUR 375 Mio. aus dem Treuhandvermögen des 2005 gegründeten Heidelberg Pension-Trusts zurückgeführt werden. Marktkapitalisierung aktuell weniger als 200 Mio. EUR.

Fazit Heidelberger Druck

Ein weiteres Beispiel, dass Chinesen beim Thema digitaler Wandel auch nicht unbedingt mehr wissen als das ‚Alte Europa‘. Die Druckereibranche hat ihre nicht erst seit gestern ihre ganz eigenen strukturellen Probleme. Allen fundamentalen Daten wie Kurs-Umsatz-Verhältnis etc. zum Trotze – die sich 2020 aber verschlechtern werden. Die Aktie notiert auf einem 20-Jahres-Tief – und zwar nicht gänzlich zu Unrecht.

BioNTech: Biotech-Titel mit Corona-Fantasie

Während große Teile der Wirtschaft stark unter den Auswirkungen der Pandemie leiden, machen Biotech-Werte wie BioNTech Hoffnung auf einen medizinischen Durchbruch im Kampf gegen das Virus. Das Mainzer Start-Up forscht derzeit sowohl an einer geeigneten Covid-19-Therapie wie auch an einem Impfstoff zur Prävention von Infektionen. Für den mRNA-Impfstoffkandidaten BNT162 sollen bereits Ende April die klinischen Testreihen am Menschen beginnen, sofern die Gesundheitsbehörden grünes Licht für die Durchführung geben.BioNTech Börsenkurs

Während Berenberg-Analystin Shanshan Xu BioNTech dank der breit aufgestellten Entwicklungsplattform im weltweiten Rennen um einen Impfstoff bestens aufgestellt sieht, hinterlegen auch die großen Pharma-Konzerne ihr Interesse. In den USA arbeitet BioNTech mit dem Pharma-Riesen Pfizer zusammen. In China konnte man sich Fosun Pharma als Partner ins Boot holen. Fosun Pharmas umfangreiche Erfahrung in der klinischen Entwicklung, Zulassung und Kommerzialisierung von Therapeutika im chinesischen Markt dürfte für das junge Biotech-Start-Up von großem Nutzen sein. Gerade hinsichtlich der Durchführung von klinischen Studien in China. Im Rahmen des Deals stellt Fosun dabei bis zu 120 Mio. EUR für die gemeinsame Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Im Gegenzug erhält Fosun, neben dem Recht zur Kommerzialisierung des Impfstoffs auf dem chinesischen Markt, auch 1,58 Mio. Aktien im Volumen von 44 Mio. EUR bzw. 0,7% der Anteile. Das entspricht einem Kaufpreis von knapp 28 EUR je Aktie.

Inzwischen notiert die Aktie fast doppelt so hoch – zahlreiche Analystenhäuser wie J.P. Morgan sehen im Kurs allerdings schon viele Vorschusslorbeeren enthalten. Den Experten zufolge sind bereits alle Monetarisierungs-Optionen eingepreist. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 12 Mrd. EUR bringt BioNTech aktuell einen größeren Börsenwert auf die Waage als einige Large-Cap-Unternehmen mit Jahresumsätzen im Milliardenbereich. Oder DAX-Mitglied Deutsche Bank.

Fazit BioNTech

Biotechnologie und Lifesciences allgemein könnten für chinesische Investoren lukrativer ausfallen als Branchen, die seit Jahren gegen den Umbruch ankämpfen – wie die erwähnte Druckereibranche oder Automobilzuliefererindustrie. Bei BioNTech speziell empfiehlt sich eine Beruhigung des Kurses abzuwarten – namentlich unter 45 EUR, noch besser 40 EUR. Dies wäre noch im Einklang mit dem Aufwärtstrend seit dem Börsengang 2019.

Fazit

Ähnlich wie schon Anfang 2019 aufgrund des US-chinesischen Zollstreits dürfte nun die Corona-Krise 2020 die chinesischen Aktivitäten in Deutschland vorübergehend etwas ausbremsen. Anzahl und Volumen der Transaktionen im Gesamtjahr hängen davon ab, wann die Eindämmung des Virus Wirkung zeigt – und zwar weltweit. Gelingt in den kommenden Monaten der Sprung zurück zur ‚Normalität‘, sollte die Kauflaune chinesischer Firmen steigen. Zumal die vielfach massiv gefallenen Aktienkurse nun ein weitaus günstigeres Umfeld für Übernahmen und Aktienkäufe bieten als noch in den vergangenen Jahren des ‚Superbooms‘ nach den Aufräumarbeiten der überstandenen Finanzkrise 2008/09. Dies gilt nicht nur für Chinas finanzstarke Konzerne, sondern auch für strategisch orientierte Anleger. Unsere Übersicht zeigt zugleich, dass auch strategische Investoren – ganz gleich welcher Couleur oder aus welcher Destination – weder vor schlechtem Timing, noch vor Fehleinschätzung der Branchenperspektiven gefeit sind. Das sollte jeder Privatperson und jedem Unternehmer Mut machen – oder zum Nachdenken anregen.

Übersicht über die im Artikel vorgestellen Aktienwerte
Datengrundlage: Onvista
Porträt Sven Heckle
Sven Heckle

Als freier Wirtschafts- und Finanzjournalist beschäftigt sich Sven Heckle schon seit 20 Jahren mit den internationalen Aktienmärkten. Aktuell schreibt er für mehrere deutschsprachige Fachpublikationen.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch