Deutsche „China-Aktien“ – jetzt einsteigen?

Schon in den vergangenen Jahren standen gerade deutsche Unternehmen bei chinesischen Investoren hoch im Kurs. Die im Zuge des Corona-Sell-Offs deutlich ermäßigten Kurse bieten Chancen zum Nachfassen – für Großaktionäre wie für Privatanleger. Und auch die Gegenbeispiele sind aufschlussreich.

HNA-Gruppe mit Gastspiel bei der Deutschen Bank

Ebenfalls unter keinem guten Stern stand das Engagement chinesischer Investoren bei der Deutschen Bank: Anfang 2007 kaufte sich die HNA-Gruppe für ein Erstinvestment in Höhe von 755 Mio. EUR zunächst mit gut 3% beim größten deutschen Finanzinstitut ein und baute die Beteiligung anschließend bis auf 9,9% der Unternehmensanteile aus. Von Anfang an wurde der Einstieg der Chinesen kritisch gesehen. Zum einen, da der Mischkonzern Kompetenzen eher in den Bereichen Luftfahrt, Tourismus und Immobilien vorzuweisen hatte, zum anderen, da Politik und Wirtschaft Sorgen um zunehmende Einflüsse auf das wichtigste deutsche Kreditinstitut umtrieben.

Diese Ängste haben sich nunmehr von selbst erledigt: Nachdem HNA zuvor bereits seinen Anteil an der Deutschen Bank reduziert hatte, stiegen die Chinesen per Ende 2019 schließlich komplett aus. Offiziell erfolgte der Schritt auf Druck der chinesischen Regierung. Ausschlaggebend war aber sicherlich auch, dass sich die HNA-Gruppe finanziell zuletzt strecken musste und ihr Deutschland-Investment bislang alles andere als lukrativ war: Gegenüber dem Zeitpunkt des Einstiegs Anfang 2017 verlor die Deutsche Bank-Aktie bis Ende 2019 rund 60% an Wert.Börsenkurs Deutsche Bank

Lost in Translation?

Die Situation ist aus Sicht des Managements allerdings lange nicht mit der Finanzkrise 2008 zu vergleichen. „Wir ha­ben ei­ne Ei­gen­ka­pi­tal­quo­te von mehr als 13%, ha­ben 200 Mrd. EUR Li­qui­di­tät, ha­ben ein sau­be­res Kre­dit­buch und sind gut ins Jahr ge­star­tet“, ließ Vorstandsvorsitzender Sewing Mitte März wissen. Nach einem überzeugenden Ausblick im Rahmen des Kapitalmarkttages im vergangenen Dezember und der Präsentation eines neuen Großaktionärs aus den USA konnte die Aktie zwischenzeitlich fast 60% zulegen und notierte noch im Februar erstmals seit 2018 wieder über der Marke von 10 EUR – bevor, natürlich, Corona zuschlug. Daher aktuell doch wieder 5 bis 6 EUR.

Fazit Deutsche Bank

Es spricht einiges dafür, dass die Chinesen beim deutschen Branchenprimus übles Timing sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf leiten ließ. Mit einer Marktkapitalisierung von aktuell nur noch 11,4 Mrd. EUR (!) sind die Frankfurter heißer Übernahmekandidat. Auch die deutsche Politik würde eine Deutsche Bank niemals untergehen lassen – siehe bereits das Beispiel Commerzbank, der Nummer Zwei. Zu dieser Bewertung absolut kaufenswert: mit oder ohne chinesische Investoren. Oder aber durch (andere) chinesische Investoren natürlich.

Nebenwerte mit Turnaround-Potenzial

 Nicht überall stand einem Investment chinesischer Investoren in den vergangenen Jahren derart große Portion Skepsis gegenüber wie beim deutschen Bankenriesen. Beim Automobilzulieferer Grammer etwa wurde die chinesische Ningbo Jifeng im Frühjahr 2017 mit offenen Armen empfangen. Über eine Wandelanleihe im Volumen von 60 Mio. EUR waren sie damals eingestiegen und der Gesellschaft aus dem ostbayrischen Amberg in einem medienwirksamen Machtkampf zur Seite gesprungen. Ein Jahr später legte Ningbo Jifeng ein Angebot zur Komplettübernahme auf den Tisch. Seitdem kontrolliert sie mehr als 84% aller Aktien – ein Deal, der vor dem Hintergrund möglicher Insidergeschäfte allerdings nun nochmals genauer unter die Lupe genommen wird.

Doch nicht nur die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen sorgen bei Grammer derzeit für Sorgenfalten auf der Stirn: Nachdem sich im vergangenen Jahr operativ endlich wieder Wachstum eingestellt hat, erwartet das Management aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie eine erhebliche Abschwächung 2020. Um fast 10% auf 2,0 Mrd. EUR konnte Grammer seine Umsätze im vergangenen Jahr steigern und dabei das Nettoergebnis auf 43,5 Mio. EUR bzw. 3,56 EUR je Aktie knapp verdoppeln.

Grammer en bref: nichts Genaues weiß man nicht

Das jedoch wird in diesem Jahr nicht zu schaffen sein: „Die großen Herausforderungen für unsere Branche und die derzeit überhaupt noch nicht absehbaren Konsequenzen der weltweiten COVID-19-Pandemie verursachen bereits im ersten Quartal 2020 sehr deutliche Spuren in unserem Geschäft“, erläutert Vorstandschef Thorsten Seehars. Zwar wurde die vorübergehend unterbrochene Produktion in den chinesischen Werken wieder aufgenommen – dafür sind nun zahlreiche Betriebsstätten der Automobilhersteller geschlossen. Mut aber macht die Intensivierung der Zusammenarbeit mit Ningbo Jifeng im Bereich des Einkaufs. Hier erwarten sich beide Unternehmen über die nächsten Jahre Einsparungen im zweistelligen Millionenbereich.Börsenkurs Grammer

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