Deutsche „China-Aktien“ – jetzt einsteigen?

Schon in den vergangenen Jahren standen gerade deutsche Unternehmen bei chinesischen Investoren hoch im Kurs. Die im Zuge des Corona-Sell-Offs deutlich ermäßigten Kurse bieten Chancen zum Nachfassen – für Großaktionäre wie für Privatanleger. Und auch die Gegenbeispiele sind aufschlussreich.

China stock market graph ticker
Quelle: AdobeStock © Blue Planet Studio

Das chinesische Interesse am deutschen Automobilhersteller Daimler ist schon lange verbrieft. Er ist somit eine klassische deutsche China-Aktie, die man im Depot haben sollte. Erst kurz vor Jahreswechsel wurden Gerüchte um eine Ausweitung der chinesischen Investitionen herumgereicht. Laut Nachrichtenagentur Reuters will der chinesische Staatskonzern BAIC über kurz oder lang zum größten Anteilseigner der Stuttgarter aufsteigen.

Damit würde er sich auch einen Platz im Aufsichtsrat der Schwaben sichern. Der Daimler-Partner hatte erst im Juli 2019 eine Beteiligung in Höhe von 5% am Autobauer gemeldet und wird beim Ausbau seiner Anteile offenbar von der britischen Großbank HSBC unterstützt. Danach strebt BAIC mindestens einen Anteil in Höhe von 10% an Daimler an. Damit würde man den lokalen Konkurrenten Geely überflügeln: Geely-Gründer Li ShuFu hatte vor rund zwei Jahren einen Anteil von 9,69% zusammengekauft und dabei lange Zeit mit fragwürdigen Konstruktionen bestehende Meldepflichten unterwandert. Geely hat bereits bei Volvo mehr oder minder das Sagen.

Corona-Crash als Vorteil

Die Corona-Krise könnte den beiden chinesischen Großaktionären bei einem Ausbau ihres Engagements nun in die Karten spielen. Im Zuge des Sell-Offs an den Aktienmärkten hat die Daimler-Aktie seit Jahresbeginn zeitweise mehr als die Hälfte an Wert verloren, er liegt derzeit bei weniger als 30 Mrd. EUR. Vorübergehende Produktionsausfälle und geschlossene Autohäuser werden im ersten Halbjahr der gesamten Branche tiefe Einschnitte bescheren. Dabei kommt die Krise für Daimler ausgerechnet in einer Phase, in der sich der Konzern ohnehin schon großen Herausforderungen sowie den Kosten bei Elektromobilität, autonomem Fahren und Folgen des Dieselskandals gegenübersieht.

Im Aktienkurs scheinen mittlerweile viele dieser Probleme eingepreist zu sein, zumal Daimler bislang auf Staatshilfen verzichten und die im Februar angekündigte Dividende in Höhe von 0,90 EUR je Aktie beibehalten möchte – Sinneswandel jedoch nicht ausgeschlossen. Selbst bei einem Umsatzrückrang um 30% in diesem Jahr würden die Erlöse beim Stuttgarter Autobauer noch immer bei rund 120 Mrd. EUR liegen. Das entspräche einem was einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von nur 0,25.Börsenkurs Daimler

 

Fazit Daimler

Die Schwaben werden sich mit ihren beiden chinesischen Investoren arrangieren müssen – die nämlich dürften Ihre Anteile zu aktuell günstigen Kursen weiter aufstocken. Follow the Money – ein Investment in Daimler erscheint auf der aktuellen Basis attraktiv.

 

Chinesische Investoren mit großem Interesse

Aber Daimler ist nicht die einzige deutsche China-Aktie, die einen Platz im Depot verdient. Allein 2017 investierten chinesische Unternehmen knapp 12,1 Mrd. EUR in deutsche Firmen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zählte insgesamt 40 Übernahmen und Beteiligungen. Deutsches Knowhow scheint bei der Umsetzung der „Made in China 2025“-Strategie besonders wertvoll: Schon vor Monaten kündigte das Bundeswirtschaftsministerium strengere Vorgaben an, wenn es um Verkäufe und Beteiligungen „kritischer Technologie“ wie Künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter oder Biotechnologie gehe. Diese gelten bislang schon im Bereich kritischer Infrastrukturen wie etwa Stromnetze. Mit einem milliardenschweren Rettungsfonds will die Regierung nach dem Börsencrash nun einen Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieadressen verhindern.

Nachdem sich chinesische Konzerne 2018 und in der ersten Jahreshälfte 2019 auch vor dem Hintergrund der internationalen Handelskonflikte vorübergehend etwas zurückhaltender gezeigt haben, hat das Kaufinteresse Ende des vergangenen Jahres wieder spürbar zugenommen. Wurden in den ersten sechs Monaten 2019 lediglich 14 Deals registriert, waren es im zweiten Halbjahr 25. Insgesamt wurden bei diesen 39 Transaktionen mit 4,6 Mrd. EUR investiert. Nach einem Volumen von 10,7 Mrd. EUR bei 35 Deals im Vorjahr. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei den Investitionen durch chinesische Konzerne damit an der Spitze. Großbritannien (31), Frankreich (18) und Italien (14) werden auf die Plätze verwiesen.

„Die Bereitschaft, auch größere Deals anzugehen, ist deutlich gestiegen“, kommentiert Yi Sun, Leiterin der China Business Services für den deutschsprachigen Raum bei EY. „Industrie und Hightech sind derzeit sehr gefragt – dabei treten Chinesen als strategische Investoren sowohl bei starken Nischenanbietern, als auch bei Unternehmen mit schwachem Wachstum in Europa auf“, meint Yi Sun, die die Abschlussquote als noch nicht hoch bezeichnet. Er beobachtet aber eine „steile Lernkurve“ bei den chinesischen Unternehmen.

 

Gegenbeispiel Kuka

Auch aus den früheren Deals werden die chinesischen Konzerne ihre Lehren gezogen haben. Zwar geht es vielen Firmen mehr um einen Technologietransfer denn um monetäre. Zur ganzen Wahrheit gehört jedoch auch, dass chinesische Investoren mit ihren deutschen Beteiligungen und Übernahmen in der Vergangenheit nicht nur ein glückliches Händchen bewiesen haben. Bestes Beispiel hierfür ist der Augsburger-Robotik-Spezialisten Kuka, der seit 2017 zu 94,5% im Besitz des chinesischen Midea-Konzerns ist. Für den Kauf der Anteile blätterte der Haushaltsgerätehersteller aus Fernost satte 4,5 Mrd. EUR bzw. 115 EUR je Aktie auf den Tisch.

Rund drei Jahre später sieht sich Kuka deutlichen Bremsspuren im operativen Geschäft gegenüber: Nach einem deutlichen Umsatz- und Gewinnrückgang 2018 hat der Vorstand die Jahresziele für das Geschäftsjahr 2019 gekappt. Zu einem Ausblick 2020 sieht sich das Management angesichts der Corona-Ausbreitung derzeit gar nicht erst in der Lage. An der Börse bringt der gesamte Konzern derzeit lediglich knapp 1,2 Mrd. EUR auf die Waage und hat gegenüber dem Kaufpreis rund drei Viertel verloren.Börsenkurz KUKA

Fazit Kuka

Investments haben (aktuell?) keinerlei Eile. Kuka hatte schon vor der Corona-Krise gravierende operative Probleme, die sich jetzt zu einem Tsunami ausweiten könnten. Dieses Beispiel belegt eindrücklich, dass auch chinesische Investoren nicht den heiligen Gral strategischer Investments ausgemacht haben. Die Automobilzuliefer-Industrie muss mit so engen Margen auskommen, dass sie in punkto Schönwetterbranche nicht unweit hinter der Luftfahrtindustrie rangiert. Hier verursacht jede Windböe eine Systemkrise.

Dieser Post ist auch verfügbar auf: Vereinfachtes Chinesisch