Die deutlichsten Rückgänge auf dem IPO-Markt hat die Corona-Krise im Westen ausgelöst. In den USA schrumpfte das Emissionsvolumen um 45 Prozent auf 15,1 Milliarden US-Dollar, die Zahl der IPOs ging um 38 Prozent auf 40 zurück. In Europa gab es beim Emissionsvolumen einen Rückgang um 55 Prozent auf 6,6 Milliarden US-Dollar. Die Zahl der Transaktionen schrumpfte parallel um 60 Prozent auf 22.
Chinas IPO-Markt hingegen trotzt dem globalen Trend und legte – wie schon im ersten Quartal – erneut zu. Einschließlich Hongkong stieg das Emissionsvolumen in China um 54 Prozent auf 17,9 Milliarden US-Dollar. Zeitgleich erhöhte sich die Zahl der IPOs um 28 Prozent auf 92. Somit fand im zweiten Quartal fast jeder zweite Börsengang der Welt in der Volksrepublik statt.
Erholung ab Juni erkennbar
„Bedingt durch die weltweiten Eindämmungsmaßnahmen gingen die IPO-Aktivitäten im April und Mai erwartungsgemäß zurück,“ konstatiert Dr. Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. „Allerdings haben wir schon im Juni deutliche Erholungszeichen gesehen.“ So lag die Zahl der Börsengänge im April noch bei 54 und im Mai sogar nur bei 43. Aber im Juni wagten bereits 89 Unternehmen den Schritt aufs Parkett. Auch beim Emissionsvolumen ist der Trend bereits deutlich zu erkennen. Von den zehn größten Börsengängen im zweiten Quartal fanden allein acht im Juni statt. „Die gute Entwicklung in den letzten Wochen zeigt, dass der Markt sehr aufnahmefähig ist und dass gut vorbereitete Unternehmen in den richtigen Sektoren und mit den richtigen Geschäftsmodellen auf Investorenappetit treffen.“ Dazu zählen laut Steinbach derzeit vor allem Technologieunternehmen sowie Pharma- und Biotech-Unternehmen. Sie stünden aktuell bei Investoren besonders hoch im Kurs.
„Die Erholung der Aktienkurse, eine deutlich niedrigere Volatilität und eine verbesserte Stimmung unter Investoren haben dazu beigetragen, dass sich das Umfeld für Börsengänge in den vergangenen Wochen verbessert hat“, ergänzt Steinbach. „Wir sehen bereits, dass sich die IPO-Pipeline weiter füllt. Börsenkandidaten nutzen die virtuelle Investorenansprache und bereiten sich mit kürzeren Roadshows auf volatile Märkte vor. Es stehen derzeit einige Unternehmen in den Startlöchern, die einen Börsengang in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 oder Anfang 2021 anstreben.“
Das Pharmaunternehmen Pharma SGP erlöste bei seinem Börsendebüt im Prime Standard 127 Millionen Euro. Schon Ende Mai hatte das Datenbank-Management-Unternehmen Exasol den Sprung aufs Parkett gewagt und dabei 88 Millionen Euro eingenommen.
Die größten Börsengänge finden in China statt
Der größte europäische Börsengang, bei dem 2,9 Milliarden US-Dollar erlöst wurden, war die Erstnotiz des niederländischen Kaffeeunternehmens JDE Peet’s. Die beiden ersten Plätze sicherte sich aber Chinas IPO-Markt und bestätigte damit auch beim Emmisionsvolumen den Trend. Denn die weltweit größten Transaktionen im gleichen Zeitraum fanden in der Volksrepublik statt. Es handelte sich dabei um den Börsengang des chinesischen Onlinehändlers JD.com, der 3,9 Milliarden US-Dollar einbrachte und das Börsendebut des chinesischen Internetkonzerns und Onlinespieleanbieters Netease, der 3,1 Milliarden US-Dollar erlöste.
Dr. Martin Steinbach
Dr. Martin Steinbach verantwortet die IPO und Listing Services bei EY in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seit 2012 ist er IPO Leader für Europa, Middle East, Indien und Afrika und hatte 2016 bis 2019 die Rolle als Global IPO Leader bei EY.
Claudio Chiandussi
Claudio Chiandussi ist Associate Partner bei EY im Bereich Transaktionsberatung. Er berät seit über 15 Jahren im Rahmen nationaler wie internationaler M&A-Transaktionsprojekte. In diesem Zusammenhang unterstützte er seine Mandanten bei grenzüberschreitenden Projekten auch über mehrere Jahre vor Ort in Schanghai und Hongkong.
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